Eine Pille gegen alle Leiden

Eine Pille gegen alle Leiden
Nahrungsergänzungsmittel mit absurden Heilsversprechen in Internetforen

„Wunder gibt es immer wieder“, sang schon vor 38 Jahren Katja Ebstein. Ob sie damit die Lobhudeleien von Nahrungsergänzungsmitteln im Internet meinte, ist zwar zu bezweifeln und dennoch extrem passend. Die Verbraucherzentrale NRW hat sich nämlich auf den Seiten der drei Meinungsforen Ciao, Dooyoo und Yopi drei aktuelle „Testberichte“ zu zehn verschiedenen Nahrungsergänzungsmitteln genauer angesehen. Da schwanden etwa chronische Schmerzen und offene Beine waren nach drei Monaten konsequenter Einnahme eines bestimmten Präparates verheilt. Pillen eines US-Herstellers wurden zum „wunderbaren Segen eines Gesundbrunnens“. Andere Autoren jubelten, dass Kapseln mit ihrem „Mix aus Obst und Gemüse“ gegen Schuppenflechte, Tinnitus und gegen hohen Blutdruck geholfen hätten.

Aber es geht noch besser: So habe nach einem Herzinfarkt ein Mittelchen alle Werte innerhalb von „drei Monaten wieder in den grünen Bereich gebracht”. Ein Aloe Vera Gel wiederum besiegte ein Schilddrüsenleiden. Oder ein Produkt, das nicht nur den Langzeitblutzucker innerhalb kürzester Zeit gesenkt, sondern auch „Schulterschmerzen nach einem Sturz vom Fahrrad” auskuriert hat.

Während Hersteller und gewerbliche Händler mit solchen abenteuerlichen Aussagen gegen das Verbot krankheitsbezogener Werbung verstoßen würden, meinen die Schreiber in den Internetforen offenbar ungehindert Geschichten erzählen zu können. „Sie agieren in einer Grauzone, entziehen sich weitgehend der Lebensmittelüberwachung und werden bisher nicht behelligt”, kritisiert Angela Clausen, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale NRW.

Gut 1,3 Milliarden Euro gaben deutsche Verbraucher von Oktober 2006 bis September 2007 in Apotheken, Drogerie- und Verbrauchermärkten für Nahrungsergänzungsmittel aus. Den Vertrieb im Internet nicht mitgerechnet. Die größten Marktsegmente sind dabei Vitamine und Mineralstoffe sowie Mittel gegen Erkältungen, Husten und Atemwegserkrankungen. Tatsache bleibt aber: In kontrollierten Langzeitstudien konnte zum Beispiel bisher nicht nachgewiesen werden, dass die Produkte einen fehlenden Gemüse- und Obstverzehr ausgleichen können. Zusatzprodukte sind meist teuer und bringen wenig. Schlimmstenfalls ist mit Nebenwirkungen zu rechnen. Es ist auch nicht möglich, eine einseitige, ungesunde Ernährungsweise mit Zusatzpräparaten wettzumachen.

Der aid infodienst hat einen Leitfaden unter www.was-wir-essen.de/gesund/nahrungsergaenzungsmittel.php zusammengestellt, damit Sie beim Einkauf keinen unseriösen Anbietern auf den Leim gehen. Doch noch vor dem Kauf eines Produktes sollte die kritische Frage nach der Notwendigkeit einer Nahrungsergänzung stehen, denn die Vitamin- und Mineralstoffversorgung in Deutschland hat im Durchschnitt ganzjährig ein hohes Niveau. Lediglich bei Vitamin D, Folat, eventuell Vitamin E und Jod könnten Versorgungslücken entstehen. Fragen Sie im Zweifel Ihren Arzt oder Ihre Ernährungsberaterin.

aid, Harald Seitz

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