Michael Hoffmann kocht sich im neuen Gault Millau in die Berliner
Küchenspitze – Fulminanter Neustart für Tim Raue – Höhere Noten
für die Restaurants Frühsammer, Die Quadriga, Ana e
Bruno, und Horváth – Gunnar Tietz ist „Sommelier des Jahres“
„Unerschöpfliche Phantasie“ preist die französische Gourmet-Bibel
Gault Millau in ihrer jetzt erscheinenden Deutschlandausgabe 2011 bei dem
„sensiblen Künstler und nachdenklichen Intellektuellen“ Michael Hoffmann vom
„Margaux“ in Mitte. „Seine Gemüse-Kreationen sind längst Legende. Im eigenen
Garten erntet er die Früchte der Region und interpretiert Traditionelles überraschend
neu, z.B. die ‚Berliner Löffelerbsen’, die als gelbe Erbsencrème auf
Krabbenbrot-Chips gestrichen und mit Melisse aromatisiert werden. Unvergesslich
auch die im Kalbsfond gelierte Makrele mit Petersilienpüree und Rote Bete-
Crème, gegrilltem Salat und vielen marinierten Kräutern.“ Weil er „seine kühl
kalkulierte Kopfküche in einen farbgewaltigen Rausch der Sinne umsetzen kann,
der den Gast mitreißt und zu ganz neuen Genusserfahrungen führt“, bekommt
Hoffmann vom Gault Millau, der nach dem französischen Schulnotensystem
urteilt, erstmals 18 von 20 möglichen Punkten, die für „höchste Kreativität und
bestmögliche Zubereitung” stehen. Eine höhere Note haben in Deutschland nur
12 Köche.
Tim Raue, „der mit der semiprofessionellen Betreiber-Holding im Palais
Adlon nicht klar kam und mutig den Hechtsprung ins eiskalte Wasser der Selbständigkeit
wählte“, bewahrte in der „lichtdurchfluteten, intelligent durchgestylten
edlen Schlichtheit“ seines neuen Restaurants am Checkpoint Charlie
seinen Küchenstil, der „von japanischer Produktperfektion, thailändischer Aromatik
und chinesischer Küchenphilosophie (nur kochen, was Energie und Lebensfreude
spendet) inspiriert ist. Vor allem im traumwandlerisch sicheren Ausbalancieren
süßer, saurer und scharfer Aromen macht dem Berliner kein anderer
deutscher Koch irgendetwas vor. Raues Interpretation der Peking-Ente ist eines
der spannendsten Gerichte, die momentan in Deutschland zu haben sind: Brust
und Keulen mariniert und gart er mehrere Tage, für Sauce und Sud verarbeitet er
Füße, Herz und Magen, dazu reicht er Terrine und Mousse von der Leber und
natürlich die knusprige Haut.“ Für solche Gerichte bekam er wieder 18 Punkte
und die Aufmunterung: „Der Ausnahmekoch Tim Raue ist für höhere Weihen
prädestiniert.“
Auf 17 Punkte steigerten sich Bruno Pellegrini und Andrea Girau
vom „Ana e Bruno“ in Charlottenburg, weil sie „mit Sorgfalt die besten Produkte
auswählen, eine zeitgemäße, aber nicht überdrehte norditalienische Küche mit
bestechend neuen Aromen bieten, z.B. beim Lammrücken, der in gehackten
Mandeln und Nüssen gerollt ist, auf Auberginencrème liegt und von Minzpaprika
sowie gegrillten Auberginenscheiben begleitet wird, die einen Hauch von Barbecue-
Duft verbreiten. Drumherum fließt eine tiefdunkle Amaronesauce zum Tellerablecken…“
16 Punkte erkochten sich erstmals Sonja Frühsammer in „Frühsammers
Restaurant“ im Grunewald, die „sich weitgehend von Avantgarde-Experimenten
verabschiedete und den Mut hat, alles Überflüssige wegzulassen“, sowie der
Finne Sauli Kemppainen in der „Quadriga“ in Charlottenburg, der „mit gepökeltem,
geräuchertem und gekochtem Rentierfleisch begeistert, schwerelos
begleitet von einer rauchigen Rentiermousse, einem Pastinakenpudding sowie
Baiser und Gelee von Tannensprossen“.
