Die von Bundesverbraucherministerin Aigner gestartete Kampagne zur Lebensmittelverschwendung ist ein wichtiger und längst überfälliger Schritt der aber das Kernproblem ignoriert, so Slow Food Deutschland e.V.
Erforderlich ist vielmehr eine umfassende Reform des vorherrschenden Ernährungssystems auf allen Ebenen, die weit über die Symptombehandlung der Lebensmittelverschwendung in Privathaushalten hinausgeht. „Unser Lebensmittelsystem beruht auf einem industriellen Modell, das auf Masse, schnellem Warenumschlag, Konformität und hohem Konsum beruht,“ kritisiert Dr. Ursula Hudson, amtierende Vorsitzende von Slow Food Deutschland e.V. Der kulturelle, soziale und lokalwirtschaftliche Aspekt des Essens wird dabei kontinuierlich untergraben. „Solange unsere Lebensmittel Waren bleiben, wird der wahre Wert des Essens und seine Bedeutung für die Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt unterschätzt.“ Das industrielle landwirtschaftlich-ernährungstechnische Modell, das sich im Laufe der letzten fünfzig Jahre etabliert hat, ist einer der Gründe für die schwerwiegendste Umwelt- und Klimakrise, die die Menschheit je erlebt hat. Auch Übergewichtigkeit in den reichen Ländern, Lebensmittelunsicherheit in wirtschaftlich schwächeren Regionen und der Verlust von traditionellem Wissen und handwerklichem Können sind eng mit dem derzeitig vorherrschenden Ernährungs- und Produktionsmodell verknüpft.
Slow Food Deutschland e.V. macht schon länger durch die Kampagne „Teller statt Tonne“ auf das Thema der Lebensmittelverschwendung aufmerksam. Knapp 3.000 Bürger nahmen an den „Teller statt Tonne“ Aktionstagen teil, die im September 2011 in Berlin und Stuttgart von Slow Food Deutschland, dem Evangelischen Entwicklungsdienst und Brot für die Welt durchgeführt wurden. Im Zuge der Kampagne überreichte Dr. Hudson zusammen mit Slow Food Gründer und internationalem Präsidenten Carlo Petrini Ministerin Aigner ein Positionspapier des Vereins, das die Reformnotwendigkeit der europäischen Agrarpolitik im Bezug auf die aktuellen Kernpunkte der Ernährungs- und Verbraucherschutzpolitik darstellt.
Der Verein, der dieses Jahr sein 20jähriges Jubiläum feiert, stellt gerade die gesellschaftliche Bedeutung der Nahrung in den Mittelpunkt. Slow Food bringt Produzenten, Händler und Verbraucher miteinander in Kontakt, vermittelt Wissen über die Qualität von Nahrungsmitteln und macht so den Ernährungsmarkt transparent. Essen ist ein landwirtschaftlicher Akt, durch den aufgeklärte, kritische Konsumenten gleichzeitig zu Ko-Produzenten werden, deren Entscheidungen die landwirtschaftliche Produktion und den Zustand des Ökosystems beeinflussen.