Stichprobe zu Apfel-Preisen in Supermärkten: Merkwürdiger Einheitspreis

Viele Supermärkte setzen auf ein merkwürdiges Einheits-Preissystem: Für lose Äpfel müssen Kunden meist 1,99 Euro pro Kilo berappen – egal, zu welcher Jahreszeit, egal, welche Sorte sie in den Beutel stecken. Auch dass wie in dieser Saison eine überaus gute Ernte für billigere Preise gesorgt hat, beeindruckt die Ketten nicht. Bei verpackter Ware dagegen herrscht meist billigere Preisvielfalt. Das zeigt eine Stichprobe, bei der die Verbraucherschützer die Obsttheken von Supermarkt-Ketten unter die Lupe nahmen.

Ein Apfel ist ein Apfel ist ein Apfel. Jedenfalls dann, wenn er als lose Ware in Supermärkten wie Real, Rewe oder Netto, Kaufland oder Kaiser’s angeboten wird. In diesem Fall gilt: Ob Braeburn, Pink Lady oder Gala Royal, ob zwischengelagert im Winter oder im Herbst praktisch vom Baum in den Handel gefallen, ob in der Region geerntet oder weitgereist aus Übersee – fast stets kostet ein eigenhändig in den Beutel gepackter Apfel 1,99 Euro pro Kilogramm. Das ergab eine Stichprobe, bei der die Düsseldorfer Verbraucherschützer Obsttheken von fünf Supermarkt-Ketten sichteten.

Rund zehn Apfelsorten der Klasse I hatte zum Beispiel Real als lose Ware im Sortiment, den heimischen Elstar, einen Granny Smith aus Italien oder eine Pink Lady aus Frankreich – alle zu 1,99 Euro das Kilo. Ein ähnliches Stillleben bot sich bei Kaufland: Zehn Sorten – derselbe Preis. Die Cent-genaue Einigkeit fand sich ebenfalls bei den Konkurrenten Netto, Rewe und Kaiser’s.

Und das erstaunt. Denn wer über die Einheitspreis-Waagen hinaus schaut, trifft auf eine andere Apfel-Welt. Schon am Beginn der Vermarktungskette verkaufen die großen Erzeugerorganisationen wie Elbe-Obst und Bodenseeobst preislich stark differenziert. Die Sorten Boskoop und Cameo beispielsweise starteten vergangene Saison mehr als doppelt so teuer wie Jonagold.

Auch auf Großmärkten wie dem Düsseldorfer klaffen die Sorten-Preise auseinander. So notierten die Tester der Verbraucherzentrale NRW, dass für Jazz fast das Vierfache zu berappen war wie für Elstar. Und ebenso variierten die Sortenpreise auf den Wochenmärkten und in den Bioläden bei loser Ware heftig. Oftmals von 99 Cent bis 2,99 Euro pro Kilo.

Kurios: Selbst die Einheitspreis-Verfechter machen Unterschiede – allerdings nur bei vorgepackten Äpfeln. Die nämlich befinden sich – oftmals in der Qualitäts-„Klasse II“ – im heftigen Preis-Wettbewerb. Wer zum Zwei-Kilo-Beutel oder Six-Pack in der Schale greift, zahlt dabei im Vergleich zur gleichen losen Sorte meist deutlich weniger.

Ein Beispiel : Die Ein-Kilo-Schale Gala (Klasse I) war bei Real mit 1,49 Euro ein Viertel billiger als die selbst Abgewogenen (Klasse I). Bei einigen Anbietern sank so der Kilo-Preis von 1,99 Euro bis auf 86 Cent.

Verantwortlich für das merkwürdige 1,99-Euro-System, so lassen die Ketten verlauten, seien angeblich die Kunden. Die nämlich „kaufen oftmals mehrere Sorten gemischt in einem Beutel“ (Kaiser`s). Das sei auch bei Real „grundsätzlich gelebte Praxis“, sodass es an der Waage mittlerweile nur noch eine Taste für lose Äpfel gebe.

Verboten ist das nicht. Denn rechtlich liegt die Preisgestaltung in der Hand des Einzelhandels. Überaus ärgerlich allerdings: Verbrauchern ist es so verwehrt, bei loser Ware eine billigere Apfelsorte zu wählen. Wer sparen will, muss zur umweltschädlicheren Variante, also zum Apfel unter Plastik greifen, die obendrein oft nur in Klasse-II-Qualität offeriert wird.

Besonders betroffen davon sind in diesem Jahr die Freunde gängiger Sorten wie Golden Delicious, Jonagold und Elstar. Schließlich hat eine überaus gute Ernte für günstigere Preise gegenüber dem Vorjahr gesorgt: im Schnitt um bis 20 Cent je Kilo, weit mehr noch bei Jonagold. Doch bei loser Ware kassieren die meisten Supermärkte unbeeindruckt weiterhin 1,99 Euro ab.

Den Hauptgrund dafür sehen Kenner der Branche in dem Misstrauen, das Märkte gegen Kundschaft und Mitarbeiter hegen: Obstkäufer könnten beim Auswiegen und Auszeichnen teurere Sorten in den Beutel mischen, was an der Kasse unentdeckt bliebe.

„Mehr Fachpersonal für Obst und Gemüse“, empfiehlt da Dr. Egon Treyer. Der Geschäftsführer der Marktgemeinschaft Bodenseeobst, einer der größten Erzeugergemeinschaften von Äpfeln, kann über den 1,99-Euro-Einheitspreis nur den Kopf schütteln: „An der Fleischtheke hat schließlich auch jede Wurstsorte ihren eigenen Preis.“

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