Lebensmittel auf dem Prüfstand: “Originell“ statt Original
„Konsument“: Klare Kennzeichnung für Lebensmittel gefordert!
Analogkäse und Wasserschinken sind seit einiger Zeit in aller Munde. Selbst wenn
diese – unter Einhaltung hygienischer Standards – keine Gesundheitsgefährdung
darstellen, ist die Verunsicherung der Konsumenten hinsichtlich der Qualität unserer
Lebensmittel groß.
„Konsument“ hat sich aus aktuellem Anlass auf Einkaufstour
begeben, um Mogeleien im Lebensmittelbereich auf die Spur zu kommen.
Fazit:
Analogkäse und Wasserschinken sind nur die Spitze des Eisberges.
„Rindsrouladen aus Formfleisch, Himbeerkracherl ohne Himbeer, Schokomilch mit
Kakaopulver oder Erdbeerjoghurt mit sage und schreibe 1 (!) Prozent Erdbeeranteil.
Das Ausmaß der fehlleitenden Kennzeichnung hat abseits von Analogkäse und
Wasserschinken eine enorme Bandbreite entwickelt, da hilft oft nur der genaue Blick
auf die Zutatenliste“, zieht Birgit Beck, „Konsument“-Ernährungswissenschafterin,
Bilanz.
„Unsere Nachforschungen zeigen, dass mit dem Vertrauen der Konsumenten
Schindluder betrieben wird“, kritisiert Franz Floss, Geschäftsführer des Vereins für
Konsumenteninformation (VKI). „Wir haben Lebensmittelimitate ohne klare
Kennzeichnung sowie phantasievolle Variationen und Abbildungen gefunden, die bei
weitem mehr suggerieren, als tatsächlich der Fall ist. Dass eine solche
Vorgehensweise dazu geeignet ist, die Konsumenten in die Irre zu führen, wird uns in
zahlreichen Briefen und Anrufen erboster Konsumenten klar vor Augen geführt.
Imitate sind daher klar zu kennzeichnen und bildliche Darstellungen wahrheitsgetreu
auf den Verpackungen anzubringen. Ein Mehr an Produktwahrheit liegt nicht nur im
Interesse der Konsumenten, sondern letztlich auch der Produzenten: Denn sonst folgt
die Enttäuschung auf dem Fuß.“
Versprechungen versus Realität
Rund 60 Produkte hat „Konsument“-Ernährungswissenschafterin Birgit Beck stichprobenartig
im Rahmen einer Einkaufstour in den Warenkorb gefüllt: darunter Zitronenlimonade,
Erdbeerjoghurt, Pesto, Kürbiscremesuppe, Garnelen, Schafkäse, Rindsrouladen,
Schokomilch, Früchtetee und Thunfischaufstrich – zumindest vermeintlich. Ein genauerer
Blick auf die Zutatenliste zeigt: Der Inhalt hält mit den Versprechungen bzw. dem Erwarteten
nicht immer Schritt – was sowohl für Billigprodukte als auch für Markenprodukte gilt. Da wird
das ganze Rahmschnitzerl schon auch mal zum Formfleisch, der Schaf(misch)käse zu
Magermilch und Pflanzenöl in Salzlake, oder der Vanilletraum zum Milchmischgetränk mit
Beta Carotin und Aroma – ohne echte Vanille.
Der Konsument wird an der Nase herumgeführt
Imitationen finden sich vielfach: Ob nun begünstigt durch bildliche Darstellungen, eine
geringere Menge an Inhaltsstoffen, ausgeklügelte Produktbeschriftungen oder das bewusste
Spiel mit Assoziationen. Wer hinterfragt etwa, ob die angepriesene Schokomilch nicht doch
aus Kakaopulver und Aroma besteht oder die in Schokolade getunkten Enden der
Linzerkipferl letztlich doch nur aus kakaohaltiger Fettglasur bestehen? Für manchen mag der
Unterschied von Kakao und Schokolade ohnehin vernachlässigbar sein – in der „Geldbörse“
der Produzenten ist er es nicht.
Großes Täuschungspotential haben auch die Aromen: Eines der wohl beliebtesten ist die
Vanille, ob nun in der vermeintlichen Vanilletopfencreme, dem Milchmischgetränk oder dem
Vanilleeis – die dann allesamt ohne Vanilleschoten selbst auskommen.
Doch auch in
Keksen, Pudding, Limonaden oder Cappuccino tummeln sich die Aromen, ob nun mit
Erdbeer-, Zitrone-, Himbeer- oder Haselnuss-Geschmack. „Nicht selten werden dabei auf
den Verpackungen Abbildungen von Früchten geboten, die in Wirklichkeit nicht annähernd
enthalten sind und zur Irritation der Verbraucher beitragen“, beanstandet Birgit Beck.
Die Grenze zwischen Aufmachung und Inhalt verschwimmt nicht zuletzt dann, wenn zwar die
angepriesenen Inhaltsstoffe tatsächlich enthalten sind – allerdings nur in sehr geringer
Menge: etwa das Erdbeerjoghurt mit nur einem Prozent Erdbeeren, oder die
Kürbiscremesuppe mit nur neun Prozent Kürbis. Umgekehrt gibt es auch den Fall, bei dem
Produkte mit zusätzlichen billigen Zutaten gestreckt werden: So enthält etwa ein Pesto in der
Erhebung zusätzliche Zutaten wie Molke und Reismehl, die in einem klassischen Pesto
nichts verloren haben. Abgesehen davon wurden die Pinienkerne in diesem Fall mit
Cashewkernen ersetzt und Olivenöl zum größten Teil mit Sonnenblumenöl – à la: „Es merkt
keiner, wenn’s auch billiger geht.“
Klare Kennzeichnung nötig
„Die Produkte müssen nicht per se schlechter sein, so hat etwa Schinken mit mehr Wasser
zugleich auch weniger Kalorien. Unter Einhaltung hygienischer Standards stellen all diese
Produkte – maßvoll genossen – keine Gesundheitsgefährdung dar. Dreh- und Angelpunkt ist
aber nicht, ob die Produkte gesund oder schädlich sind, sondern die mögliche
Verbrauchertäuschung und deren Ausmaß“, kritisiert Birgit Beck.
Konsumenten, die auf
Nummer sicher gehen möchten, rät die „Konsument“-Ernährungswissenschafterin zum
genauen Blick auf die Zutatenliste: „Je kürzer und einfacher diese ist, umso besser. Je mehr
E-Nennungen darauf zu finden sind, desto länger wurde das Produkt verarbeitet.“ Zudem
steht auf verpackten Produkten eine Zutatenliste. Die Zutaten sind mengenmäßig gereiht,
d.h. das was als erstes steht, ist am meisten drinnen. Steht z.B. Aroma vor dem Käse, ist
mehr Aroma als Käse enthalten.
„Die feinen Unterschiede zwischen Original und Imitat sind aber selbst für Experten nicht
immer einfach sichtbar. Umso notwendiger ist eine verpflichtende und unmissverständliche
Kennzeichnung von Lebensmittelimitaten – und zwar auf europäischer Ebene“, fordert Franz
Floss, Geschäftsführer und Leiter des Bereichs Untersuchung beim VKI im Gourmet Report Interview. „Selbst wenn
gewisse Ersatzstoffe einigen Zielgruppen durchaus recht kommen, etwa wenn sich
Käseimitate auch für Veganer oder Menschen mit Lactoseintoleranz eignen: Wenn Käse
draufsteht, dann soll er auch drinnen sein.“
SERVICE: Die Liste mit sämtlichen Produkten der Erhebung steht ab sofort unter
www.konsument.at zum Download bereit.