Belle et Fou

Bitte etwas nachschärfen, Herr Wodarz!

von Nikolas Rechenberg

„Da haben ja Teletubbies mehr Sex“, meint ein Zuschauer sarkastisch im lila und pink ausgeleuchteten Varieté-Halbrund. Christoph Stölzl, unser ehemaliger Kultursenator, drückt es elegant aus wie immer: „Belle et Fou“ sei gut für die öffentliche Moral, denn sie werde „kein bißchen gefährdet“.

Kühle Dancefloor-Gymnastik und austrainierte Artistenkörper ergeben noch lange kein Spiel mit der Lust. Allenfalls jugendfreie Erotik wie aus dem Videoclip.

Allein eine Lust für den Gaumen sind die Vorspeisen vor der Show, elegante und finessenreiche Kreationen aus frischem Lachs, Thunfisch-Tatar und Muscheln.

Bitte nicht falsch verstehen, das Konzept ist gut, die Choreographie ist perfekt, das Licht raffiniert und die Musik ausgezeichnet. Aber die Erotik kommt in Sneakers aus dem Hightech-Fitness-Studio. Bitte nachschärfen, Herr Wodarz!

Die Rahmenhandlung im neuen Erotik-Varieté der Spielbank von Hans-Peter Wodarz ist eine ermüdende Beziehungskrise in deutscher Sprache. Das mag den einen oder anderen tiefenpsychologisch an die eigene Ehe erinnern. In einer internationalen Show, untergebracht in einer Spielbank, ist sie schlicht falsch am Platz. Die einzig knisternde Szene, in der die Gattin dem Ehemann lustvoll den Kaviar vom Handrücken schleckt, kann auch ins Tanzprogramm eingebaut werden. Das reizt zum Nachmachen, wem die Kaviar-Girls in den sexy Uniformen Anna von Griesheims schöne Augen machen, kann kaum widerstehen und nimmt den Löffel Kaviar für 12,50 Euro auf seinen eigenen Handrücken – natürlich lediglich zum moralisch korrekten „selber Abschlecken“.

Und was sagte ein absolut heterosexueller Gentleman aus der Hotellerie zu den wenigen nackten Männern auf der Bühne? Mehr davon! Darauf würden die weiblichen Gäste abfahren, sagte er voller Überzeugung, das ziehe besser als jeder noch so blanke Busen.

Selbst Bottrop wird nicht zufrieden sein mit der Show, für die Provinz müssen die Girls durch die Zuschauerreihen und einen „Lab dance“ andeuten. Geschickt gemacht, wäre das animierende Schoß-Gekreise ebenfalls jugendfrei. So verlassen Japaner und Russen die Show schon nach der Halbzeit, sie sind aus Tokio und Moskau viel deftigere Kost gewöhnt.

Das beste an „Belle et Fou“ war die After-Show-Premierenparty. Alt-Meister Wodarz brachte eine spritzige Mischung aufs Parkett – von Dolly Buster über Walter Scheel bis hin zur Lachnummer „Prinz Foffi und seine Gsell“.

Der ältere Herr neben mir simste nach Hause: „Du verpaßt hier absolut nichts. Aber ich. Dich!“ Das ist knisternde Erotik pur.

Nikolas Rechenberg schreibt auch den Weinblog in der Welt am Sonntag:
www.wams.de/z/plog/blog.php/nikos_weinwelten

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