Ein Deutsches Schulfruchtprogramm – dringend benötigt
Deutsche Kofinanzierung ist unsicher
Was spricht mehr für ein Schulfruchtprogramm – der Präventionsgedanke – Prävention von Herz-Kreislauf-Krankheiten, Schlaganfall, Bluthochdruck – oder die Tatsache, dass laut Ernährungsbericht 2008 der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) lediglich 19 % der 6- bis 12-jährigen Kinder die empfohlene Verzehrsmenge für Obst erreichen und bei Gemüse sogar nur 6 %?
Um den Obst- und Gemüseverzehr nachhaltig zu steigern, gibt es von der Europäischen Union (EU) ein Schulobstprogramm. Seit Mitte März läuft ein Pilotprogramm an 9 000 Schülerinnen und Schülern in 18 ausgewählten Schulen in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz, das kostenlos Obst und Gemüse verteilt. Es gibt nun die Chance, auch in Deutschland ein breit angelegtes Schulfruchtprogramm durchzuführen. Die Erfahrungen des Pilotprojekts können hier einfließen. Die EU stellt ab Herbst 2009 insgesamt 90 Millionen Euro für die Durchführung von „Schulobstprogrammen“ zur Verfügung. Deutschland hat offenbar Anspruch auf ca. 20 Mio. Euro aus diesem Topf. Wie immer bei EU-Förderungen müssen die nationalen Staaten mitfinanzieren, um die Fördergelder zu erhalten. Für Deutschland beläuft sich diese Kofinanzierung auf etwa die gleiche Summe wie die EU-Förderung, also ebenfalls ca. 20 Mio. Euro. Theoretisch stünden also ab Herbst 40 Mio. Euro für ein Schulobstprogramm zur Verfügung. Sehr bedauerlich wäre es, wenn diese einmalige Chance, Kindern einen regelmäßigen Obst- und Gemüseverzehr nahe zu bringen nicht genutzt würde. Vor allem Kinder aus sozial benachteiligten Familien würden davon profitieren. Bis dato konnten sich Bund und Länder leider noch nicht einigen, wer die deutsche Kofinanzierung aufbringen soll.
Dr. Helmut Oberritter, Geschäftsführer der DGE, hält ein Schulfruchtprogramm in Deutschland für unverzichtbar: „Ein nationales Schulfruchtprogramm wäre aus Sicht der DGE und der 5 am Tag-Kampagne ein wesentlicher Schritt, um Kinder und Jugendliche an eine obst- und gemüsereiche Ernährung heranzuführen. Eine solche Ernährung beinhaltet ein großes Präventionspotenzial in Bezug auf die Entstehung ernährungsmitbedingter Krankheiten.“
Ziel der deutschlandweiten, von der DGE unterstützten 5 am Tag-Kampagne ist es, die Bundesbürger zu einem regelmäßigen, höheren Verzehr von Obst und Gemüse zu motivieren. Breitenwirksame Maßnahmen der Ernährungsaufklärung und -bildung sind wichtig, Bewusstsein über eine vollwertige Ernährung zu schaffen, bewirken aber keine unmittelbare Änderung des Ernährungsverhaltens. Wenn Verhalten schwer zu ändern ist, muss man die Verhältnisse, in denen die Menschen leben, ändern. Eine Erfolg versprechende Maßnahme der Verhältnisprävention ist es, Menschen einen leichten Zugang zu Obst und Gemüse zu schaffen. Schulen sind dafür ideal: Wird Kindern und Jugendlichen dort Obst und Gemüse angeboten, steigert dies messbar den Verzehr dieser Lebensmittelgruppe. Wissenschaftliche Untersuchungen zu Schulfruchtprogrammen zeigen in vielen Ländern gute Erfolge und belegen deren Nachhaltigkeit. Insbesondere Teilnehmer kostenloser Schulfruchtprogramme verzehren auch mit längerem zeitlichem Abstand zur Intervention noch deutlich mehr Obst und Gemüse als Nichtteilnehmer. Noch gibt es in Deutschland keine vergleichbaren Programme.
Die Chance, das Schulobstprogramm der EU in Deutschland zu etablieren, sollte aus Sicht der DGE unbedingt genutzt werden. Die deutschlandweite Umsetzung wäre ein entscheidender Schritt für die Verankerung einer besseren Ernährung. Es werden zudem Zielgruppen erreicht, die für klassische Aufklärungsmaßnahmen kaum empfänglich sind. Zumal auch das Pilotprojekt in Schulen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz erste Erfolge zeigt. Dieses führt der 5 am Tag e. V. im Auftrag und mit Förderung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) durch. Untersucht wird, ob und unter welchen Bedingungen die kostenlose Verteilung von Obst und Gemüse an Schulen möglich ist und wie sie die Ernährungsgewohnheiten der Kinder und Jugendlichen ändert. Die Ergebnisse des Zwischenberichts zeigen, dass die Schüler das verteilte Obst und Gemüse gerne essen. Was geliefert wird, wird gegessen und nicht weggeworfen. Reste werden untereinander verteilt. Das Obst wird Wert geschätzt, weil die Kinder das Geschenk auch als Wertschätzung ihrer Person wahrnehmen und die Verteilung ist einfach, hygienisch und macht keine Probleme.
Der Ernährungsbericht 2008 der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) stellt fest, dass Kinder und Jugendliche, gemessen an den empfohlenen Lebensmittelmengen, zu wenig pflanzliche Lebensmittel und mit zunehmendem Alter zu viel fettreiche tierische Lebensmittel konsumieren. Beim Gemüse- und Obstverzehr werden die empfohlenen Mengen bei Weitem nicht erreicht. Empfohlen werden 5 Portionen Gemüse und Obst pro Tag für Kinder, Jugendliche und Erwachsene – kleinere Portionen für Kinder, größere für Erwachsene. Gemüse und Obst sind für Ernährung und Gesundheit so bedeutsam, weil sie kaum Kalorien liefern, wenig Fett enthalten und reich an lebensnotwendigen Nährstoffen, Ballaststoffen und gesundheitsfördernden Substanzen sind. Aufgrund ihres hohen Wasser- und Ballaststoffgehalts haben Obst und vor allem Gemüse ein großes Volumen und eine geringe Energiedichte (Kalorien pro Gramm Lebensmittel), damit sind sie gute Sattmacher. Für Herz-Kreislauf-Krankheiten, Schlaganfall und den weit verbreiteten Bluthochdruck existiert eine überzeugende wissenschaftliche Beweislage, dass eine Erhöhung des Verzehrs von Obst und Gemüse das Erkrankungsrisiko reduziert1. Eine Bewertung des krebspräventiven Potenzials von Gemüse und Obst durch den World Cancer Research Fund (WCRF, 2007) sowie durch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung im Ernährungsbericht 2008 ergab ebenfalls einen protektiven Effekt eines hohen Verzehrs für einige Krebserkrankungen, insbesondere Krebsarten des oberen Verdauungstraktes sowie Magen- und Dickdarmkrebs. Der Verzehr von Obst und Gemüse kann möglicherweise auch einer Entstehung von Übergewicht entgegenwirken und somit indirekt das Risiko damit zusammenhängender Krankheiten senken.