Ma Tim Raue ist Restaurant des Monats bei gusto
Ma Tim Raue
Behrenstrasse 72, 10117 Berlin
Tel.: 030-301117337, www.ma-restaurants.de
Di-Sa 12.30-14 Uhr u. ab 19 Uhr, HG: 50-80 Euro, M: 98-128 Euro
Begleitet von großem Marketing-Trara und der ungeteilten Aufmerksamkeit nahezu sämtlicher Medien wurde letztes Jahr mit dem Ma Tim Raue das Flaggschiff der neuen Adlon-Restaurantkollektion vom Stapel gelassen. Seither ist das Gourmetrestaurant, das sich, neben zwei weiteren Restaurants und einer Bar, auf der Gebäuderückseite des weltbekannten Hotels am Brandenburger Tor befindet, in der Gourmetszene ungebrochen in aller Munde. Ja manche sehen in dem schon immer äußerst innovativen Küchenchef Tim Raue, der zuvor im Restaurant 44 im Swissotel nahe des Ku’damm viel von sich Reden machte, schon jetzt den ersten 3-Sterne-Koch der Bundeshauptstadt….
Zumindest das spektakuläre Ambiente könnte zweifelsohne international ganz oben mitspielen. Hier hat die Designerin Anne Maria Jagdfeld ein Umfeld geschaffen, welches dem neuen, fernöstlichen Konzept, das Raue hier nun verfolgt, ein äußerst adäquates Umfeld bietet. In dem hohen, durch Sitzgruppen aufgelockerten Raum, dessen Blickfang ein Jahrtausende altes chinesisches Tonpferd aus der Han-Dynastie ist, finden hochwertige Materialien wie Schiefer, Bronze, Jade oder Cashmere zu einem glamourös, aber nicht protzig-feudal anmutenden Ambiente zusammen.
Auch aus kulinarischer Sicht ist hier nichts von der Stange. Ganz im Gegenteil. Während das räumlich angrenzende Restaurant Uma – ebenfalls unter Raues Ägide – hochwertige japanische Küche offeriert, wird im Ma eine innovative, stark verfeinerte chinesische Küche geboten. So etwas ist hierzulande wahrlich nicht an jeder Ecke zu haben und stellt in jedem Fall einen weiteren willkommenen Farbtupfer im großen Einheitsbrei der leider immer noch stark standardisierten Gourmetküchen Deutschlands dar.
Während einer längeren kreativen Pause vor der Eröffnung, hat sich Tim Raue viel in Fernost inspirieren lassen und schließlich seinen bisherigen Stil zu kochen grundlegend verändert, um nicht zu sagen weiterentwickelt. Weg von komplexer Aromenakrobatik, hin zu einer wesentlich klarer strukturierteren, viel puristischeren Linie, so dass fortan auf den Tellern der ureigene Charakter der (teilweise sehr raren, exotischen) Viktualien viel stärker in den Mittelpunkt tritt.
Das kann dennoch unheimlich facettenreich und somit hochspannend ausfallen, etwa wenn der intensive Geschmack einer aromatischen Gurke in verschiedenen Konsistenzen (süß-sauer mariniert, als Tapioka-Kügelchen und als überraschend kräftiges Gelee) dargeboten und von Hüttenkäse (naturell und als Eis), Wasabi-Fliegenfischkaviar und Zitronenzesten kontrastreich begleitet wird. Zuvor zeigte schon das Tatar von der Gelbschwanzmakrele in Kombination mit Galgant, Koriander und grünem Apfel in Form von naturbelassener Würfelchen und Gelee, wie erfrischend, aromatisch und fein ausbalanciert diese reduzierte Küche sein kann.
