Nahrungsmittelallergie – Weihnachtszeit: Duftende Verlockungen mit Folgen
Duftende Kekse, Omas Christstollen, Lebkuchen,
köstlicher Glühwein und Punsch können für Nahrungsmittelallergiker
zur bösen Überraschung werden. Denn viele Gaumenfreuden, die den
Advent und die Festtage krönen, enthalten hoch-allergene Zutaten, die
den Weihnachtsfrieden auf einen Schlag zerstören können. Menschen mit
Nahrungsmittelallergien reagieren meist akut und folgenschwer – nicht
selten endet ein besinnlicher Abend in der Notfallambulanz.
Adrenalin, als Erste Hilfe-Medikament der Wahl, sollten Allergiker
deshalb immer bei sich tragen.
Was für die einen die schönste Zeit im Jahr, ist für die 1-2%
erwachsenen und ca. 2-5% kindlichen Nahrungsmittelallergiker eine
Zeit voller – häufig versteckter – Gefahrenquellen. Zutaten und
Gewürze in Keksen, (Kinder)Punsch etc. weisen eine hohe allergene
Potenz auf. „Bereits kleinste Mengen sind ausreichend für eine
schwere allergische Reaktion und können Beschwerden wie starken
Juckreiz, Rötungen und Nesselausschlag am ganzen Körper, Übelkeit und
Erbrechen, Bauchschmerzen und (blutigen) Durchfall auslösen“,
informiert Univ.-Prof. Dr. Zsolt Szépfalusi von der Univ.-Klinik für
Kinder- und Jugendheilkunde in Wien.
„Die Maximalvariante einer allergischen Reaktion ist der
allergische oder anaphylaktische Schock. Dabei können aufgrund des
plötzlichen Blutdruckabfalls innerhalb weniger Minuten lebenswichtige
Organe wie Herz, Lunge und Gehirn nicht mehr ausreichend versorgt
werden und es kommt zum Zusammenbruch des Kreislaufs. Ohne sofortige
Notfallbehandlung kann der Allergieschock sogar tödlich enden. Diese
lebensbedrohliche Extremsituation kündigt sich durch Schwellungen in
Gesicht und Hals, Atem-, Schluck- und Sprechbeschwerden, Herzrasen,
Schwindel und Schwächegefühl und Übelkeit an.“ Bei ersten Anzeichen
heißt es deshalb rasch und richtig handeln: „Notfall-Medikamente
einnehmen bzw. verabreichen und den Notarzt rufen“, so Szépfalusi.
Adrenalin kann Leben retten
Über den neuesten Stand des medizinischen Wissens zur Versorgung
von Patienten in der allergischen Notfallsituation Anaphylaxie bei
Nahrungsmittelallergien diskutierten kürzlich hochrangige Haut- und
Kinderfachärzte mit Spezialgebiet Allergologie. Wesentliches Thema in
dieser Expertenrunde war Adrenalin als Notfallmedikament erster Wahl.
„Allergische Reaktionen können nur durch Weglassen der entsprechenden
Allergieauslöser verhindert werden. Da diese Nahrungsmittelallergene
jedoch nie zu 100% vom Speiseplan gestrichen werden können, braucht
es eine Notfallausrüstung, die immer griffbereit sein sollte“, so
Szépfalusi, der auch an diesem Experten-Meeting teilnahm. Diese
Notfall-Apotheke besteht aus einem Kortisonpräparat, einem
Antihistaminikum sowie einer Adrenalin-Fertigspritze. Die ersten
beiden Medikamente wirken entzündungshemmend und abschwellend und
kommen bei leichteren allergischen Allgemeinreaktionen zum Einsatz.
