Gault Millau 2010 Hessen

Aprikose mit Milchgrieß-Eis und Olivenöl

Patrick Bittner in Frankfurt kocht sich im neuen Gault Millau 2010 unter die Top 40 der deutschen Köche / Weitere Aufsteiger in Hessen: Benedikt Faust in Bad Hersfeld und Christoph Rainer in Königstein „Patissier des Jahres“: Ronny Bolz in Königstein

Patrick Bittners Küche wurde „durchdachter und sorgfältiger konzipiert, ohne an überraschenden Produkt- und Aromenverbindungen einzubüßen“, lobt die französische Gourmetbibel Gault Millau in ihrer jetzt erscheinenden Deutschlandausgabe 2010. Er bietet im „Gourmetrestaurant Français“ des Hotels „Frankfurter Hof“ in Frankfurt, „wo die Krisensymptome wie anderswo die Hunde draußen bleiben, Austern, Kaviar, Gänseleber, Trüffel und Hummer nicht als puren Luxus, sondern in fantasievollen, mal klassischen, mal modernen Interpretationen. Zum Tellerabschlecken lecker gerät eine üppige Portion Périgord-Trüffel auf püriertem jungen Lauch mit einem zerfließenden Perlhuhneigelb, umhüllt von leicht rauchigem Speckschaum.“ Dafür erhält er im Guide, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, 18 von 20 möglichen Punkten. Sie stehen für „höchste Kreativität und bestmögliche Zubereitung”. Eine höhere Note haben in Deutschland nur 11 Köche.

Diese Bewertung bekommt auch wieder Mario Lohninger im „Silk“ in Frankfurt, wo die Gäste in „Deutschlands ungewöhnlichstem Restaurant mit einer überirdischen Küche in den kulinarischen Orbit geschossen“ werden.

17 Punkte erreichen erstmals Benedikt Faust vom „L’Etable“ in Bad Hersfeld und Christoph Rainer von der „Villa Rothschild“ in Königstein. Bei Faust loben die Tester: „Mit Geschmack, Geschick und großer Könnerschaft wirbelt er Texturen und Aromen durcheinander, spielt mit ihnen, setzt sie fantasievoll neu zusammen. Als Referenzgericht kommt im hohen Glas unter fruchtiger Apfelschaumluft ein Selleriesüppchen, über dem an einem Stick eine gebackene Kugel vom Kalbsbraten hängt. Als Einlage gibt’s geraspelten Sellerie und Apfel mit Würfelchen von der Kalbszunge und nebenbei noch ein Apfel/Sellerie-Püree mit Kalbskopf und Kalbsbacke, ebenfalls kleinstgeschnitten in Kugelform – welch ein Aufwand, welch ein Wohlgeschmack!“. Rainer „gewann an Ausdruckskraft, ohne seine Leichtigkeit zu verlieren. Die schottische Jacobsmuschel mit eingelegtem und getrocknetem Pfirsich, Pfifferlingen und Crème von grünen Mandeln ist ebenso moderne Haute cuisine in Bestform wie der bretonische Wolfsbarsch mit Auszug von der Kalbshaxe, grünem Bohnenpüree und Ofentomate.“

Rainers Dessertmacher Ronny Bolz kürt der Guide wegen seiner „geistreichen und feingewobenen Desserts“ zum „Pâtissier des Jahres“. Seine „Aprikose mit gebrannter Crème fraîche, Mohn, Milchgrieß-Eis und Olivenöl ist von graziler Sinnlichkeit“.

Der im „Silk“ mit 18 Punkten gewürdigte Mario Lohninger erhält in seinem Zweitrestaurant „Micro“ in Frankfurt erstmals 17 Punkte für seine „harmonischen Kombinationen mit Tiefenschärfe, präzise zubereitet und vollendet ge-würzt. Die Sushi-Variationen sind outstanding, die thailändisch inspirierten

Gerichte prickelnd spicy und die österreichischen Speisen lustvoll. Aber es gibt auch Pizza, Burger und Schnitzel in einer Qualität, wie man sie nirgendwo besser in dieser Stadt bekommt – und sicher auch weit darüber hinaus nicht.“

Auf 16 Punkte, die einen „hohen Grad an Kochkunst, Kreativität und Qualität“ bedeuten, verbessert sich Uwe Weber vom „Emma Metzler“ in Frankfurt, der „jetzt noch mehr Feinschliff in seiner vitalen Aromenküche zeigt, bei der jedes Detail ausdrucksstark ist“.
Von den 110 besten deutschen Köchen (die mit 17 bis 19,5 Punkten bewertet sind) stehen 8 in Hessen am Herd – das bedeutet Platz 5 in der kulinarischen Bundesliga hinter Baden-Württemberg mit 20, NRW mit 18, Bayern mit 17, Berlin mit 11 Köchen.