Doch präsentierte sich uns längst nicht alles so ausgefeilt: Eher ein wenig enttäuschend war etwa der (an sich großartige) zart pochierte, herrlich festfleischige Steinköhler, der leider mit seiner Entourage aus Frühlingslauch-/Ingwer-Crème und süßsaurer Ingwerstaude recht eindimensional, ja fast karg ausfiel. Auch die katalanische Seegurke mit ihrer gummihaften Haptik, blieb, trotz der auf dem Papier animierend klingenden Liaison mit Petersiliencrème, Petersilienwurzel, Zitronenschale und Zitronenfilet sowie Nussbutterschaum, eher ein recht unauffälliges Kostpröbchen (mehr war es auch quantitativ nicht).
Als echtes Highlight indes rutschte das zartschmelzige, intensivaromatische Schweinekinn über den Gaumen, das von Blutorangensud mit Tomatenkernen und Kumquats ein schön erfrischendes Gegengewicht bekam, und dem das (selbst dosierbare) Sternaniscrumble reizvolle Aromatik und etwas Crunchiges fürs Mundgefühl beisteuerte – ein spannungsgeladener Geniestreich, der in seiner Stilistik an die geniale Nürnberger Essigbrätlein-Küche erinnerte.
Leider folgte daraufhin die Enttäuschung des Abends, nämlich ein schlichtweg zu heiß und zu kurz gebratenes Kalbsfilet (außen völlig trocken, innen noch roh), dessen von Aktivkohle bestäubtes Äußeres den haptischen Eindruck leider auch optisch forcierte. Dazu ledrig-zäher Porree mit Apfelkompott auf Zwiebelcrème und diffuse Kohlestaub-Trüffel-Sauce in Verbindung mit Meerrettichsaft und – vollkommen überflüssig – geklärter Butter.
Wer erkunden möchte, warum in China der getrocknete Speichel vom Mauersegler als ganz besondere Delikatesse gilt, der nehme zum süßen Abschluss ein in Lychee-Saft gekochtes Schwalbennest mit Pondicherypfeffer-Baisser und Zitronengraseis. Weil sich uns der kulinarische Reiz dieser galertartigen Masse, die ein wenig an Glasnudeln erinnert, bislang noch nicht erschlossen hat, goutierten wir lieber zunächst das köstliche Ziegenmilch-Eis am Stiel, das von weißer Schokolade umhüllt und mit Fenchelpollen aromatisiert war. Danach bot eine sehr pfiffig mit Purple Curry gewürzte Brombeercrème mit grünem Apfel, Brombeeren und Rosmarin-Eis ein gelungen kreatives Finale.
Zweifelsohne bietet Tim Raue im Ma (übrigens der chinesische Name für Pferd), neben seinem Kollegen Michael Hofmann vom Margaux, die kreativste und auch eigenständigste Gourmetküche in Berlin. Sein Konzept einer entschlackten, geradlinigen und sehr hochwertigen Produktküche auf Basis der chinesischen Kochkunst setzt er überzeugend und konsequent um. Dabei geht er sogar so weit, zu Beginn nicht nur auf Brot und Butter zu verzichten, sondern auch die klassischen Sättigungsbeilagen wie Reis, Nudeln oder Kartoffeln gänzlich wegzulassen. Entsprechend leicht und unbeschwert erhebt man sich nach einem ausgedehnten Mal vom Tisch und hatte in jedem Fall ein kulinarisches Erlebnis der außergewöhnlicheren Art. Von den höchsten Weihen nach mitteleuropäischer Messlatte ist die Küche unserer Ansicht nach noch ein gutes Stückchen entfernt.
Das Thema Wein angeht, stehen dieser, schon ob ihrer Grundschärfe nicht immer leicht zu begleitenden Küche zum Beispiel zahlreiche deutsche Riesling-Spätlesen als adäquat korrespondierende Partner zur Verfügung. Aber auch sonst ist auf der nicht zu umfangreichen Weinkarte für nahezu jede vinophile Vorliebe etwas zu haben. Die junge Servicebrigade agiert freundlich und zuvorkommend – allerdings längst nicht so versiert, wie man es aus den meisten Häusern dieser (Preis-) Klasse kennt.