Molekulare Grundlagen der Bittergeschmackswahrnehmung weitgehend aufgeklärt

Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)

Molekulare Grundlagen der Bittergeschmackswahrnehmung weitgehend
aufgeklärt

Nur 25 verschiedene Bittergeschmacksrezeptoren
reichen aus, um zehntausende von Bitterstoffen wahrzunehmen. Wie dies
möglich ist, können nun Wissenschaftler des Deutschen Instituts für
Ernährungsforschung (DIfE) erklären. „Wir wissen jetzt, dass die
Bindungseigenschaften der Bittersensoren sehr unterschiedlich sind und
dass nur die Kombination dieser Eigenschaften es ermöglicht, eine so
überaus breite Palette von Bitterstoffen zu erfassen“, sagt
Wolfgang Meyerhof, Erstautor der Studie.

Ihre umfangreichen Ergebnisse zu den molekularen Grundlagen der
Bittergeschmackswahrnehmung publizierten die DIfE-Forscher kürzlich in
Chemical Senses (DOI: 10.1093/chemse/bjp092; Meyerhof et al., 2009; The
Molecular receptive ranges of Human TAS2R Bitter Taste Receptors).

Bitterstoffe sind strukturell sehr unterschiedlich. Viele dieser
Substanzen finden sich in Pflanzen, andere werden von Tieren produziert
und wieder andere entstehen bei der Verarbeitung von Nahrungsmitteln
oder bei Alterungs- und Zerfallsprozessen. Doch wie ist es möglich, all diese heterogenen Bitterstoffe mit nur 25 verschiedenen Sensortypen
wahrzunehmen?

Dieser Frage ging das Wissenschaftlerteam um die beiden
Geschmacksforscher Wolfgang Meyerhof und Maik Behrens nach. Mit Hilfe
eines Zellkultursystems – einer Art „künstlichen Zunge“ – testeten sie
die Wirkung von 104 natürlichen und synthetischen Bitterstoffen auf die
25 verschiedenen menschlichen Bittergeschmacksrezeptoren. Dabei konnten
sie für fünf der zehn noch als „verwaist“* geltenden Sensoren erstmals
Bindungspartner identifizieren sowie 64 Bitterstoffen, für die noch kein
Rezeptor bekannt war, einen oder mehrere passende Rezeptoren zuordnen. Unter diesen Bitterstoffen befinden sich zahlreiche Substanzen, die uns
das Leben täglich „bitter“ machen, wie zum Beispiel Koffein aus
Kaffee, Limonin aus Zitrusfrüchten, Chinin aus Bitterlemon,
Ethylpyrazin, das bei Röstprozessen entsteht, Sinigrin aus verschiedenen
Kohlsorten, aber auch medizinische Inhaltsstoffe.

Während einige der Rezeptoren nur auf wenige bestimmte Substanzen
reagierten, waren andere Sensortypen in der Lage, eine breite Palette
der unterschiedlichsten Bitterstoffe zu erkennen. So reichten drei der
Rezeptortypen aus, um etwa die Hälfte der 104 getesteten Bitterstoffe zu
detektieren. Generell erkannten die Geschmackssensoren sowohl natürliche als auch synthetische Stoffe. Allerdings reagierten einige der
Rezeptoren bevorzugt auf natürliche Substanzen, während andere eine
deutliche „Vorliebe“ für synthetische Bitterstoffe aufwiesen.
Aber auch die untersuchten Bitterstoffe verhielten sich
unterschiedlich: 63 der getesteten Substanzen aktivierten jeweils nur
ein bis drei der Rezeptortypen. Dagegen stimulierten 19 der Substanzen
bis zu 15 Sensortypen gleichzeitig. Die Schwellenwertkonzentrationen der
einzelnen Stoffe, die überschritten werden müssen, um ein Bittersignal
auszulösen, waren dabei sehr unterschiedlich.

„Die ungleichen Schwellenwerte für die verschiedenen Bittersubstanzen
könnten sich aus unterschiedlichen Gründen entwickelt haben“, sagt
Maik Behrens. „Beispielsweise könnte die Giftigkeit der Substanzen eine
Rolle gespielt haben.“ Strychnin und Brucin sind zwei strukturell eng
verwandte, bittere Pflanzenalkaloide. Sie unterscheiden sich jedoch
hinsichtlich ihrer Giftigkeit. Während die tödliche Dosis für Strychnin
in einem Bereich von 5 bis 10 mg liegt, ist der Wert für die letale
Brucin-Dosis bei 1000 mg anzusiedeln. Dies spiegelt sich auch in den
Schwellenwerten beider Substanzen für den Bitterrezeptor 46 wider.
Strychnin aktiviert den Rezeptor bei einer hundertfach geringeren
Konzentration als Brucin. Interessanterweise entspricht die
Schwellenwertkonzentration, bei der Strychnin wahrgenommen wird, in etwa
der natürlichen Konzentration, in der dieses Gift im Samen der Brechnuss
vorkommt.

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