„Lütt un läkka – hmmm!“
Vierter Leipziger Kongress zeigt Wege auf für eine gesunde, schmackhafte und entwicklungsfördernde Kost in KiTa und Schule
Zum vierten Mal richten die Leipziger Messe und die B&L Mediengesellschaft (München) auf der Fachmesse GÄSTE einen Kongress für die Gemeinschaftsverpflegung von Kindern und Jugendlichen aus. Rund 350 Experten aus Pädagogik, Politik und Nahrungsmittelindustrie diskutieren am 9. November 2009 darüber, wie eine gesunde, schmackhafte und entwicklungsfördernde Ernährung der Heranwachsenden gewährleistet werden kann. Erstmals steht in diesem Jahr neben der Schul- auch die KiTa-Verpflegung auf der Tagesordnung.
Bratwurst statt Rohkost?
Das Drama begann, als das Essen für den Kindergarten plötzlich aus der Küche des benachbarten Seniorenheimes kam. Statt fettarmen Reis- oder Nudelgerichten und Rohkost standen auf einmal Bratwurst mit Sauerkraut und überbackener Spargel auf dem Speisezettel, erinnert sich Gesa Stückmann. Dabei hatte die junge Mutter aus Rostock ihren Sohn extra in eine „Öko-KiTa“ geschickt, damit er gesund und kindgemäß ernährt wurde. Doch das Konzept rechnete sich für den Träger offenbar nicht. Die hauseigene Köchin wurde entlassen, da sechs Euro pro Mahlzeit vielen Eltern zu teuer schienen. Doch was die Seniorenküche lieferte, war Stunden vorher gekocht und hatte bis zur Mittagspause allen Geschmack verloren.
Mittlerweile kam Gesa Stückmanns Tochter in den Kindergarten, der Sohn zur Schule – nur mit dem Essen klappte es hier wie dort nicht. So reifte bei der Juristin schließlich die Idee, einen eigenen Speiseservice für Kinder ins Leben zu rufen. Sie scharte Verbündete um sich – einen Koch, einen Caterer, eine Buchhalterin und weitere engagierte Eltern – und begann, mit ihnen gemeinsam das Projekt zu planen. Das Konzept dafür fasst sie auf Küstenplatt in griffigen Worten zusammen: „Lütt un läkka – hmmm!“
…
Neu im Kongressprogramm: Verpflegung in der KiTa
Wie eine qualitativ hochwertige, finanzierbare und von den Kindern akzeptierte Gemeinschaftsverpflegung realisiert werden kann, ist Thema des vierten Kongresses für KiTa- & Schulverpflegung am 9. November im Rahmen der Leipziger Fachmesse GÄSTE (8. bis 11. November 2009). „Schulverpflegung ist und bleibt ein brisantes Thema, daran hat sich seit dem ersten Kongress im Jahr 2003 nichts geändert“, urteilt Ulrike Lange, Projektdirektorin der Leipziger GÄSTE. „In diesem Jahr wurde der Kongress zudem um das Thema KiTa erweitert. In zwei Arbeitskreisen unter der Überschrift ‚Essen in der Schule – Die komplexe Welt der Gemeinschaftsverpflegung‘ sowie ‚Verpflegung in der KiTa – Basis für Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit von Kindern unter sechs Jahren‘ werden Konzepte und Erfolg versprechende Projekte vorgestellt“, kündigt die Projektdirektorin an.
Zu den Referenten gehört auch Gesa Stückmann. „Geschmackserziehung schon in der Kita?“ lautet ihr bewusst provokant formuliertes Thema. Denn das von ihrer künftigen Firma angebotene Essen bedeute „für viele Kinder eine Ernährungs- bzw. Geschmacksumstellung. Die Heranwachsenden sind an künstliche Geschmacksstoffe gewöhnt und wissen nicht, wie die Nahrungsmittel tatsächlich schmecken“, musste sie bereits feststellen. Daher verwende ihr Küchenteam weder Convenience-Produkte noch künstliche Zusatz- und Geschmacksstoffe. Zudem werde „weniger, dafür aber qualitativ hochwertiges Fleisch aus artgerechter Tierhaltung“ auf dem Speiseplan stehen.
In Leipzig wird Gesa Stückmann berichten, wie man gesundes, frisch gekochtes Mittagessen aus frischen Zutaten regionaler Lieferanten ausschließlich für Kindergärten und Schulen zubereiten kann. „Die Auswahl der Speisen berücksichtigt konsequent die saisonalen Angebote an Obst und Gemüse – damit die Kinder wieder erfahren, dass Erdbeeren nicht im November wachsen“, erläutert sie. All dies sei mit rund 2,50 Euro pro Portion kostendeckend und konkurrenzfähig gegenüber herkömmlichen Großversorgern, versichert sie. Für ein frisch gekochtes Essen setzt das Unternehmen auf die „cook & chill“-Methode, bei der die Speisen zunächst nur zu 85 bis 95 Prozent gegart, schockgekühlt und in Kindergarten oder Schule mittels modernster Technik fertiggestellt werden.