Eins auf die Kochmütze bekommen Juan Amador in Langen, Alfred Friedrich in Frankfurt Jürgen Richter vom „Steinernen Schweinchen“ in Kassel und Michael Kammermeier von der „Ente“ in Wiesbaden. Bei Amador schildern die Tester zwiespältige Eindrücke: „Er kocht weiterhin futuristisch. Es schweben immer noch Stickstoffeiswolken durch den Raum, steigen Rauchöldüfte auf, kommen Gerichte in chirurgisch anmutenden Teilen auf den Tisch. Chorizo dehydriert mit Eukalyptushonig und Minze klingt spannend, schmeckt aber nur staubig und weit weniger originell als erwartet. Das hervorragende saftig-zarte Kalb mit schwarzem Knoblauch, Rettich und Soja zeigt eine prägnante Verbindung aus Haute cuisine und ländlicher Spitzenküche. Wir fragen uns aber, warum wir irgendeinen krampfhaft konstruierten Ersatz für etwas brauchen, das im Original viel besser, frischer und ehrlicher wäre. Beispiel: Warum muss er eine Erdbeere/Yogurette künstlich nachbilden, wenn es 15 Autominuten entfernt auf dem Obsthof Schneider in Nieder-Erlenbach die Mara des Bois so genial gut gibt…“

Bei dem vom „Zarges“ ins „Tiger-Restaurant“ gewechselten Friedrich spötteln die Tester, dass er „hier im Varietékeller mit einer Nummer auftritt, die längst aus allen inspirierten Repertoires verschwunden ist: Panaden, Krusten und Teigmäntel. Wie ein rastloser Christo der Küche verpackt er in seinen Menüs mit wenig Höhen und vielen, nein, nicht Tiefen, aber Ebenen Carabineros in Oliven-brot-Panade, Rindermark in Tempura- und Polenta in Strudelteig, Lammrücken in Laugengebäckmantel“.

Richter wird kritisiert, weil die „tiefgründige Sauce zur Lammvariation eine penetrante Alkoholnote hatte“ oder „kanadischer Hummer mit Melonenkügelchen, Rhabarbersorbet und Erdbeerpüree zu neckisch war“. Und bei Kammermeier mosern die Kritiker: „Färsenfilet (leider auch noch etwas übergart und trocken) mit gebratenen und gerollten Auberginen und dicken kurzen Nudeln mit einer Art Pesto als Hauptgang im repräsentativen Menü anzubieten, ist für ein so traditionsreiches Restaurant allenfalls ein Armutszeugnis“.

Die Tester beschreiben und bewerten dieses Jahr insgesamt 66 Restaurants in Hessen. 54 Küchenchefs zeichnen sie mit einer oder mehreren Kochmützen aus, wofür die Könner am Herd mindestens 13 von 20 möglichen Punkten erreichen müssen, was einem Michelin-Stern nahe kommt. Das schaffen unter den erstmals bewerteten Restaurants mit 14 Punkten das „Grossfeld“ in Friedberg („tadellose Gerichte, aber auch braver Durchschnitt ohne Inspiration“) und das „Ralph Zimmermann“ in Limburg („Jacobsmuscheln aus dem Wok mit Schnitt-lauch-Eis klingen wie so manches hier viel abenteuerlicher als sie schmecken“).

Im Vergleich zur Vorjahrsausgabe serviert der wegen seiner strengen Urteile und deren zuweilen sarkastischer Begründung von den Köchen gefürchtete, von den Gourmets mit Spannung erwartete Gault Millau in Hessen 11 langweilig gewordenen Restaurants ab, 5 werden höher, 18 niedriger bewertet. 4 verlieren die begehrte Kochmütze.