Diese Note erreichte auf Anhieb auch der neue Küchenchef im „Horvàth“
in Kreuzberg, Sebastian Frank, durch „überraschende Aromenkombinationen
wie Taube mit Kirschen, die ganz dezent mit Espresso und Waldmeister mariniert
sind“.
Platz 1 der kulinarischen Hitparade des Gault Millau in Berlin verteidigte
Christian Lohse vom „Fischers Fritz“ in Mitte. Er konzentriert sich darauf,
„bestmögliche Zutaten ohne Verfremdung und aufgesetzte Effekte für sich
wirken zu lassen, knappe und auf das Wesentliche beschränkte Aromenakkorde
anzuschlagen. Aufgesetzte Kontraste sind nicht sein Thema.“ Die Tester mahnen
aber auch: „Lohse scheint uns gegenwärtig zu wenig für die Weiterentwicklung
seiner Küche zu tun, beschränkt sich auf Variationen und bietet häufigeren
Gästen zu wenig Abwechslung. Für eine frühe Abwanderung ins Bocuse-Fach der
luxuriösen Museumsküche ist er ganz sicher zu jung und zu wenig berühmt.“
Ihre 17 Punkte aus dem Vorjahr rechtfertigten durch kreative Gerichte
– Thomas Kammeier vom „Hugos“ in Tiergarten („Lammrücken mit mutigem Fettrand,
Pfeffer-karotten, gelbes Paprikapüree und den Düften der indischen Gewürzmischung
Daj Oftadeh“),
– Michael Kempf vom „Facil“ im Tiergarten-Hotel „The Mandala“ („die modischen
Fisch/Fleisch-Kombinationen führen hier nie in einen Aromenkrieg, weil
die geschmacklichen Hierarchien gewahrt bleiben“),
– Kolja Kleeberg vom „Vau“, bei dem „pure Gaumenlust garantiert ist, wenn ein
mit Kalbsbries und Spanferkelbäckchen gefüllter Schweinsfuß in Begleitung von
Röstgemüse, Zwiebelcrème und Feldsalat auftritt“),
– Marco Müller von der „Rutz-Wein-Bar“ in Mitte („Fast alles stiftet auf der Zunge
Vergnügen, aber manchmal sehen die Teller aus, als habe absolut jeder in der
Küche noch eine Kleinigkeit beisteuern wollen“).
17 Punkte schaffte auch der im April 2010 aus Schleswig-Holstein gekommene
„Filigrangestalter“ Matthias Diether vom „First Floor“ in Charlottenburg,
„der seine Tellergemälde gern mit kleinstem Schnitzwerk versieht und
angenehm leichte, handwerklich ausgereifte Gerichte bereitet“.
Eins auf die Kochmütze bekommen ein Veteran und ein Newcomer.
Karl Wannemacher, der seit 18 Jahren am Herd vom „Alt-Luxemburg“ in Charlottenburg
„angenehm zeitlose Gerichte zubereitet“, wurde von 17 auf 16 Punkte
herabgestuft, „weil kreativere, auch technisch brillantere Köche Maßstäbe setzen,
an denen wir auch eine Küchen-Ikone wie Wannemacher messen müssen,
und weil uns die gewohnte Perfektion nicht bei jedem Besuch vergönnt war“. Im
„Lorenz Adlon“ konnte Hendrik Otto die 17 Punkte seines Vorgängers Thomas
Neeser noch nicht erreichen: „Er bietet eine extrem verspielte Stilistik, handwerklich
makellos, aber völlig überladen. Zum perfekt gegarten Seeteufel gab es
grünes Broccolipüree, braune Butter und weiße Tupfen von püriertem Blumenkohl,
Pfifferlinge, eingemachten Pulpo, Perlzwiebel, Chili, Orangen/Limetten-
Jus…“
Die Tester beschrieben und bewerteten dieses Jahr insgesamt 48 Restaurants
in Berlin. 41 Küchenchefs zeichneten sie mit einer oder mehreren
Kochmützen aus, wofür die Könner am Herd mindestens 13 von 20 möglichen
Punkten erreichen mussten, was einem Michelin-Stern nahe kommt. Das schafften
auch die neu eröffneten Restaurants „Il Punto“ in Mitte (14 Punkte) und
„Cosmo“ am Spittelmarkt (13 Punkte) sowie die erstmals bewerteten Lokale
„Cantina Tausend“ in Mitte und „De Maufel“ in Charlottenburg mit jeweils 14
Punkten sowie das „Brechts“ in Mitte, das „Cookies Cream“ in Mitte sowie „Filetstück“
in Prenzlauer Berg mit 13 Punkten.