Szépfalusi: „Adrenalin ist der wichtigste Bestandteil der
Erste-Hilfe-Ausrüstung. Es stabilisiert in Minutenschnelle den
Kreislauf und verhindert schwere Schockreaktionen.“
Damit das Adrenalin im Ausnahmezustand einfach und sicher sowie in
der richtigen Dosierung auch von Kindern selbst verabreicht werden
kann, steht es in Form eines Autoinjektors zur Verfügung. „Der
Adrenalin-Injektor, wird vom Arzt nach einer gesicherten Diagnose und
Indikation auf Kassenrezept verschrieben.“ Für einen reibungslosen
Ablauf soll die Handhabung des Adrenalin-Autoinjektors regelmäßig
geübt werden. Eltern und Erziehende sowie Betreuungspersonen von
Kindern mit Nahrungsmittelallergie sollten ebenfalls sicher in der
Anwendung sein. „Unsicherheit in der Anwendung ist gefährlich, denn
das Warten auf den Notarzt kostet wertvolle Zeit.“
Häufige Auslöser in Keks & Co
„In der Zeit um Weihnachten häufen sich die Fälle allergischer
Reaktionen und Notfallsituationen aufgrund einer
Nahrungsmittelallergie, denn viele typisch weihnachtliche Speisen und
Getränke enthalten hoch-allergene Zutaten“, warnt der Kinderfacharzt.
Im Ranking der häufigsten Allergieauslöser stehen Nüsse, bei Kindern
vor allem Erdnüsse, an erster Stelle. Sie sind Bestandteil vieler
Weihnachtsbäckereien und, was viele nicht bedenken, auch in Marzipan
und Nougat enthalten. Auch nussfreie Schokolade kann Spuren von
Nuss-Eiweiß enthalten. Weitere Allergene sind Kuhmilch, Weizenmehl
und Hühnerei – ebenso in der Rezeptur jeder Weihnachtsbäckerei.
Gewürze wie Zimt und Nelken, Grundzutaten von Glühwein und
Weihnachtspunsch, stehen ebenfalls ganz oben auf der Liste der
Nahrungsmittelallergene. Auch das klassische Festessen am
Weihnachtsabend, Fisch und Meeresfrüchte, kann zum Verhängnis werden.
Aufgrund des steigenden Konsums von orientalischem und asiatischem
Essen treten zunehmend bislang seltene Allergien auf: exotische
Früchte, Sesam, Curry, Soja, Cashewnüsse. „Weitere Gefahrenquellen
sind Fertiggerichte und Backwaren. Aber auch Restaurantbesuche können
für so manchen Allergiker zum Verhängnis werden, wenn er nicht
penibel auf die Zutaten achtet“, warnt Szépfalusi.
Ein weiteres Phänomen in diesem Zusammenhang sind
pollen-assoziierte Nahrungsmittelallergien, sog. Kreuzreaktionen.
Szépfalusi erklärt: „Pollenallergene gleichen in ihrer Struktur
bestimmten Eiweißen in Nahrungsmitteln. Das bedeutet, dass ein
Pollenallergiker beim Erstkontakt mit einem verwandten Molekül in
einem Nahrungsmittel ebenfalls mit allergischen Symptomen reagieren
kann.“ Mittlerweile leiden nahezu 60% der Pollenallergiker an einer
Kreuzallergie (z.B. mit Nüssen). Der regelrechte Boom von
Sojaprodukten in den letzten Jahren ließ beispielsweise die
Sojaallergie aufgrund der Kreuzreaktion mit Birkenpollen stark
ansteigen.
Allergieauslöser kennen und meiden
Erste mögliche Anzeichen einer Allergie müssen unbedingt ernst
genommen und fachkundig abgeklärt werden. „Meist gleicht die Diagnose
detektivischer Kleinarbeit, denn Betroffene wissen meist nicht so
genau, worauf sie tatsächlich reagieren“, so Szépfalusi. Für Kinder,
die deutlich häufiger von Nahrungsmittelallergien betroffen sind als
Erwachsene, gilt: „Je früher Eltern den Grund von allergischen
Beschwerden ihrer Kinder kennen und sich entsprechend danach richten
können, desto höher ist die Chance, ein Fortschreiten der
allergischen Erkrankungen zu verhindern oder zu verzögern. Denn
bereits im Kindesalter wird der Grundstein für eine spätere
sogenannte „Allergiker-Karriere“, das Durchleben mehrerer
allergischer Krankheiten, gelegt.“
Patientenplattform IGAV: www.allergenvermeidung.org