Als zusätzliche Schmankerl bewertet der im Münchner Christian Verlag erscheinende Reiseführer für Genießer (822 Seiten, 29,95 €) die Restaurants des TUI-Kreuzfahrers „Mein Schiff“ und zählt auf, was deutsche Köche derzeit in ihrem modischen Wahn vom Apfelpüree über Kartoffelsalat bis zu Walnüssen alles räuchern. Ferner beschreibt und klassifiziert der Guide 365 Hotels.

Die besten Restaurants des Gault Millau in Hessen
18 Punkte:
1. Gourmet-Restaurant français* und Silk in Frankfurt,
17 Punkte:
3. Micro* und Osteria Enoteca in Frankfurt,
Schwarzenstein in Geisenheim,
L’étable* in Bad Hersfeld,
Villa Rothschild* in Königstein,
Amador** in Langen,
16 Punkte:
9. Kronenschlösschen in Eltville,
Emma Metzler*, Erno’s Bistro und Tiger-Restaurant** in Frankfurt,
Hessler in Maintal,
15 Punkte:
14. Villa Merton in Frankfurt,
Tandreas in Gießen,
Zur Krone in Höchst/Odenwald,
Sänger’s in Bad Homburg,
Rosi’s Restaurant in Hünstetten,
Zum steinernen Schweinchen** in Kassel,
Siesmayer in Königstein,
Bel Etage in Marburg,
La Villa in Rüsselsheim,
Ente** in Wiesbaden

*Aufsteiger **Absteiger

Alles über den Gault Millau 2010: www.gourmet-report.de/artikel/33146/Gault-Millau-2010-Deutschland/

Die Gault Millau Restaurants 2010 Berlin: https://gourmet-report.de/artikel/332066/Gault-Millau-2010-Berlin.html

Die Gault Millau Restaurants 2010 Brandenburg: www.gourmet-report.de/artikel/331804/Gault-Millau-2010-Brandenburg/

Die Gault Millau Restaurants 2010 Thüringen: www.gourmet-report.de/artikel/331802/Gault-Millau-2010-Thueringen.html

Die Gault Millau Restaurants 2010 Bayern: www.gourmet-report.de/artikel/331833/Gault-Millau-2010-Bayern.html

Die Gault Millau Restaurants 2010 Nordrhein-Westfalen: www.gourmet-report.de/artikel/331855/Gault-Millau-2010-Nordrhein-Westfalen.html

Die Gault Millau Restaurants 2010 Hamburg: www.gourmet-report.de/artikel/331891/Gault-Millau-2010-Hamburg.html

Die Gault Millau Restaurants 2010 Sachsen: www.gourmet-report.de/artikel/331892/Gault-Millau-2010-Sachsen.html

Die Gault Millau Restaurants 2010 Bremen: www.gourmet-report.de/artikel/331921/Gault-Millau-2010-Bremen.html

Die Gault Millau Restaurants 2010 Sachsen Anhalt: www.gourmet-report.de/artikel/331922/Gault-Millau-2010-Sachsen-Anhalt/

Die Gault Millau Restaurants 2010 Schleswig Holstein: www.gourmet-report.de/artikel/331934/Gault-Millau-2010-Schleswig-Holstein.html

Die Gault Millau Restaurants 2010 Saarland: www.gourmet-report.de/artikel/331954/Gault-Millau-2010-Saarland.html

Die Gault Millau Restaurants 2010 Mecklenburg Vorpommern: www.gourmet-report.de/artikel/331969/Gault-Millau-2010-Mecklenburg-Vorpommern.html

Die Gault Millau Restaurants 2010 Niedersachsen: www.gourmet-report.de/artikel/331995/Gault-Millau-2010-Niedersachsen.html

Die Gault Millau Restaurants 2010 Hessen: www.gourmet-report.de/artikel/332001/Gault-Millau-2010-Hessen.html

Die Gault Millau Restaurants 2010 Rheinland Pfalz: www.gourmet-report.de/artikel/332036/Gault-Millau-2010-Rheinland-Pfalz.html

Bestell-Link: ISBN: 978-3-88-472955-7

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