Mutiertes Gen schützt vor Übergewicht und Diabetes
Einem Wissenschaftlerteam vom Deutschen Institut
für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist es unter der
Leitung von Hadi Al-Hasani und Hans-Georg Joost gelungen, erstmals eine
natürliche Mutation im Tbc1d1-Gen zu identifizieren, die Mäuse trotz
fettreicher Kost schlank bleiben lässt und zudem vor Diabetes schützt.
Hierdurch konnten die Forscher einen tiefen Einblick in die
Funktionsweise des Gens gewinnen. Die Aufklärung der Genfunktion schafft
eine Basis für die Entwicklung neuer Therapie- und Präventionsansätze,
denn auch beim Menschen kann das betreffende Gen mit Übergewicht und
Diabetes in Verbindung gebracht werden.
Die Forscher veröffentlichten ihre Daten in der angesehenen
Fachzeitschrift Nature Genetics (Chadt, A. et al.; 2008).
Die Mutation, die das Tbc1d1-Gen ausschaltet, bewirkt eine gesteigerte
Fettaufnahme in die Skelettmuskulatur und kurbelt gleichzeitig die
Fettverbrennung an. Der Glucoseumsatz der Muskeln nimmt dagegen ab.
„Dies beweist, dass das normale Tbc1d1-Gen eine sehr wichtige
Funktion im Fett- und Glucosestoffwechsel erfüllt und so eine
wesentliche Rolle bei der Regulation des Energiestoffwechsels spielt“,
erklärt Hadi Al-Hasani.
„Nicht nur wie viel Nahrung wir aufnehmen, sondern auch wie wir sie in
unserem Körper umsetzen, ist entscheidend für die Entstehung von
Übergewicht und Diabetes“, sagt Hans-Georg Joost,
wissenschaftlicher Direktor des DIfE. Verschiebt sich das Verhältnis von
Glucose- zu Fettverbrennung, so dass die Muskeln verstärkt Fett und
weniger Glucose als Energiequelle nutzen, so ist dies energetisch
ineffektiv. Die Folge ist, dass der Körper weniger Fett speichern kann.
Das Risiko für Übergewicht und damit auch für Diabetes sinkt.
In Deutschland sind bereits 66 Prozent der Männer und 50,6 Prozent der
Frauen übergewichtig oder adipös (fettsüchtig). In den USA bringen nach
jüngsten Meldungen sogar dreiviertel der Erwachsenen zu viel auf die
Waage. Übergewicht erhöht in einem erheblichen Maß das Risiko für
Herzinfarkt, Schlaganfall, Darmkrebs und Typ-2-Diabetes. Derzeit sind
mehr als sieben Prozent der Bundesbürger an Diabetes erkrankt, wobei die
Zahl in den nächsten Jahren durch die steigende Anzahl Übergewichtiger
noch zunehmen wird.
Wie Tier- und Humanstudien zeigen, besteht ein Zusammenhang zwischen
Übergewicht, Typ-2-Diabetes, Ernährung und Genen. Wissenschaftler
vermuten, dass natürliche Varianten von mindestens 50 Genen an der
Entstehung von Übergewicht beteiligt sind. Für Diabetes spielen
vermutlich mehr als 100 Gene eine Rolle. Nur sehr wenige dieser Gene und
Varianten sind bislang bekannt. Zudem bilden sie ein funktionell
interagierendes Netzwerk, dessen einzelne Komponenten beim Menschen nur
schwer zu identifizieren und zu untersuchen sind.
Da Mensch und Maus genetisch sehr ähnlich sind, nutzen die Forscher des
DIfE Mausmodelle, um Gene zu identifizieren, die an der Entstehung von
Übergewicht und Diabetes des Menschen beteiligt sind. Ist zum
Beispiel ein „Übergewichtsgen“ gefunden, das bei beiden Spezies eine
Rolle spielt, können die Wissenschaftler seine Funktion und die
zugrundeliegenden molekularen Mechanismen am Tiermodell unter
kontrollierten Bedingungen erforschen. Am Menschen sind solche Studien
oft aus ethischen sowie auch aus praktischen Gründen nicht möglich.
Die
am Tiermodell gewonnenen Ergebnisse lassen sich nutzen, um neue
Medikamente zur Behandlung von Adipositas (Fettsucht) und Diabetes zu
entwickeln.
Hintergrundinformation:
Zur Studie: Die Wissenschaftler identifizierten die Mutation im
Tbc1d1-Gen mit Hilfe von Rückkreuzungsexperimenten. Dabei
verglichen sie das Erbgut zweier sehr unterschiedlicher Mausstämme. Die
New Zealand obese-Maus nimmt unter einer fettreichen Diät (60 Prozent
Fettanteil) schnell an Gewicht zu und entwickelt eine Adipositas
(Fettsucht), wobei der Körperfettanteil auf über 40 Prozent steigen
kann. Die Mäuse des Swiss Jim Lambert-Stamms nehmen trotz eines sehr
hohen Fettanteils im Futter aufgrund ihrer genetischen Veranlagung nicht
zu und bleiben schlank.
Im mutierten Tbc1d1-Gen des Swiss Jim Lambert-Stamms fehlen sieben
Genbausteine (Basen). Diese Veränderung führt zu der Synthese eines
verkürzten Tbc1d1-Eiweißmoleküls, das hierdurch aller
Wahrscheinlichkeit nach seine enzymatische Funktion verliert. Das
Tbc1d1-Eiweißmolekül findet sich hauptsächlich im Skelettmuskel.
Geringere Mengen konnten die Wissenschaftler im Gewebe von Herz,
Bauchspeicheldrüse, Colon, Nieren und dem Hypothalamus nachweisen. Im
Fettgewebe und in der Leber trat es nicht auf.
Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören
82 außeruniversitäre Forschungsinstitute und forschungsnahe
Serviceeinrichtungen. Diese beschäftigen etwa 13.700 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter (Stand 12/2006). Davon sind ca. 5.400 Wissenschaftler
(inkl. 2.000 Nachwuchswissenschaftler). Leibniz-Institute arbeiten
interdisziplinär und verbinden Grundlagenforschung mit Anwendungsnähe.
Sie sind von überregionaler Bedeutung und werden von Bund und Ländern
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Milliarden Euro pro Jahr. Die Drittmittel betragen etwa 225 Millionen
Euro pro Jahr. Näheres unter www.leibniz-gemeinschaft.de