Eine Reise in Vergangenheit und Zukunft
Restaurant- Tip
Oben ist angesagt. Da kann man so schön weit gucken. Und auf andere herabschauen. Essen mit Ausblick ist der Restaurant-Trend der Hauptstadt. Den Anfang machte das „Hugos“ im 13. Stock des Hotels „Intercontinental“, dann das „40seconds“, ein Tanzrestaurant an der Potsdamer Straße mit Traumblick über das Kulturforum. Auch das „E-Werk“ zieht als Veranstaltungs-Plattform seine Gäste an.
Jetzt das „Solar“ am Anhalter Bahnhof. Es ist in das zweistöckige Glas-Penthouse im 16. und 17. Stock des schrulligen 70er-Jahre-Hochhauses gezogen. Die Glasfront soll zu Mauerzeiten von der CIA mitgenutzt worden sein – mit von außen verspiegelten Fenstern, um den Osten auszukundschaften.
Der legendäre Außenfahrstuhl könnte in einem Spionagethriller mitspielen, er hat Westberliner Geschichte geschrieben. Er führte damals zur legendären Diskothek „Turn-Tower“, Marihuana-Dämpfe zogen durch die Etagen, die damals wirkten, als sei David Bowie regelmäßig an der Bar versackt.
Wer den Weg zwischen „Suite-Hotel“ und Kegelbahn gefunden hat, erfreut sich an den herrlichen Feuerquallen-Lampen im Eingangs-Foyer und gibt den Mantel ab. Das erste Kribbeln beginnt, wenn der Fahrstuhl die Hinterhof-Höhe verläßt und wie frei schwebend den Blick auf Kreuzberg und Potsdamer Platz freigibt. Der Gast sollte schwindelfrei sein.
Oben wirkt das Penthouse wie ein Adler-Horst, weiße Sofalandschaften, helle Lederbänke, riesige Fensterfronten, verschiedene Loungeareale mit Schaukelbänken und kleinen Logen. Über den Tischen hängen schöne Leuchten. Eine Wendeltreppe führt in die zweite Etage, in der ebenfalls Lounge- und Barbetrieb herrscht.
Die Mischung ist vibrierend, Typen mit T-Shirts und Turnschuhen sitzen neben älteren Herrschaften, die ihre Kinder im Twen-Alter ausführen. Tolle Weltstadtatmosphäre, locker und easy wie die Bedienungen.
Die Speisekarte wimmelt nur so von sprachlichen Platitüden und ist sehr klein gehalten – die einzige Überlebenschance für den Koch, das Restaurant ist meistens ausgebucht, am Wochenende ist kein Platz mehr zu bekommen.
Trotz der freiwilligen Beschränkung ist aber nicht alles perfekt. Die gratinierte Jacobsmuschel (7,90 Euro) ist nicht ganz frisch und riecht nach Fisch, die Zander-Lachs-Roulade dazu ist gelungen, das gegrillte Thunfisch-Steak mit Marktgemüse (17,50 Euro) ist mit einer feurigen Marinade angemacht, das große Steak sollte schärfer angebraten sein. Der Damhirsch in Kräuterpanade (18,90 Euro) ist von guter Qualität, das Feldgemüse und das Kartoffelpüree wirken etwas altbacken. Wie wär’s statt dessen mit Spaghettini dazu?
Um nicht mißverstanden zu werden, die Küche ist durchaus adäquat und aromatisch, sie hat nur keinen höheren Drang auf ein Gourmetniveau, das hier auch völlig unangebracht wäre.
Die Weinkarte ist stark erweiterungsfähig, aber die meisten Gäste trinken Bier oder Cocktails. Das „Solar“ ist ein schöner Abendspaß, paßt zur dynamischer werdenden Gastroszene der Stadt.
-Solar
Stresemannstraße 76, Tel: 0163/765 27 00, www.solar-berlin.de
Offen: So-Do 18-2, Fr-Sa 18-5 Uhr
Plätze: 150 Karten: alle
Fazit: Eine coole Mischung aus „Café del Mar“ und „Spindler & Klatt“. Unbedingt reservieren, am besten am X-förmigen Show-Tisch im vorderen Bereich. Nikolas Rechenberg
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