Kochen als Unterrichtsfach
Damit Kinder lernen, Lebensmittel wertzuschätzen und Gutes zu genießen, plädiert Naturwissenschaftler Dr. Georg Eysel-Zahl für Kochunterricht an Schulen. „Ich habe viele Schulen besucht und gesehen, dass dort kaum etwas Frisches auf die Teller kommt“, sagt der Geschäftsführende Vorstand der Sarah Wiener Stiftung „Für gesunde Kinder und was Vernünftiges zu essen“, der in seinem Referat über „Gesundheit und Qualität durch Ernährungsbildung in Schulen und KiTas“ spricht.
Immerhin zeigt der Ernährungsbericht 2008 der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE), dass lediglich 19 Prozent der Sechs- bis Zwölfjährigen die empfohlene Verzehrmenge für Obst erreichen. Bei Gemüse sind es sogar nur sechs Prozent. Eine wichtige Rolle auf dem Leipziger Kongress spielen deshalb die unlängst veröffentlichten Qualitätsstandards für KiTa- und Schulverpflegung, die Uwe Pilz von der DGE-Sektion Sachsen vorstellt. Das darin empfohlene Spektrum für ebenso gesundes wie schmackhaftes Essen reicht von täglich fünf Obst- oder Gemüseportionen sowie reichlich Getreideprodukten über den sparsamen Einsatz von Zucker, Fett und Salz bis zum genussvollen, schmackhaften Essen, für das man sich bewusst Zeit lässt.
Freie Wahl für Frisches
Auch der Chef der Bio-Catering Marbachshöhe GmbH in Kassel, Dr. Harald Hoppe, wird in Leipzig über seine Erfahrungen berichten. Das Unternehmen fährt in den von ihm betreuten Schulen eine mittägliche Vielfalt auf, die manches Hotel erblassen ließe. Ohne Vorbestellung, nur durch Registrierung mit einer Chipkarte beim Betreten der Mensa, stehen den Schülern bis zu sechs „Free-Flow-Themeninseln“ bereit, aus denen sie frei wählen können – eine Wok-Station für frische Gemüsegerichte, ein frisch bereitetes Tagesgericht, eine Salatbar mit bis zu sechs Sorten Rohkost, eine Pastastation, eine Pizza- und Snackstation und ein Dessertstand mit mehreren Milch- und Obstspeisen.
Essgewohnheiten der Eltern entscheiden mit
Ob Kinder das Mittagessen in der Schule akzeptieren oder nicht, hängt maßgeblich auch vom Elternhaus ab. So ergab eine Studie der Hochschule Anhalt und der sächsischen DGE-Sektion an allen Freitaler Schulen, dass speziell die wirtschaftliche und soziale Situation einer Familie sowie der Stellenwert, den die Eltern einer warmen Mittagsverpflegung beimessen, großen Einfluss haben. Auch Gesa Stückmann hat die Erfahrung gemacht, dass besser betuchte Familien den Nutzen einer gesunden, entwicklungsförderlichen Kinderernährung höher schätzen als einkommensschwache. In letzteren bekämen die Kinder oft nicht einmal Pausenbrote mit. Wenn das Rostocker Projekt im Frühjahr 2010 startet, sollen deshalb zunächst private Einrichtungen in freier Trägerschaft bedient werden. Ist eine wirtschaftlich tragfähige Größe von 300 bis 400 Kindern erreicht, avisiert Stückmann auch staatliche Schulen an.
Zugleich appelliert die Juristin an die Politik, die Besteuerung von Firmen, die sich ernsthaft für eine gesunde Kinderernährung engagieren, mit mehr Augenmerk zu betreiben. So findet sie es schwer nachvollziehbar, dass man den ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent nur geltend machen kann, wenn man das Essen fertig anliefert. Sobald man eine eigene Ausgabekraft beschäftigt, fallen die üblichen 19 Prozent an. Die Portion verteuert sich dadurch für die Eltern um fast ein Fünftel.
Begleitend zum Leipziger Kongress präsentieren Unternehmen Produkte, Dienstleistungen und Konzepte für die Verpflegung in Schule und KiTa. Und unmittelbar nach dem Abschlussplenum stehen bei der Aktion „Spitzenköche kochen mit Schülern für die Kongressteilnehmer“ namhafte Köche aus der Region gemeinsam mit Teilnehmern um den Erdgaspokal der Schülerköche am Herd.
Das komplette Programm des 4. Kongresses für KiTA- & Schulverpflegung sowie die Online-Anmeldung sind unter www.gaeste.de zu finden.