Nach einem turbulenten Jahr stehen die Pfälzer Weingüter und Winzergenossenschaften abermals vor einer sehr frühen Weinernte. Bereits in der Woche vom 8. August werden einzelne Betriebe mit der Lese der Trauben für Federweißen beginnen, doch das Gros derer, die sich auf das Geschäft mit neuem Wein spezialisiert haben, wird erst ab dem 15. August ernten. Die Lese der Hauptsorten wie etwa Müller-Thurgau wird voraussichtlich in der zweiten Septemberwoche starten.
Die extrem frühe Rebblüte hatte ursprünglich auf einen noch zeitigeren Lesebeginn hingedeutet, doch das wenig sommerliche Wetter im Juli mit wolkigen und niederschlagsreichen Tagen hat die Entwicklung verzögert. Der Pfälzer Weinbaupräsident und Vorsitzende der Pfalzwein-Werbung, Edwin Schrank, ist darüber keineswegs unglücklich: „Die Trauben sind kerngesund, außerdem bestens mit Wasser versorgt. Wenn jetzt noch recht trockenes, sonniges Wetter folgt, haben wir optimale Voraussetzungen für einen qualitativ hochwertigen Jahrgang“, sagte Schrank bei einer Pressekonferenz der Pfalzwein-Werbung in der Winzergenossenschaft in Edenkoben.
Nach dem Schock durch extremen Spätfrost – in der Nacht zum 4. Mai wurden nahezu 5000 Hektar Pfälzer Weinberge stark geschädigt – zeigte sich Schrank zuversichtlich: „Bei den Betrieben, die nicht unter den Frostschäden leiden, zeichnen sich gute bis zufrieden stellende Erträge ab.“ Selbst in Anlagen, die unter dem Frost gelitten haben, scheint aufgrund des Vegetationsverlaufs noch eine geringe Ernte möglich. Schätzungen zur Erntemenge sind indes aufgrund der großen Schäden schwierig. „Die Menge wird aller Voraussicht nach unter dem Durchschnitt von 2.4 Millionen Hektoliter liegen, aber für eine genaue Prognose ist es derzeit noch zu früh“, äußerte Schrank. Dennoch sei er angesichts der kleinen Vorjahresernte froh, dass die Entwicklung der Reben so weit fortgeschritten ist: „Jetzt können wir die Nachfrage nach Pfälzer Weinen in vollem Umfang decken und verlorene Flächen im Regal zurückholen.“
Für die Fachleute ist gerade das Abbremsen des Reifeprozesses durch das wechselhafte Juliwetter eher ein Grund zur Freude: „Diese kleine Reifeverzögerung halte ich für sehr positiv, denn durch eine langsame Reife prägen sich die Aromen am besten aus. Wir können also auf frische, fruchtige und aromatische Rieslinge hoffen“, sagt Jürgen Oberhofer vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz (DLR). Doch nicht nur für Rieslinge, auch für die roten Sorten sei der bisherige Witterungsverlauf geradezu maßgeschneidert. „Die Vorzeichen für einen bemerkenswerten Rotwein-Jahrgang sind gut.“
Ende Mai hatte noch alles auf einen Turbo-Jahrgang hingedeutet. Denn zum Zeitpunkt des Blütebeginns – er wurde in Neustadter Lagen bereits am 25. Mai registriert – besaß die Vegetation einen Vorsprung von fast drei Wochen gegenüber dem langjährigen Mittel. Die aktuellen Reifemessungen des DLR haben für Regent 49 Grad Oechsle und für Ortega 64 Grad Oechsle ergeben. Damit belegt 2011 keineswegs eine Spitzenstellung im Vergleich mit anderen Jahren. „Wir liegen derzeit wie 2008 und 2009, aber hinter 2003 und 2007 zurück“, berichtet Oberhofer. Hauptursache sei der zu kühle Juli.
Die frühreifen Sorten wie Ortega, Bacchus, Siegerrebe oder Solaris, die stets zum Beginn der Weinernte gelesen werden, dienen vor allem zur Produktion von Federweißen oder neuem Wein. Die Pfalz ist in diesem Marktsegment führend, mehr als die Hälfte des in Deutschland erzeugten Federweißen stammt von der Deutschen Weinstraße. In den vergangenen Jahren wurden nach Angaben des Weinbauverbands Pfalz bis zu 1,5 Millionen Liter Federweißer vermarktet. Dies ist zwar weniger als ein Prozent der durchschnittlichen Pfälzer Jahresernte, doch die Nachfrage steigt ständig. Manche Weingüter haben sich ganz auf diese Marktnische spezialisiert.