Backen der Zukunft

Bäckereitechnologen des ttz Bremerhaven optimieren Abläufe und Techniken des
Backens

EIBT-Qualitätssiegel für ausgereifte Entkeimungs-technologie
Teigrohlinge brauchen ein homogenes Milieu von Feuchtigkeit und Wärme, um
aufgehen zu können. Leider ist der Platz an dem die Rohlinge in der Bäckerei
ruhen, die Gärtücher auf dem Gärgutträger, auch optimaler Nährboden für
Schimmelpilze. Eine schonende und effiziente Entkeimung gelang den
Wissenschaftlern des ttz Bremerhaven mit IR-Strahlung, sogenannten
Carbon-Infrarot-Strahlern. In einer aufwändigen Studie ermittelten die
Wissenschaftler die notwendige Zeit, Temperatur und Feuchtigkeit für den
Entkeimungsvorgang. Dabei verfolgten Sie das Ziel, die Keime durch
kontrollierte Hitze einfach, schnell und sicher zu entfernen.

In der Vergangenheit wurde in Bäckereien meist mit
ultraviolettem Licht gearbeitet, das aber nur Keime an der Oberfläche
vernichtet und nicht die gewünschte Tiefenwirkung hat. Als Alternative blieb
nur das Waschen der Gärtücher, welches die Berufsgenossenschaft vor dem
Hintergrund der Hygieneverordnung als bisher wirksamste Methode empfahl.
Die IR-Strahlung kann im Gegensatz zum UV-Licht kurzzeitig Temperaturen von
bis zu 160 Grad erzeugen und in die Tiefe vordringen. „Wir haben
herausgefunden, dass bereits bei 130 bis 140 Grad und einer Einwirkzeit
weniger als 30 Sekunden ein ausreichender Entkeimungseffekt eintritt,“
erklärt Prof. Dr. Klaus Lösche, wissenschaftlicher Leiter des Bereiches
Bäckerei- und Getreidetechnologie (EIBT) des ttz Bremerhaven. Leicht in der
Praxis anwendbar durchdringen die IR-Strahlen auch dickere Keimschichten,
poröse Oberflächen oder Staubpartikel. Die Bekämpfung der Schimmelpilze ist
unverzichtbar, denn diese sind nicht nur gesundheitsschädlich, sondern
können auch das Backergebnis negativ beeinflussen.
Diese neuartige Entkeimungstechnik stammt von der Heraeus Noblelight GmbH,
welche sich mit ihrer Neuentwicklung an das EIBT des ttz Bremerhaven wandte,
um den Einsatz der neuen Strahler wissenschaftlich prüfen und optimieren zu
lassen. Damit steht dem Backbetrieb ein einfaches und sicheres Verfahren zur
Verfügung, das den Anforderungen der Hygieneverordnung entspricht und den
Betriebsablauf nicht störend unterbricht.

Gären, Kneten und Backen nach Maß

Neben der Untersuchung von IR-Strahlern arbeiten die Bäckereiexperten auch
an der Entwicklung weiterer Verfahrenstechniken im Bereich der Klima- und
Kältetechnik, Ofentechnologie sowie Teigverarbeitung. Derzeit wird an der
Entwicklung eines Knetverfahrens zur Einbringung von Sauerstoff durch eine
spezielle Schüttwasserdosierung in Teigen gearbeitet. Eins der Ziele dieses
Forschungsprojektes ist, die Kleberbildung und damit die Teigentwicklung
während des Knetprozesses gezielt und steuerbar zu beeinflussen.

Ins Innenleben der Backware vordringen

Im Rahmen ihrer Qualitätssicherung beschäftigen sich die Wissenschaftler des
ttz Bremerhaven (EIBT) aber nicht nur mit der Entwicklung und
Prozessoptimierung neuer Technologien. „Die Bäcker, die zu unseren Seminaren
kommen, wollen verstehen, was im Inneren der Backware passiert.

Es gilt zu
hinterfragen, welche Funktion zum Beispiel Backmittelbestandteile wie DAWE
haben und ob sie wirklich notwendig sind.“ Dabei geht es Irene Mínguez,
Gruppenleiterin des EIBT, vor allem um die Enzyme im Teig. Die Mitarbeiter
des EIBT entwickelten unter der Leitung von Prof. Dr. Lösche das sogenannte
BILB-Verfahren, bei dem auf deklarierungspflichtige Backzusätze und die
energieintensive Schockfrostung verzichtet werden kann. „Wir aktivieren die
natürlichen Enzyme, die im Mehl enthalten sind. Durch diese Aktivierung
tritt der Teig in einen natürlichen Fermentationsprozess* ein, der nicht
abrupt durch eine Schockfrostung unterbrochen werden muss. Außerdem erspart
man sich gleichzeitig den Zusatz bestimmter chemischer Additive,“ erläutert
Lösche. Vorteil für die Bäcker ist, dass der ungefrorene Teig durch diese
natürlich regulierte Fermentation bei plus vier Grad Celsius bis zu 24
Stunden gelagert werden kann. „So können Produktionsspitzen abgefangen und
Produktionskapazitäten besser ausgelastet werden,“ fügt Lösche hinzu.

Studien des ttz Bremerhaven (EIBT) zeigten außerdem, dass Backwaren dank des
beschriebenen BILB-Verfahrens deutlich besser in der Qualität sind. Sowohl
Rösche und Krume als auch der Geschmack profitierten durch den Einsatz
derartiger Gärsteuerungsverfahren.
Umfassendes und unabhängiges Know-how für qualitativ hochwertige Backwaren
Mit seinem Know-how unterstützt das EIBT des ttz Bremerhaven als
unabhängiger Forschungsdienstleister Partner aus Industrie und Handwerk der
Bäckerei- und Getreidebranche. „Mit unseren Partnern entwickeln wir
Rezepturen und innovative Verfahren für den gesamten
Backwarenherstellungsprozess. Bei allen Forschungsaktivitäten verfolgen wir
das Ziel qualitativ hochwertige und geschmackvolle Backwaren zu entwickeln,“
erläutert Irene Mínguez. Für die Qualitätssicherung stehen
Standardanalysemethoden und eine spezifische Analytik zur Rohstoff-,
Verfahrens- und Produktcharakterisierung zur Verfügung. Neue Erkenntnisse
werden den Mitgliedern der Branche in Seminaren und Workshops vermittelt.

Mit dem EIBT (European Institute of Baking Technology) werden die nationalen
und internationalen Aktivitäten des ttz Bremerhaven auf dem Gebiet der
Bäckerei- und Getreidetechnologie zusammengefasst. Das Angebot des EIBT
beinhaltet die spezifische Betreuung von Unternehmen aus der Backbranche und
deren Umfeld, Industrie wie Handwerk: angefangen bei der innovativen
Produktidee über die praktische Umsetzung bis zur Marktreife des Produkts.

*Der aus der Aktivierung der natürlichen Enzyme entstehende Gärprozess wird
in der Fachsprache Fermentation genannt.

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