Von Mokka, Kaffeebohnen und Qishr
Jemenitischer „Ur-Kaffee“ damals und heute
Die jemenitische Hafenstadt al-Mukhā, auch als Mokka bekannt, war früher die wichtigste Drehscheibe des weltweiten Kaffeehandels. Von hier aus wurde der „Coffea Arabica“ nach ganz Europa verschifft. Erst als die Kaffeepflanze mehr oder weniger legal den Weg vom Jemen in andere Kolonien der Europäer fand, nahm die Bedeutung des Kaffeelandes Jemen langsam ab. Heute ist original jementischer Mokka ein beliebtes Mitbringsel, aber fast schon eine Rarität. Wer es ausgefallener mag, probiert den heutzutage stattdessen bei den Jemeniten beliebten Qishr (auch qišr), einen Sud gekocht aus Kaffeebohnenschalen mit Ingwer, Zimt und Kardamon. Die Mischung kann auch fertig gekauft werden.
Jemenitische Kaffees sind weltweit begehrt und zählen seit je her zu den teuersten Kaffees der Welt. Der Anbau auf steilen Terrassen und an den Flussläufen tiefer Schluchten sowie der Transport durch die teils unwegsamen, zerklüfteten Berge sind mehr als beschwerliche Arbeit. Doch in den kleinen jemenitischen Kaffeebohnen entwickle sich ein unvergleichliches Aroma und eine Würze, die – so liest man bei Kaffee-Importeuren – unübertrefflich „die Gaumen wahrer Kaffee-Kenner erfreuen“ würden.
Aus der jemenitischen Hafenstadt al-Mukhā (Mokka) am Roten Meer kam vor 400 Jahren der erste Kaffee nach Europa, und Mokka wurde schon Mitte des 16. Jahrhunderts zum Inbegriff für den schwarzen, aromatischen Aufguss. Inzwischen werden auf den fruchtbaren Hochebenen – da Kaffee einen Mindestniederschlag von 1,20 Meter im Jahr benötigt, war und ist Jemens Anbaufläche stets beschränkt und klein – des einzigen noch Kaffee-exportierenden arabischen Landes verschiedene Mokkasorten angebaut. Sie alle zeichnen sich durch eine fruchtig-säuerliche Note mit einem charakteristischen Schokoladen-Nachgeschmack aus. Jemenitischer Kaffee kann – so sagen die Kaffee-Experten – dabei ganz vorzüglich sein, eine gleichbleibende Qualität ließe sich aber leider nicht garantieren. Denn: Die Klassifizierung der Bohnen ist uneinheitlich, wenngleich die besten Kaffees seit eh und je aus Bani Mattar (daher genannt „Mattari“) kommen, desweiteren aus Bani Hammad und Haraz. Hinzu kommt: Jemenitische Bauern mühen sich mit kleinsten Flächen auf zum Himmel ragenden Terrassen ab. Oft aber werden die Kirschen dort zu spät geerntet, wodurch die Bohnen stark fermentiert sind und anschließend unsachgemäß auf Hausdächern getrocknet.
Trotzdem: Was in den Kaffeehäusern Londons, Paris, Hamburgs, Amsterdams und Wiens dereinst getrunken wurde, kam bis Mitte des 18. Jahrhunderts primär aus dem Jemen – und wurde über den schon erwähnten Hafen al-Mukhā verschifft und kurz darauf auch nach ihm als Mokka benannt. Dort hatten viele europäische Händler Handelsniederlassungen. Da bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts der Jemen zudem das einzige Kaffee-Exportland war und seine Anbauflächen begrenzt, stiegen die Kaffee-Preise ins Astronomische.
Danach machten allerdings andere Länder das Rennen, weil Kaffeepflanzen von Europäern – den Kolonialmächten – außer Landes geschmuggelt und erfolgreich auf Java, in Kenia oder Kolumbien angebaut wurden. Bald war der Jemen mit seinen hohen Produktionskosten nicht mehr konkurrenzfähig und partizipierte Mitte des 19. Jahrhunderts bei gleichbleibender Produktion nur noch mit einem Prozent an der weltweiten Kaffee-Erzeugung, Anfang des 20. Jahrhunderts sogar nur noch mit 0,5 Prozent.
Was man noch wissen sollte: Äthiopien und der Jemen streiten sich darum, wer denn nun wirklich das Ursprungsland des Kaffees sei. Von Äthiopien soll schon im sechsten Jahrhundert die Kaffeepflanze über das Rote Meer gekommen sein. Der Legende nach hat der spätere Schutzheilige der Stadt al-Mukhā, Scheich al-Schadili, dann den Kaffee im Jemen bekannt gemacht, nachdem er ihn am Hofe des abessinischen Herrschers kennen gelernt hatte. Möglicherweise war der Kaffeegenuss auch Bestandteil der Riten des sufischen Schadili-Ordens.
Im Hinblick auf diese „glorreiche“ Vergangenheit ist es umso erstaunlicher, dass die Jemeniten inzwischen ihre ganz eigenen Vorstellungen davon haben, welcher Bestandteil der Kaffeepflanze benutzt werden sollte, um Kaffee zu kochen. So verzichten sie auf die edlen Arabica-Kaffeebohnen und benutzen anstelle dieser nur die Schale der Bohne (die in anderen Ländern als Futter- und Düngemittel Verwendung findet, weswegen der Jemen diese zudem auch tonnenweise exportiert!). Zusammen mit Ingwer und Kardamom kochen sie daraus ein Getränk, das nur entfernt an europäischen Kaffee erinnert. Diese Kaffee-Form, Qishr genannt und zubereitet aus den aufgebrochenen, stundenlang gekochten Schalen des im Jemen üblicherweise sonnengetrockneten Kaffees, ist jedoch ein beliebtes Getränk und wird – reichlich gesüßt – zuhause häufig morgens genossen. Daneben trinken die Jemeniten aber auch ganz normalen, in der Regel frisch gerösteten und aufgekochten Kaffee, hier Qahwa genannt. Zunehmender Beliebtheit erfreut sich besonders im städtischen Bereich – wie sollte es anders sein – aber auch löslicher Kaffee, allen voran Nescafé.
Heutzutage liegt Jemens Kaffee-Produktion bei etwa 19.000 Tonnen jährlich (2008: 18.788). Das größte Anbaugebiet des Nordens ist Haraz westlich von Sana’a, das des ehemaligen Südjemens ist das Jaffei-Gebirge (Yāfi as Sufla) nordöstlich von Aden. Wer den dort angebauten jemenitischen Kaffee – gemahlen und verpackt – als Souvenir kaufen möchte, ist im Suq von Sana’a ebenso richtig wie in den Geschäften der Hadda-Straße.
Allgemeine Jemen-Informationen im Internet unter www.yementourism.com .