Im Vergleich zur Vorjahrsausgabe servierte der wegen seiner strengen
Urteile und deren zuweilen sarkastischer Begründung von den Köchen gefürchtete,
von den Gourmets mit Spannung erwartete Gault Millau in Berlin 8 langweilig
gewordene Restaurants ab und nahm 9 inspirierte Küchen neu auf; 6 wurden höher und 4 niedriger bewertet.
Dass in Berlin nicht nur vortrefflich gekocht, sondern auch gastfreundlich
bewirtet wird, demonstriert die Ehrung von Gunnar Tietz aus dem „First
Floor“ im „Hotel Palace“ als „Sommelier des Jahres“: „Er versäumt keinen wichtigen
Trend, vertritt alle relevanten Regionen, pflegt originelle Nischen und
macht mit Winzer-Hilfe selbst Weine. Sein Herz schlägt für die Südpfalz, deutsche
Rote und Südafrikas Weiße.“
Als zusätzliches Schmankerl testete der im Münchner Christian Verlag
erscheinende Reiseführer für Genießer (888 Seiten, 29.95 €) das Ende September
2010 eröffnete „Restaurant Dieter Müller“ auf dem Kreuzfahrtschiff „MS
Europa“ sowie alle 8, nicht jedem Passagier zugänglichen Restaurants der
„Queen Mary 2“. Ferner beschreibt und klassifiziert der Guide 365 Hotels.
Für unterwegs gibt es den Gault Millau auch als App fürs iPhone (7.99 €).
Die App enthält den gesamten Inhalt der Buchausgabe und bietet Zusatzfunktionen
zur Suche, Anfahrt und direkten Anwahl interessanter Restaurants.
GM KOCH DES JAHRES 2011:https://gourmet-report.de/artikel/336760/GM-Koch-des-Jahres-2011-Mario-Lohninger.html
GAULT MILLAU BADEN-WüRTTEMBERG 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336763/Gault-Millau-Baden-Wuerttemberg-2011.html
GAULT MILLAU BAYERN 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336764/Gault-Millau-Bayern-2011.html
GAULT MILLAU 2011 IN BRANDENBURG: https://gourmet-report.de/artikel/336765/Gault-Millau-2011-in-Brandenburg.html
GAULT MILLAU 2011 IN BREMEN: https://gourmet-report.de/artikel/336766/Gault-Millau-2011-in-Bremen.html
GAULT MILLAU HAMBURG 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336767/Gault-Millau-Hamburg-2011.html
GAULT MILLAU HESSEN 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336768/Gault-Millau-Hessen-2011.html
GAULT MILLAU MECKLENBURG-VORPOMMERN 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336769/Gault-Millau-Mecklenburg-Vorpommern-2011.html
GAULT MILLAU NIEDERSACHSEN 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336770/Gault-Millau-Niedersachsen-2011.html
GAULT MILLAU NRW 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336771/Gault-Millau-NRW-2011.html
GAULT MILLAU RHEINLAND-PFALZ 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336772/Gault-Millau-Rheinland-Pfalz-2011.html
GAULT MILLAU SCHLESWIG-HOLSTEIN 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336776/Gault-Millau-Schleswig-Holstein-2011.html
GAULT MILLAU SAARLAND 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336773/Gault-Millau-Saarland-2011.html
GAULT MILLAU SACHSEN 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336774/Gault-Millau-Sachsen-2011.html
GAULT MILLAU 2011 IN SACHSEN-ANHALT: https://gourmet-report.de/artikel/336775/Gault-Millau-2011-in-Sachsen-Anhalt.html
GAULT MILLAU THüRINGEN 2011:
https://gourmet-report.de/artikel/336777/Gault-Millau-Thueringen-2011.html
GAULT MILLAU Deutschland
Bestellmöchlichkeit: 978-3-86244-002-3