foodwatch stellt Strafanzeige wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung gegen Lidl und baden-württembergisches Verbraucherministerium – Todesfall nach unzureichender Information über Gesundheitsgefahr
Wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und der Körperverletzung mit Todesfolge hat die Verbraucherrechtsorganisation foodwatch Strafanzeige gegen Lidl, die Firma Prolactal und das baden-württembergische Verbraucherministerium gestellt. Grund dafür ist die Informationspolitik der Verantwortlichen im Falle des listerien-belasteten Harzer Käses. Dessen Verzehr führte in Deutschland nach Angaben des Robert-Koch-Instituts zum Tod dreier Menschen. Eine foodwatch-Recherche zu den Todesfällen belegt, dass eine Person in Hessen noch Ende Januar den bei Lidl vertriebenen Käse verzehrte – und zwar nachdem der Discounter die Öffentlichkeit nur völlig unzureichend auf die Listerienbelastung hingewiesen hatte. Die Person wurde am 11. Februar in ein Krankenhaus eingeliefert und verstarb später. Die zuständige Behörde, das baden-württembergische Verbraucherministerium, hat nach Informationen von foodwatch zu keinem Zeitpunkt mit eigenen Informationen vor der akuten Gesundheitsgefahr durch die belasteten Käseprodukte gewarnt.
„Die Frage steht im Raum, ob dieser Todesfall mit einer frühzeitigen und unmissverständlichen Verzehrswarnung hätte verhindert werden können“, erklärte Matthias Wolfschmidt, stellvertretender Geschäftsführer von foodwatch. „Zumindest eines ist klar: Viele Menschen hatten den listerienbelasteten Käse in ihrem Kühlschrank liegen – dennoch haben Lidl und die Behörden nicht alles getan, um vor diesem hoch gefährlichen Produkt zu warnen. Das war nicht nur ein dramatisches Versagen in der Informationspolitik, sondern schlicht unverantwortlich.“
Bereits Mitte Januar 2010 war Behörden in Österreich bekannt, dass der Verzehr von Käseprodukten des Herstellers Prolactal zu Listeriose-Erkrankungen mit Todesfolge geführt hatte. Am 22. Januar gaben sie diese Information an andere EU-Länder weiter. In Deutschland wurden die betroffenen Prolactal-Produkte nur von Lidl unter der Eigenmarke Reinhardshof vertrieben. Am Samstag, den 23. Januar, nahm der Handelskonzern die Produkte aus dem Regal, veröffentlichte jedoch lediglich eine weiche Empfehlung, die Produkte „aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes“ nicht zu verzehren. Eine eindringliche Verzehrswarnung unterblieb zu diesem Zeitpunkt – sie folgte erst am 16. Februar, als auch über Todesfälle in Deutschland berichtet wurde.
Die foodwatch-Recherche über den Todesfall aus Hessen deckt die zeitlichen Abläufe auf. Nach Angaben hessischer Behörden gegenüber foodwatch-Rechercheuren hatte das Opfer demnach das belastete Käseprodukt erst in Kalenderwoche 4 (Ende Januar) verzehrt – und damit definitiv nach dem Tag der ersten Lidl-Veröffentlichung am 23. Januar. Diese Meldung war nach Auffassung von foodwatch so formuliert, dass das tatsächliche Ausmaß der Gefahr durch den belasteten Käse nicht deutlich wurde. Am 11. Februar wurde die an Listeriose erkrankte Person in Hessen in eine Klinik eingewiesen und verstarb später – das genaue Todesdatum geben die Behörden aus Datenschutzgründen nicht bekannt.
Im Zuge der Reform des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) fordert foodwatch, eine umfassende, aktive Informationspflicht der Behörden bei Gesundheitsgefahren einzuführen. Matthias Wolfschmidt: „Es ist inakzeptabel, dass der Staat die Information der Öffentlichkeit an Discounter delegiert. Die Behörden haben die Pflicht, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um das Grundrecht der Bürger auf körperliche Unversehrtheit zu schützen. Gesundheitsrelevante Hinweise müssen unverzüglich und über alle verfügbaren Kanäle an die Bevölkerung weitergegeben werden, und zwar mit Nennung von Produktnamen und Verkaufsstellen.“ In Österreich wurden die Gesetze als Konsequenz aus den Listeriose-Fällen entsprechend geändert.