ÖKO-TEST 20 Spieluhren
Krach statt Einschlafhilfe
Es gibt kaum ein Kinderbettchen, in dem keine Spieluhr liegt. Welch Gefahrenpotenzial in diesem Spielzeug jedoch steckt, hat nun das Frankfurter Verbrauchermagazin ÖKO-TEST ans Tageslicht gebracht. Die Untersuchung von 20 Modellen zeigte, dass die Mehrzahl von ihnen viel zu laut ist. „Fünf Uhren beschallen die Babys mit mehr als 80 Dezibel“, berichtet Chefredakteur Jürgen Stellpflug. „Damit überschreiten sie den Wert, der laut der Spielzeugnorm EN71 maximal für ohrnahes Spielzeug erlaubt ist.“ Babys sind nicht in der Lage, sich bei Krach die Ohren zuzuhalten. Die Folge von lauten Geräuschen können neben Hörschäden auch andere gesundheitliche Beeinträchtigungen sein.
Doch nicht nur der hohe Lärmpegel mancher Spieluhren gibt Anlass zur Kritik. Bei drei Produkten fand das beauftragte Labor den Farbstoffbestandteil Anilin, der sich im Tierversuch als krebserzeugend erwiesen hat. Der Preis gibt wieder einmal keinen Aufschluss über die Qualität des Spielzeugs. So entdeckte das Labor bei der teuersten Spieluhr im Test verschiedene polybromierte Flammschutzmittel, die teilweise in Elektro- und Elektronikgeräten sogar verboten sind. „Die Diskussion darüber, ob es sich bei einer Plüsch-Spieluhr um ein Elektro- oder Elektronikgerät handelt, ist unserer Sicht nach müßig. Wir sind der Ansicht, dass derartige Stoffe nicht in Spielzeug verwendet werden dürfen“, hebt Jürgen Stellpflug hervor. ÖKO-TEST empfiehlt Eltern, die bereits eine der schlecht getesteten Spieluhren gekauft haben, diese in das Geschäft zurückzubringen. Es besteht zwar kein gesetzlicher Anspruch auf Rückgabe, doch viele Geschäfte reagieren einsichtig.
Die aktuelle Ausgabe vom ÖKO-TEST-Magazin Oktober 2009 gibt es ab dem 25. September 2009 im Zeitschriftenhandel. Das Heft kostet 3,80 Euro.
Hintergrund
Spielzeug: Vorsicht ist gut, Kontrolle ist besser
Trotz Auflagen und technischer Checks kann niemand garantieren, dass Kinder nur absolut unbedenkliches Spielzeug in die Finger bekommen. Der beste Schutz ist immer noch die Umsicht der Eltern. Wir beantworten die häufigsten Fragen.
Wer überprüft die Spielzeugsicherheit?
Für die Sicherheit ist zunächst der Hersteller selbst verantwortlich. Er muss bestätigen, dass er die Anforderungen der europäischen Spielzeugrichtlinie erfüllt. Zusätzlich kann er in Deutschland durch eine freiwillige Kontrolle in einem staatlich anerkannten Institut das GS-Siegel erwerben.
Können Sicherheitszeichen gefälscht sein?
Es kommt gar nicht so selten vor, dass CE- oder GS-Zeichen zu Unrecht geführt werden oder gefälscht sind. Etwa 20 bis 30 Prozent der GS-Zeichen dürften nicht bestehen, schätzt das Referat Geräte- und Produktsicherheit sowie Qualitätssicherung der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg. Ist die Prüfstelle auf dem Siegel nicht deutlich erkennbar, kann man davon ausgehen, dass das Zeichen gefälscht ist. Bei den CE-Zeichen findet die Landesanstalt in 50 bis 60 Prozent der Fälle Mängel – allerdings handelt es sich dabei nicht um zufällig ausgewählte Produkte, sondern um solche, bei denen die Behörden schon einen Anfangsverdacht haben. Die Mängel reichen von formalen Kennzeichnungsfehlern bis zu echten Risiken. Immer wieder stellen die Prüfer zum Beispiel fest, dass manche Spielwaren eigentlich nicht für Kleinkinder unter drei Jahren geeignet sind, weil lose Teilchen verschluckt werden könnten.
Muss das CE-Zeichen auf allen Produkten stehen?
Alle Spielsachen für Kinder unter 14 Jahren, die in der EU vertrieben werden, müssen das CE-Zeichen tragen. Diese Pflicht gilt nicht für Produkte, die laut Richtlinie kein Spielzeug sind. Dazu zählen zum Beispiel Sammlerartikel, Modeschmuck für Kinder oder Puzzles mit mehr als 500 Teilen.
