Weinanalytik ergänzt Weinsensorik

14 analytisch bestimmte Merlotweine werden von 60 Weinkontrolleuren in einer Blindverkostung sensorisch überprüft

Können geschmackliche Aussagen zum Wein glaubwürdig sein?
Geschmacksforscher am ttz Bremerhaven haben überprüft, ob das, was Experten und Konsumenten schmecken und riechen, tatsächlich analytisch als Inhaltsstoff im Wein nachweisbar ist. Das Ergebnis ist eindeutig. Mit Hilfe eines am ttz Bremerhaven erarbeiteten Analyseverfahrens können Geschmacks- und Geruchswahrnehmungen messbar gemacht, und auf Inhaltsstoffe zurückgeführt werden. 60 Weinkontrolleure stellen sich in der Seestadt bei einer Verkostung dem neuen Verfahren, das Sensorik und Analytik verbindet.

Vom 3. bis 6. Mai 2010 lädt die Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales des Landes Bremen 60 Weinsachverständige aus Deutschlands, Österreich, Frankreich und der Schweiz zu einem attraktiven Fortbildungsprogramm ein. Am 5. Mai war das ttz Bremerhaven Gastgeber und Akteur zugleich, indem es in seinen Räumlichkeiten zu Fachvorträgen und zur Verkostung von 14 Merlots aus der ganzen Welt bat.

Weinkontrolleure sind ausgebildete Weinbauingenieure oder Önologen. Sie arbeiten als Weinsachverständige und unterstützen die in den Bundesländern für die amtliche Lebensmittelüberwachung zuständigen Behörden. Von Amts wegen beurteilen sie lediglich die Verkehrsfähigkeit eines Produktes. An diesem Nachmittag steht allerdings die geschmackliche und geruchliche Unterscheidung des aus der Rebsorte Merlot gewonnenen Weines im Mittelpunkt. Denn mit der Verkostung findet eine besondere Sinnesprüfung statt: Die Weine sind zuvor in den ttz-Laboren auf ihre Aromen-Zusammensetzung analysiert worden. Ein „chemischer Fingerabdruck“ konnte so erstellt werden. Dies klingt einfacher als es tatsächlich ist. Denn ein Wein kann aus bis zu 800 verschiedenen organischen Komponenten bestehen, von denen wiederum ca. 100 den Geschmack und Geruch prägen. Diese analytischen Daten werden mit den sensorischen Eindrücken verglichen, um Unterschiede zwischen maschineller und menschlicher „Wahrnehmung“ deutlich zu machen, und eine Hilfestellung bei der Bewertung von Weinen bieten.

Denn auch Expertenmeinungen sind nicht immer zuverlässig und mitunter in wissenschaftlicher Hinsicht unbefriedigend. „Wir haben daher nach einem Verfahren gesucht, mit dem Expertenurteile chemisch-analytisch gestützt und somit objektiviert werden können. Es ist nur menschlich, sich im Urteil auch einmal zu irren. Gravierende Irrtümer können wir mit der Analytik ausschließen“, erklärt Werner Mlodzianowski, Geschäftsführer des ttz Bremerhaven.

Obwohl die bisherigen Methoden der bewertenden Sensorik auf Grund ihrer zweifelhaften Objektivität immer wieder in der Kritik stehen, stellen sie den derzeitigen Stand der Technik dar. Doch der Geschmack eines Lebensmittels sollte zum einen sensorisch – zum anderen aber auch analytisch bestimmt werden, um wissenschaftliche Urteile Fällen zu können. Im vom ttz Bremerhaven koordinierten Projekt EXPERSENS wurde ein entsprechendes Verfahren entwickelt sowie eine Geschmacksdatenbank eingerichtet.

In dem aktuellen ttz-Projekt KosaDat erfährt die deskriptive Analytik in den kommenden Jahren ein Weiterentwicklung: Künstliche Intelligenz ermöglicht hier die Synthese von sensorischer Erfahrung und chemischer Analyse, indem Geschmack, Inhaltsstoffe systematisch miteinander vernetzt werden. Lebensmittel können damit in allen Produktionsschritten sensorisch kontrolliert werden.

Die kritische Weinverkostung wird von zwei Projektvorstellungen des ttz Bremerhaven begleitet, die sich ebenfalls mit dem Thema Wein beschäftigen. Der Lebensmitteltechnologe Kolja Knof erläutert, wie in Zukunft Schwefeldioxid in Wein und anderen Lebensmitteln reduziert und ersetzt werden können, um sensorisch störende und gesundheitlich bedenkliche Einflüsse zu minimieren. Dr. Anne Berghoff aus der Umwelt-Abteilung des Forschungsdienstleisters präsentiert einen Lösungsansatz zur nachhaltigen Weinproduktion dank intelligentem Abwasser- und Reststoffmanagement.

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