Wenn die „High Society“ wieder hinab ins Tal steigt: Die Almabtriebe krönen den Wildschönauer Genussherbst – Geführte Wanderungen, Feste und jede Menge Brauchtum machen Tiroler Tradition erlebbar
The King is back. Der Käse-König Johann Schönauer. Mit langem Bart übrigens, den der preisgekrönte Käser nach einem alten Brauch erst stutzt, sobald der letzte der Bauern, die ihm ihr Vieh anvertraut haben, bezahlt hat. Gefeiert werden er und seine Senner-Kollegen beim Wildschönauer Almabtrieb am 24. September. In der Nacht zuvor, in der so genannten Gru-Nacht, haben die Bergbauern mit Freunden und Familien den Abschied von der Alm gefeiert. Am nächsten Morgen packt die „High Society“ dann ihre Sachen, melkt und schmückt das Vieh und treibt es hinab in die Heimatställe – begleitet von zahlreichen Schaulustigen am Wegesrand. Der Tross aus über 500 Tieren zählt zu den Höhepunkten des Genussherbstes, bei dem die Tal-Bewohner sich selber feiern: ihre lustig-leichte Lebensart, ihre tief verwurzelten Traditionen und nicht zuletzt ihre Bergwelt, mit der sie so behutsam umgehen. Gäste sind hier gern gesehen und werden herzlich in den Kreis der Einheimischen aufgenommen. Erlebbar ist der Genussherbst mit sieben Übernachtungen im Doppelzimmer inklusive Halbpension und Wildschönauer Wanderpass ab 275 Euro pro Person.
Aber der Reihe nach. Schließlich beginnt der Genussherbst schon am 28. August mit dem Tanzlmusigfest auf der Hohlriederalm in Auffach. Unterm blauen Himmel dreht man sich hier zu volkstümlichen Klängen oder kommt an den Tischen bei Bier und Brotzeit ins Gespräch. Wer eine echte Spezialität des Hochtals testen möchte, bestellt mit dem „Brodakrapfen“ den deftigen Bruder des gewöhnlichen Krapfens und beißt in herzhaften Käse statt in Marmelade.
Weitere Leckereien, die das Tiroler Tal so unverwechselbar machen, können Urlauber auf fünf verschiedenen, geführten Genusswanderungen kosten, die im Herbst durch die Bergwelt führen. Unter anderem zu Anna auf der Achentalalm, die den hungrigen Gästen die unbestritten besten Schmalznudeln serviert, eine Spezialität aus Hefeteig. Von Oberau führt der Weg über den Borstadl, wo sich ein gigantischer Panoramablick über die Kitzbüheler Alpen offenbart, hinüber zu Anna und ihren berühmten Schmalznudeln. Die können dann etwa eine Stunde später auf dem fast 1200 Meter höher gelegenen Zwecklhof verdaut werden. Hier schenkt Siegfried Kistl seine prämierten Edelbrände aus, die er in einer urigen Hütte aus dem 17. Jahrhundert brennt.
Ebenfalls in Hochprozentigem wird ein echter Superstar der Wildschönau verwandelt, nämlich die weiße Stoppelrübe. „Krautinger“ heißt das Produkt, für das der Begriff Schnaps eher eine Beleidigung ist. Der Krautinger, so heißt es, habe nämlich heilende Kräfte. Dank Kaiserin Maria Theresia, die einst den armen Wildschönauer Bauern exklusiv das Recht verlieh, aus der Rübe Hochprozentiges herzustellen, gibt es den Krautinger nur im Tiroler Hochtal, wo es heute noch genau 16 Bauern sind, die das Brennrecht ausüben.
Einer davon ist Josef Thaler vom Steinerhof, der pro Jahr rund 40 Tonnen Stoppelrüben erntet, die er zu dem leicht nach Sauerkraut riechenden Schnaps vergären lässt. Wer kosten möchte, schließt sich der Genusstour an, die ganz im Zeichen von Kraut und Rüben steht. Zunächst führt die Wanderung jedoch über den Franziskusweg, den neun Skulpturen säumen, die dem Schöpfungsgebet des heiligen Franz von Assisi huldigen. Nach dem Besuch des Handwerkermarkts im Bergbauernmuseum z’Bach, bei dem rund 20 Wildschönauer alte Traditionen aufleben lassen, wandert man zum 480 Jahre alten Steinerhof, wo Josef Thaler alles rund um den Krautinger verrät. Übrigens: Vom 2. bis 8. Oktober feiert das ganze Tal seine Superrübe mit einer Krautingerwoche, bei der sich kulinarisch alles rund um das gesunde Gemüse dreht.
Positive Effekte für Körper, Geist und Seele werden auch den Kräutern zugeschrieben, die im Garten von Christine Thaler wachsen. Ihr Holzalmhof in 1100 Meter Höhe ist Ziel einer eigenen Genuss-Wanderung, die neben landschaftlichen Ausblicken auch tiefe Einblicke in die Heilkraft der Kräuter bietet. Wenn die Wandergruppen kommen, ist auch Apotheker Paul Vergörer zugegen, der den Gästen erklärt, welche Pflanze bei welchen Beschwerden hilft.
Kein Kraut gewachsen ist wohl gegen die Sehnsucht, die die meisten Senner packt, wenn sie im Spätherbst ihre Almen verlassen müssen. Wer den Käse-König Johann Schönauer und den Senner Robin Silberberger vorher in ihrem Element erleben möchte, hat hierzu den ganzen Herbst über auf einer weiteren Genuss-Wanderung Gelegenheit. Zunächst geht’s zu Robin, der mit seiner Frau Kristel die Farnkaseralm auf 1520 Meter bewirtschaftet. Nach einer deftigen Brotzeit wartet ein Fußmarsch über reizvolle Bergpfade zur Schönangeralm, wo der Käse-König zur Audienz lädt. Johann Schönauer kümmert sich hier um 260 Kühe, die täglich 2000 Liter Milch geben, die er dann zu preisgekröntem Käse reifen lässt, den seine Gäste natürlich kosten dürfen.
Bei den fünf Genusstouren handelt es sich um einfache Touren, die drei bis fünf Stunden dauern. Mit Wildschönauer Wanderpass oder WildschönauCard ist die Teilnahme kostenlos.