Wann sind Warnhinweise notwendig?
Anzubringen ist der Warnhinweis „Nicht geeignet für Kinder unter drei Jahren“, wenn das Spielzeug nicht eindeutig einer Altersklasse zuzuordnen ist und für Kinder unter 36 Monaten gefährlich sein kann. Ein Risiko kann zum Beispiel von losen Teilen oder langen Schnüren ausgehen. Zusätzlich zum Warnhinweis ist immer eine Begründung erforderlich. Nicht erlaubt ist der Hinweis, wenn das Spielzeug – etwa Spieluhren oder Beißringe – offensichtlich für Kleinkinder unter drei Jahren gedacht ist.
Wer kontrolliert die Hersteller?
Die Bundesländer sind dafür zuständig, die Sicherheit von Spielzeug zu überwachen. Rund 80 Gewerbeaufsichtsämter beziehungsweise Ämter für Arbeitsschutz kümmern sich darum. Wird ein Spielzeug erstmals in Verkehr gebracht, sind routinemäßige Sichtprüfungen vorgesehen. Dabei kontrollieren die Sachverständigen das Produkt auf offensichtliche Mängel und prüfen, ob alle vorgeschriebenen Aufdrucke und Sicherheitshinweise vorhanden sind. Außerdem reagieren die Behörden auf Hinweise von Verbrauchern und nehmen auf Messen, Ausstellungen und Volksfesten Spielzeug unter die Lupe. Die Ämter können den Rückruf von gefährlichem Spielzeug anordnen, Produkte sicherstellen und auch vernichten.
Wie sicher ist Spielzeug aus China?
In China produziertes Spielzeug muss der europäischen Spielzeugrichtlinie genügen, wenn es auf dem hiesigen Markt angeboten wird. Eine Überprüfung der Produkte kann im Land stattfinden. Deutsche Händler, die die Spielsachen importieren, müssen sich darauf verlassen, dass ihre Handelspartner akkreditierte Labore damit beauftragen, nach europäischen Vorschriften zu prüfen. Deutsche Vertreiber veranlassen manchmal zusätzlich eine freiwillige GS-Kontrolle der Importprodukte in Deutschland.
Was ist an PVC-Spielzeug so gefährlich?
Werden kleine Teile wie Puppenschuhe oder Armbändchen aus PVC verschluckt, lösen sich im Magen die Weichmacher aus dem Material. Übrig bleibt ein scharfkantiger Körper, der die Magenwände verletzen kann. Auch die im PVC enthaltenen Weichmacher selbst sind bedenklich. Die amerikanische Environmental Protection Agency (EPA) hat festgelegt, dass man täglich nicht mehr als 20 millionstel Gramm des Weichmachers DEHP pro Kilogramm Körpergewicht aufnehmen sollte. Bei Kindern ist dieser Wert schon wegen ihres geringen Körpergewichts schnell überschritten: Bis zu 44 millionstel Gramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag wurden bei Kleinkindern festgestellt. Ob ein Produkt aus PVC besteht, erkennt der Verbraucher an den Bezeichnungen „VC“ oder „Vinyl“, das übliche Symbol ist eine 3 in einem Dreieck aus Pfeilen. Gesundheitlich unbedenklichere Kunststoffe tragen die Nummern 1 (PET), 2 oder 4 (Polyethylen) und 5 (Polypropylen).
Kann man belastetes Spielzeug zurückgeben?
Was kann man tun, wenn ein Spielzeug auffällig nach Chemie stinkt? „Schadstoffbelastetes Spielzeug zurückzugeben, ist ganz schwer“, erklärt die Verbraucher-Initiative Berlin. Der Verbraucher muss nämlich nachweisen, dass das gekaufte Spielzeug belastet ist. Versuchen sollte man es trotzdem, denn je mehr Konsumenten sich beschweren, desto stärker wird der Druck auf die Hersteller, nur verträgliche Materialien zu verwenden. Hilfe erhalten die Käufer bei den Landesuntersuchungs- oder Gesundheitsämtern, wo sie einen Verdacht melden können. Ein Rückgaberecht hat man, wenn das Spielzeug nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht.
Wo können sich Eltern informieren?
Die Hersteller sind verpflichtet, die Konsumenten auf Anfrage über die Zusammensetzung von Produkten zu informieren. Eine Kontaktadresse muss auf dem Produkt oder der Verpackung angegeben sein. Auch die zuständigen Landesbehörden, etwa die Gewerbeaufsichtsämter, müssen Auskunft darüber geben, ob es Erkenntnisse über Gefährdungen durch bestimmte Produkte gibt.