Was hat Nährwertkennzeichnung mit toten Pferden zu tun?

Neues von Ampel & Co.
Was hat Nährwertkennzeichnung mit toten Pferden zu tun?

Kleine bunte Nährwertangaben – wie auch immer sie aussehen – helfen nicht gegen Übergewicht. „Wer meint, diese Art der Verbraucheraufklärung würde zu einer Lösung der Übergewichtsproblematik führen, der setzt auf ein totgerittenes Pferd“, so das Fazit von Prof. Dr. Westenhöfer, Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg. Er hat vier verschiedene Modelle zur Nährwertkennzeichnung getestet. Unter dem Strich zeigte kein System einen positiven Effekt auf die Lebensmittelauswahl. Dass künftig alle Lebensmittel Nährstoffangaben tragen sollen, ist unstrittig. Doch wie die Angaben aussehen sollen und was das Ganze bringt, darüber lässt sich trefflich streiten. Das zeigte die 30. Ernährungsfachtagung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Sektion Sachsen in Leipzig. Heike Lemmermöhle, Verbraucherzentrale Bundesverband, VZBV e. V. präsentierte das Ampelmodell. Die Möglichkeiten einer Kennzeichnung sind zwar begrenzt, meinte sie, aber zumindest könne eine Ampelkennzeichnung das Bewusstsein schärfen. „Umfragen in anderen EU-Ländern haben gezeigt, dass die Ampel einfacher und schneller nutzbar ist als andere Modelle“, sagte sie. Das Modell sei intuitiv verständlich, basiere auf einer industrieunabhängigen Bewertung und beziehe sich auf einheitliche Portionen, nämlich 100 Gramm eines Lebensmittels. Diesen Vorteil wollte Michael Warburg nicht gelten lassen. Er vertrat die Position der Lebensmittelhersteller, die sich in der Initiative „Ausgezeichnet informiert“ zusammengeschlossen haben. „Wenn ich nur 20 Gramm von einem Lebensmittel esse, dann stimmt die Ampel nicht“, stellte er fest. Außerdem versage das Modell beim Vergleich ähnlicher Produkte. „Fettreduzierte Käse erhalten ebenso einen roten Punkt wie die Vollfettvariante.“ Die Lebensmittelhersteller setzen daher auf das GDA-Modell. Es zeigt wie viele Nährstoffe eine Portion eines Lebensmittels liefert, ausgedrückt in Prozent der Tageszufuhr. „Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung lehnt das GDA-Modell ab und ist auch nicht uneingeschränkt für Ampelmodelle“, sagte Dr. Helmut Oberritter, DGE. Er kritisierte am GDA-Modell unter anderem, dass der Richtwert für die Zuckerzufuhr zu hoch ist. Beim Ampelmodell hingegen seien die Grenzen zwischen den Farben willkürlich gesetzt. Weder Oberritter noch Warburg waren davon überzeugt, dass die diskutierten Kennzeichnungsmodelle einen Beitrag zur Verringerung des Übergewichts leisten könnten. „Eigentlich hätten wir das Ganze gar nicht gebraucht“, sagte Michael Warburg. „Das System ist uns aufgezwungen worden. Eine einheitliche Kennzeichnung mit Aufklärung wäre sinnvoller gewesen“, meinte er. Eine Ziel führende Diskussion der unterschiedlichen Positionen hat allerdings in Leipzig noch nicht statt gefunden.

aid, Gesa Maschkowski

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