FleiFood

FleiFood

Die Messe für Fleischerhandwerk und Verbraucher
(8. bis 11. November 2009)

Warum essen Menschen anders, als sie sich ernähren sollten?

Ernährungsexperte Professor Volker Pudel referiert auf der Leipziger Messe FleiFood über gesunde Ernährung

Die gesunde Ernährung ist in aller Munde. Zumindest, was die Theorie betrifft. Keine Ratgeberseite, keine Verbraucher- oder Frauenzeitschrift, die es nicht ständig wiederholen würde: Wer fit sein will, braucht eine abwechslungsreiche Mischkost mit viel Obst und Gemüse, aber wenig Fett und Zucker. Und doch gibt es immer mehr und immer jüngere Übergewichtige, nehmen ernährungsbedingte Krankheiten weiter und zum Teil dramatisch zu. Haben die Menschen verlernt, sich richtig zu ernähren, obwohl sie alles darüber wissen? Auf der ersten Leipziger FleiFood (8. bis 11. November 2009) wendet sich Professor Volker Pudel dieser Frage zu. In einem Vorab-Interview informiert der Ernährungspsychologe über das Lustprinzip, wirkungsloses Wissen, fehlende Regulierung und weitere Erkenntnisse.

Frage: Nie war das Wissen über Ernährung so groß wie heute. Trotzdem ernähren sich die Menschen oft ungesund. Warum?

Professor Pudel: Weil Essen emotionales Verhalten ist und Vernunft hier nur bedingt greift. Gutes Essen rangiert nach Urlaub, Familie und Sex auf Platz vier der deutschen Lusthierarchie, hat also einen hohen emotionalen Stellenwert. Ganz anders die „Richtige Ernährung“: Sie wird als Forderung verstanden, unter deren Umsetzung die aktuelle Lebensqualität leidet. Warum sollte man darauf Lust haben? Das Wissen über gesunde Ernährung allein ändert kein Essverhalten, sondern führt höchstens zu einem schlechten Gewissen. Was wir brauchen, ist ein Umdenken. Auch deshalb, weil der Mensch evolutionsbiologisch so programmiert ist, dass er Fett für Notzeiten speichert. Diese Reserven werden heute aber kaum noch abgefordert.

Frage: Wie kann man die Menschen dazu bringen, tatsächlich ihre Ernährungsgewohnheiten zu ändern?

Professor Pudel: Durch Erlebnisse und neue Erfahrungen. Diese beeinflussen das Verhalten deutlich mehr als die graue Theorie. Anstelle von Seminaren über Ernährungsfragen bieten sich beispielsweise Kurse an, bei denen gemeinsam gekocht und gegessen wird. Hier verbinden sich positive Gefühle mit einem veränderten Essverhalten, und es besteht die große Chance, dass dieses Verhalten wiederholt wird. Wer bereits durch falsche Ernährung krank geworden ist, muss die Umstellung auf neue Gewohnheiten langfristig trainieren, möglichst unter Anleitung – inklusive einkaufen, kochen lernen und der richtigen Auswahl im Restaurant.

Frage: Müssen solche Erfahrungen nicht schon in der Kindheit gemacht werden?

Professor Pudel: Unbedingt! Nur wenn Kinder anders essen lernen, wird sich das Problem dauerhaft lösen lassen. Kinder erkennen gesunde Lebensmittel sehr wohl – aber sie mögen sie nicht.

Frage: Wie ließe sich Ihrer Meinung nach dieses Problem lösen?

Professor Pudel: Die Politik müsste sich für eine geschmacksbildende Gemeinschaftsverpflegung ab dem Kindergarten einsetzen. Das Essen, das hier auf den Tisch kommt, prägt die Kinder für ihr Leben. Schüler sollten in der Schule kochen lernen; das verbindet Geschmacksbildung, Erlebnis, Training, Warenkunde und Teamwork. Meist wird das Essen aber fertig von außen geliefert. Die Kinder bauen keinen Bezug dazu auf. Außerdem muss Gemeinschaftsverpflegung leider vor allem billig statt gesund sein. Das Ergebnis ist ein Essen, dessen Qualität oft fraglich ist. Öffentliche Küchen sind nur der Hygieneordnung verpflichtet; die Zusammensetzung der Speisenangebote ist freigestellt. Es stimmt nachdenklich, dass in einem Staat, der nahezu jeden Lebensbereich reguliert, ausgerechnet die Ernährung unreguliert bleibt.

Frage: Als eine Art der Regulierung wird derzeit die Ampel-Kennzeichnung von Lebensmitteln diskutiert. Was halten Sie davon?

Professor Pudel: Nichts! Ginge es nach dieser Kennzeichnung, würde Cola drei grüne Punkte in den Sparten Fett, Salz und gesättigte Fettsäuren bekommen und nur einen roten für den Zuckergehalt. Ist Cola deshalb ein gesundes Lebensmittel? Nein. Die Ampel-Kennzeichnung klingt einfach, aber man isst ja nie isolierte Lebensmittel. Die Mischung macht’s, und zwar über einen längeren Zeitraum – zum Beispiel eine Woche – betrachtet. Andere Kennzeichnungen führen Verbraucher ebenfalls in die Irre, weil sie sich auf den Kalorienbedarf einer „durchschnittlichen deutschen Frau“ beziehen oder auf winzige Müsli-Portionen. So wird dem Verbraucher vorgegaukelt, er ernähre sich gesund – obwohl er real zu viel Fett und zu viel Zucker isst. Auch Vitamine werden nicht berücksichtigt.

Die ganze aktuelle Kennzeichnungsdiskussion hilft nicht weiter. Ich kann dazu nur sagen: Wenn man den falschen Weg gewählt hat, ist es sinnlos, schneller zu gehen, um sein Ziel zu erreichen. Die Verantwortlichen in der Regierung müssten sich für ein grundsätzliches Umdenken entscheiden. Regulierung der Ernährung – ja, Ökonomisierung – nein!

Frage: Wie sieht es speziell mit Fleisch und Wurst aus? Man liest ja häufig, dass man damit Maß halten soll.

Professor Pudel: Fleisch und Wurst unterliegen oft dem Vorurteil, dass sie zu fettreich seien. Aber es gibt heute zahlreiche fettarme Angebote, die sehr gut schmecken. Außerdem kommt es auf die Zubereitung und Rezepturen an. Fleischer sollten ihre Kunden sachkundig informieren und die Produkte verkosten lassen. Das bringt eine hohe Akzeptanz.

Prof. Dr. Volker Pudel, 1944 in Bad Kreuznach geboren, leitete von 1972 bis 2007 die Ernährungspsychologische Forschungsstelle an der Universitätsmedizin Göttingen. Für sein Engagement in Sachen „Gesunde und moderne Ernährung“ erhielt er beispielsweise den internationalen Preis für moderne Ernährung, den Preis der Rainer Wild-Stiftung für seinen ganzheitlichen Ansatz gesunder Ernährung oder den Therapiepreis der Deutschen Adipositas-Gesellschaft.

www.fleifood-messe.de

Sende
Benutzer-Bewertung
5 (1 Stimme)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.