Eine Reise durch 40 Jahre Genuss-Geschichte Die große Samstags-Dokumentation: „Griff nach den Sternen – Die neuen deutschen Kochstars“ am Samstag, 19.03., 22:00 Uhr auf VOX
Sterneregen über Deutschland: Nie zuvor konnte man hierzulande so gut schlemmen wie 2011. Nie zuvor hat der „Guide Michelin“, das Zentralorgan der internationalen Gourmet-Gemeinde, zwischen Flensburg und Freiburg so viele Sterne verteilt wie in seiner aktuellen Ausgabe: 237 besternte Restaurants gehören in diesem Jahr zur kulinarischen Bundesliga. Mit neun 3-Sterne-Restaurants lässt Deutschland sogar Italien hinter sich. „Die besten Köche in Deutschland“, sagt Jean-Luc Naret, der Direktor des „Guide Michelin“, „kochen heute so, wie die Deutschen ihre Autos bauen: auf absolut perfektem Niveau.“
Die Sterneschwemme für heimische Köche ist der vorläufiger Höhepunkt einer Entwicklung, die vor 40 Jahren in München ihren Anfang nahm. Ende 1971 eröffnete in Schwabing ein futuristisch designtes Restaurant namens „Tantris“. In dessen Küche stand ein bis dahin eher unbekannter Österreicher am Herd: Eckart Witzigmann. Der servierte seinen Gästen „Wolfsbarsch mit Fenchel“ oder „Kalbsbries Rumohr“ – eine Revolution auf deutschen Tellern. Doch die Deutschen wollten keine Revolution. Sie wollten Pfeffersteak.
„Man musste die Gäste regelrecht erziehen“, sagt Witzigmann. Es dauerte etliche Jahre, ihnen beizubringen, dass es eine Küche jenseits von Schweinshaxe und Rindsroulade gibt. Jahre, in denen Witzigmann mehr als einmal das Handtuch werfen wollte. Dass er es nicht tat, ist vor allem Fritz Eichbauer zu verdanken, Münchener Bauunternehmer, Gourmet und Besitzer des „Tantris“. Eichbauer wusste von zahlreichen Reisen nach Frankreich, wie gute Küche schmecken kann. So wollte er auch zuhause in Bayern speisen. Von einem Kirchenarchitekten ließ er das „Tantris“ entwerfen, und auf den Rat eines elsässischen Drei-Sterne-Kochs engagierte er Eckart Witzigmann.
Die ersten Jahre: eine Durststrecke. „Von dem Geld, was ich ins ‚Tantris‘ gesteckt habe“, sagt Eichbauer, „hätte ich mir auch ein Schloss kaufen können. Aber wo hätte ich dann essen sollen?“ Eichbauer hielt durch – und überzeugte Witzigmann, zu bleiben, zumindest bis 1978. Der Lohn: 1973 ein Stern im „Michelin“, ein Jahr später der zweite. Den dritten Stern erkochte sich Witzigmann einige Jahre später in seinem eigenen Restaurant, der „Aubergine“. Damit war er der erste Drei-Sterne-Koch in Deutschland.
„Es gibt in deutschen Küchen eine Zeit vor Witzigmann und eine Zeit nach Witzigmann“, resümiert Madeleine Jakits, Chefredakteurin des „Feinschmeckers“. „So wie andere das absolute Gehör haben“, ergänzt Master-Sommelier und TV-Moderator Hendrik Thoma, „hat Witzigmann den absoluten Geschmackssinn.“ Und Christian Jürgens, heute einer von Deutschlands zehn besten Köchen, sagt: „Ohne ihn gäbe es das deutsche Küchenwunder nicht. Er hat für uns alle den Weg bereitet.“
Die Philosophie von Eckart Witzigmann lautete zeitlebens: nur erstklassige Produkte verwenden. Doch diese zu besorgen war gar nicht so einfach in Deutschland Anfang der siebziger Jahre. Das Land: eine kulinarische Diaspora. Creme Fraiche und Basilikum, Maispoularden und Jacobsmuscheln waren hier nicht zu kriegen. Unter teilweise abenteuerlichen Umständen ließen Witzigmann und eine Handvoll gleichgesinnter Kollegen die Ware aus Frankreich nach Deutschland schmuggeln.
Derlei Probleme sind für die Garde der jungen Sterneköche heutzutage Geschichte. Dank diverser Gourmet-Logistik-Unternehmen sind spätestens seit Ende der 80er Jahre Lebensmittel aus jedem Winkel der Welt jederzeit verfügbar. Mit der kulinarischen Revolution wandelte sich auch der Ruf des Kochs hierzulande: Galt der Kochberuf noch in den Siebzigern als ein Job für Leute, die nichts Besseres konnten, umweht den Beruf heute eine Aura von Glamour und Kreativität. Manche Köche wurden zu Superstars, ihre Kochbücher zu Bestsellern. Kochkurse bekannter Herdkünstler sind Pilgerziele für ambitionierte Hobbyköche, über Monate im voraus ausgebucht.
SPIEGEL-TV-Autor Ralph Quinke beschreibt in seiner vierstündigen Dokumentation, wie sich Deutschland in den letzten 40 Jahren von einer kulinarischen Einöde zu einem Schlaraffenland für Feinschmecker gewandelt hat. Er schaute 1-, 2- und 3-Sterne-Köchen wie Alexander Herrmann, Hans Haas und Nils Henkel in die Töpfe. Er beobachtete, wie viel täglichen Stress es bedeutet, auf Sterne-Niveau zu kochen. Und ein SPIEGEL-TV-Team durfte zum ersten Mal dabei sein, als ein junger Koch erfuhr, dass er mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wird.
SPIEGEL-TV ist zuhause bei prominenten Fernsehköchen, dokumentiert, wie viel Aufwand es bedeutet, ein Kochbuch herzustellen, und wie viel Fingerspitzengefühl, einen Kochkurs unterhaltsam zu gestalten. Die Reise durch 40 Jahre Genuss-Geschichte wird kompetent kommentiert von Fernsehköchen wie Christian Rach, Johann Lafer und Alfons Schuhbeck, von Sterneköchen wie Christian Jürgens, Christian Lohse und Kolja Kleeberg. Experten wie Madeleine Jakits, Chefredakteurin des „Feinschmecker“, und Bernd Matthies, Restaurantkritiker für „Tagesspiegel“ analysieren die Entwicklung aus der Sicht des Gastes.