Restaurantkritik: Gendamerie, Berlin

Der Berliner Restaurantkritiker Niko Rechenberg besucht die Gendamerie am Berliner Gendarmenmarkt – sein Urteil: „Restaurant Gendarmerie ist Berlins neue Touristen-Falle“

Josef Laggner versucht im Handstreich, das Grill Royal und das Borchardt zu deklassieren. Es bleibt beim Versuch: Schiere Größe ist noch keine Vision

Was beim Besuch der Gendarmerie sofort an Paris erinnert? Die arrogante Unsitte, Gäste ohne Reservierung auch am luftigen Nachmittag an schlechten Tischen zu platzieren. Wenn der Gast geht, ist das Restaurant so leer wie vorher, aber der Maitre und sein Service konnten blasierte Unflexibilität demonstrieren.

Sie ist also endlich geöffnet, die Gendarmerie, das neue Flaggschiff von Gastronom Josef Laggner am Gendarmenmarkt. Ein quadratischer, pflegeleicht wirkender Raum mit extrem hoher Decke und der Atmosphäre einer Wartehalle im Berliner Hauptbahnhof. Der Eindruck wird durch hässliche Leuchter an der Decke unterstrichen: Die Harmonie fehlt, wer das überdimensionierte Wandgemälde mag, hat es etwas leichter mit dem Raumempfinden.

Die gastronomische Einrichtung ist gekonnt: cognacfarbene Lederbänke dominieren, sie durchziehen auf schwerem, elegant-dunklem Parkett den Saal. Die Bar soll Metropolen-Charakter symbolisieren. Die Karte präsentiert internationalen Brassserie- und Grill-Standard: Lammcarré für 26 Euro, das Rib-eye-Steak für 28 Euro und die Meeresfrüchteplatte für 35 Euro pro Person sind die Klassiker.

Wir hatten einen ausgezeichneten Caesar Salat (8 Euro), sehr gutes Rindertatar (16 Euro) und wunderbare Spargel-Torteleci mit Kerbelschaum von der Mittagskarte (9,50 Euro). Die Gerichte kamen alle mit perfekter Optik und auf dem Punkt. Am Essen gibt es also nichts auszusetzen, hier zahlt sich die langjährige Beratung durch den alten Haudegen Rolf Schmidt aus. Koch Axel Burmeister kommt aus dem Hotel Esplanade und zeichnet nun für die Karte verantwortlich.

Die Gendarmerie ist im Niveau deutlich oberhalb der „Lutter & Wegner“-Kette von Laggner angesiedelt. Das war auch notwendig. In diesen Läden bis hin zur Fischerhütte am Schlachtensee versuchen sich Service und Speisequalitäten gegenseitig zu unterbieten. Nie werde ich vergessen, wie Josef Laggner einmal meinen Hinweis: „Die Gulaschsuppe ist aber sehr wässrig“, mit breitem Grinsen konterte: „Du hast recht“.

Schiere Größe ist noch keine Vision und wird es allein nicht richten. 180 Plätze innen, 90 außen müssen gefüllt werden, weitere Neben-Restaurants kommen im Herbst hinzu. Da gibt es gelungenere Beispiele aus Moskau, wo es ein Anatoly Novikov schafft, jedes seiner knapp 50 Restaurants eigenständig wirken zu lassen. Und Josef Laggner ist erst bei 21 angekommen.

So erkennt man als Konzept nur clevere Massenkompatibilität, die größere Mengen Touristen an die Spitzen-Lage am Gendarmenmarkt ziehen soll. Wenn die Gendarmerie demnächst also besser gefüllt ist, mag sie ihren Charme entfalten. Laggner muss nur äußerst diszipliniert vorgehen, damit sein Prunkstück nicht vom „Lutter & Wegner“ Massen-Virus infiziert wird.

Dagegen hilft Einzigartigkeit. Und vor allem: ein Maitre, der leger dirigiert und den Überblick behält. Einer vom Format eines Boris Radczun oder Rainer Möckel. Solange so ein Kaliber fehlt, gehen die Berliner weiterhin ins Grill Royal und Borchardt, ins Aigner, Bocca di Bacco und ins Entrecote.

Gendarmerie, 10117 Berlin, Behrenstraße 42, Tel: 767 7527-0

Niko Rechenberg ist der Macher von www.nikos-weinwelten.de

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