„44 Dinge, die Ihnen Kellner verschweigen“ – Magazin Reader’s Digest sprach mit Kellnerinnen und Kellnern in Deutschland über Sitten und Unsitten im Umgang mit Gästen
Gäste, die im Restaurant das Glas Mineralwasser mit einer Scheibe Zitrone bestellen, werden sich das künftig womöglich gut überlegen. Das Magazin Reader’s Digest wirft in seiner Mai-Ausgabe einen Blick in den Arbeitsalltag von Kellnerinnen und Kellnern. Die zentrale Botschaft: Wer als Gast in einem Restaurant oder in der Kneipe gut bedient werden will, sollte ein paar einfache Regeln beachten.
Zugleich sollte der Gast aber wissen, dass manche Kellner nicht immer die Wahrheit sagen und dass hinter den Kulissen häufiger getrickst wird als man ahnt. Im Fall der Zitrone ist das Problem allerdings ein rein hygienisches: „Die Scheiben werden von Hand geschnitten und per Hand ins Glas gegeben – oder noch schlimmer: mit den Fingern an den Rand gehängt. Die ganzen Bakterien will ich nicht in meinem Mineralwasser“, gibt der Kellner eines Berliner Cafés zu bedenken.
Unter dem Motto „44 Dinge, die Ihnen Kellner verschweigen“ hat Reader’s Digest bundesweit mit ausgebildeten Restaurantfachkräften und angelernten Kräften gesprochen, darunter Angestellte von Nobelhotels ebenso wie Studenten, die als Aushilfen kellnern. Die Ergebnisse sind ernüchternd, wegen befürchteter Sanktionen durch seinen Arbeitgeber wollte keiner der Befragten seinen kompletten Namen nennen. So räumt eine Kellnerin in Berlin offen ein, dass dem Wunsch des Gastes nach einer kleineren Essensportion eigentlich in jedem Restaurant problemlos entsprochen werden kann. „Einer Servicekraft, die sagt: ,Halbe Portion? Tut mir leid, das geht nicht’ sollten Sie keinen Glauben schenken. Das ist pure Faulheit.“
Auch im Fall der Weinbestellung erfährt der Gast wohl nicht immer die Wahrheit. „Viele Kellner sind Hochstapler und kennen sich mit Wein gar nicht aus. Sie haben keine Ahnung, ob der Wein trocken oder halbtrocken ist, tun aber so, als ob“, gibt eine andere Kellnerin zu.
Andererseits können Gäste durchaus auch selbst mit etwas Aufmerksamkeit schnell erfassen, ob es sich um eine gute oder schlechte Kneipe handelt. „Ob ein Restaurant gut geführt wird, erkennen Sie an den Toiletten. Mit der Qualität der Toiletten steht und fällt die Qualität des Hauses“, sagt die Kellnerin eines Nobelhotels in Bonn Reader’s Digest.
Vorsicht ist geboten, wenn es um die Auswahl der Speisen geht. „Frische Ware wird zum Wochenende gekauft, weil dann in der Gastronomie die meisten Gäste erwartet werden. Wenn am Montag überbackenes Gemüse auf der Karte steht, sind das mit Sicherheit die Reste, schön schmackhaft und mit Käse überbacken“, gibt ein Chefkellner aus Berlin zu bedenken. Auch bei den so genannten Tagesessen handelt es sich oftmals um eine Restverwertung. „Besonders kritisch sind in dieser Hinsicht Suppen. Oft schwimmt etwas drin, was der Koch schnell noch loswerden will, bevor er es wegwerfen muss“, sagt eine langjährige Kellnerin.
Was Kellnerinnen und Kellner besonders ärgert, sind unhöfliche Gäste. „Mit den Fingern schnippen oder in die Hände klatschen, um den Service herbeizurufen – das geht gar nicht!“, betont eine Servicekraft. Auch die Erwartungshaltung, an jedem Wochentag sofort und stets gleich schnell bedient zu werden, ist utopisch. „Kommen Sie nie an einem Feiertag, wenn Sie erwarten, dass Ihr Essen so schnell auf dem Tisch steht wie in einem Fast-Food-Restaurant“, so eine Kellnerin in Berlin.
Gäste, die ohne Begrüßung ins Restaurant kommen, sich unaufgefordert an einen Tisch setzen und anschließend schlechte Laune verbreiten, werden in Insiderkreisen als „hypochondrische Patienten“ bezeichnet. „Und so behandeln wir sie auch: Wir nehmen sie nicht wirklich ernst“, meint eine Bedienung.
Besonders heikel ist die Höhe des Trinkgeldes. Zwar gibt es in Deutschland die Faustregel, dass man fünf bis zehn Prozent des Rechnungsbetrages als Trinkgeld gibt, aber viele Gäste halten sich offenbar nicht daran. „Trinkgeld ist eine Frage der Wertschätzung. Wenn ein Gast nur 20 Cent Trinkgeld gibt, gebe ich das Geld mit den Worten zurück, dass mein Chef mir genug Gehalt bezahlt. Ich bin ja schließlich kein Bettler“, sagt ein Chefkellner.
In manchen Fällen rächt sich das Bedienungspersonal auf ganz eigene Art an nerviger Kundschaft. „Gäste, die uns unangenehm sind, setzen wir kurzerhand an einen Tisch in der Nähe der Toiletten“, räumt ein erfahrener Kellner ein. Sollten Gäste als Dauernörgler auftreten, kann ihnen auch eine andere Strafe blühen. „Einen Gast haben wir mal bloßgestellt, indem wir laut behaupteten, seine Kreditkarte würde nicht angenommen. Alle im Raum haben das gehört“, erinnert sich eine Kellnerin in einer Berliner Gaststätte.
Aber es gibt durchaus auch gute Gäste, wie die Befragung in der Gastronomiebranche ergab. „Ein guter Gast fragt den Kellner nach seinen Empfehlungen und verlässt sich auf seinen Rat. Dafür wird sein Glas Wein nachgeschenkt und nicht berechnet, oder er bekommt zur Rechnung einen Espresso serviert“, so ein Chefkellner. Ähnlich umschreibt das eine Kellnerin aus dem westfälischen Dorsten: „Gute Gäste sind offen, höflich und im besten Fall humorvoll. Genau wie ich dem Gast Respekt erweise, sollte der Gast auch mir mit Respekt begegnen.“
Die Mai-Ausgabe von Reader’s Digest Deutschland ist an zentralen Kiosken erhältlich.