Actimel von Danone

Activer Etikettenschwindel

An die Spitze geworben
Eine Milliarde Euro Umsatz weltweit (2006), 265 Millionen Euro davon in
Deutschland, drittstärkste Marke im deutschen Einzelhandel und
umsatzstärkstes Produkt im Kühlregal: Actimel ist ein einziger Superlativ. Auf
die Sprünge hilft der Hersteller dem Erfolg nicht nur mit einem jährlichen
Werbeetat von 50 bis 60 Millionen Euro allein in Deutschland, sondern auch mit
großzügigem Sponsoring wissenschaftlicher Belege für die angeblich besondere
Wirksamkeit. Die Studien zeigen so einiges – vor allem aber eines: Danone
macht aus einer Mücke einen Elefanten. Und zieht Verbrauchern mithilfe einer
immensen Werbemaschinerie dreist das Geld aus der Tasche.

Gute Bakterien, schlechte Bakterien

Der Darm spielt für die Immunabwehr eine wichtige Rolle. Danone wirbt damit,
dass die probiotische Actimel-Joghurtkultur mit dem klangvollen Namen
„Defensis“ die „Abwehrkräfte activiert“. Sie würde helfen, „unerwünschte
Bakterien“ abzuwehren und die „Produktion lebenswichtiger Abwehrzellen
ankurbeln“. Und so viel bakteriellen Heldenmut lässt Danone sich teuer
bezahlen – Actimel kostet etwa viermal so viel wie mancher Naturjoghurt. Nur:
So besonders heldenhaft ist Actimel gar nicht. Denn jeder Joghurt hat „gute“
Bakterien, die „schlechte“ abwehren und das Immunsystem trainieren. Ganz
ohne „Defensis“.

Wer misst, der findet auch etwas

In einer Fernsehwerbung empfiehlt Danone, sich mit Actimel „wetterfest zu
machen“. Zitiert wird dabei eine „wissenschaftliche Studie“, die gezeigt habe,
dass Actimel die „Aktivität körpereigener Immunzellen um 25% steigern kann“.
Ein echtes Gesundheits-Wundermittel gegen Schmuddelwetter-Erkältungen also?
Nein, denn die im Labor gemessene „Aktivität der Immunzellen“ sagt erst
einmal herzlich wenig über die winterliche Schnupfenrealität aus. Keine der
Studien, die Danone so gern aus der Tasche zieht, beweist nämlich, dass Actimel
vor Erkältungen schützt. Und allgemein „aktiviert“ wird das Immunsystem auch
durch Kefir oder Sauerkraut.

Actimel activiert Wissenschaftler

Viele der von Danone präsentierten Studien belegen, dass Actimel eine Wirkung
auf Darmflora und Immunsystem zeigt. Das ist allerdings auch kein Wunder,
denn diese Wirkung zeigt jeder Joghurt. Die Universität Wien hat genauer
untersucht, wie das Immunsystem auf Actimel und wie es auf Naturjoghurt
reagiert. Das Ergebnis: Es gab kaum Unterschiede. Danone hat diese Studie
sogar mitfinanziert. Allerdings taucht das Ergebnis nirgends auf der Actimel-
Homepage auf, die sonst nicht mit Verweisen auf wissenschaftliche Studien
geizt. Aber Studien, die nicht ins Werbekonzept passen, würden die Verbraucher
aus Sicht von Danone wahrscheinlich nur abschrecken.

Ohne Arzt und Apotheker

Damit Joghurtbakterien eine Wirkung auf das Immunsystem entfalten können,
muss man sie regelmäßig zu sich nehmen. Das gilt für Naturjoghurt genauso
wie für Actimel. Im Fall von Actimel wird das jedoch schnell zu einer teuren
Angelegenheit. Denn das angebliche Abwehr-Wunder kostet etwa viermal so viel
wie der Naturjoghurt einer Handelsmarke, auch wenn Actimel nicht viel mehr
kann als dieser. Wenn es das könnte, also das Immunsystem „renovieren“ oder
deutlich verändern, dann wäre es ein Arzneimittel. Und dürfte gar nicht im
Supermarkt verkauft werden.

Investition in Zucker

Gut für den Darm und damit für das Immunsystem sind alle milchsauren
Produkte – zum Beispiel Kefir, Sauerkraut oder Joghurt. In einigen Studien
schneiden probiotische Produkte in der Behandlung von Durchfällen etwas
besser ab als normaler Joghurt. Aber die Investition in Actimel lohnt sich
trotzdem nicht. Nicht nur, weil es gesunden Menschen im Vergleich zu
Naturjoghurt kaum nennenswerte Vorteile bringt. Sondern weil Actimel eine
richtige Zuckerbombe ist. Ein Zuckeranteil von zehn bis zwölf Prozent macht
den angeblichen Gesundmacher nämlich zu einer flüssigen Süßigkeit.

Verbraucher-Abwehr-Kraft

Actimel ist eines der am heftigsten beworbenen Produkte in Deutschland. In
Großbritannien musste Danone 2006 nach Beschwerden von Zuschauern einen
Spot wegen irreführender Werbeaussagen zurückziehen. Darin wurde behauptet,
Actimel mache „schlechten“ Bakterien „das Leben schwerer“ und unterstütze
„die natürlichen Abwehrkräfte“ von Kindern. In den USA bereitet eine Kanzlei
derweil offenbar wegen irreführender Werbung eine Sammelklage von
Verbrauchern gegen Danone vor. Mit so einer „Aktivierung“ der „Abwehrkräfte“
von Verbrauchern hat Danone wohl nicht gerechnet.

Geliehene Glaubwürdigkeit

Danone bemüht sich, den vollmundigen Werbeversprechen auf der Actimel-
Homepage wissenschaftliche Glaubwürdigkeit zu verleihen. Allerdings weniger
durch überzeugende Fakten als durch Bilder von weiß bekittelten
Wissenschaftlern. Aber der Joghurtkonzern geht noch ganz andere Wege. In
Wartezimmern von Arztpraxen können Patienten zum Beispiel auf Actimel-
Gutscheine stoßen. Dreist nutzt Danone das vertrauensvolle und glaubwürdige
Umfeld einer Arztpraxis aus, um sein Produkt zu bewerben. Aber die geliehene
Glaubwürdigkeit trügt: Actimel ist kein Gesundheitsprodukt, sondern ein teurer
Zuckerdrink.

Mehr über solche fragwürdigen Produkte: www.abgespeist.de

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