Zerklüftete Klippen, verwunschene Grotten, lange Sandstrände, anmutige Orte, Töpferkunst und Gourmetküche: Die Kullaberg-Halbinsel im Nordwesten von Skåne (Schonen) gehört zu den schönsten Ecken der Øresundregion.
Berlinern war der „Kullen“ einst bestens bekannt: Von 1910 bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verkehrte im Sommer ein Direktzug von der deutschen Hauptstadt bis nach Mölle, von wo die Badelustigen den kurzen Spaziergang nach Ransvik machten, um stärkende Meerbäder zu nehmen. Das Ungeheuerliche dabei: Männer und Frauen badeten gemeinsam in den Fluten – welch ein Skandal! Das sündhafte Tun wurde erst 1869 mit dem Besuch Schwedens König Oskar II. gesellschaftsfähig – und so beliebt, dass auch König Wilhelm es sich nicht nehmen ließ, hier die gesundheitsfördernde Wirkung eines Meerbades einmal persönlich zu testen. 1909 wurde in Mölle für gut betuchten Badegäste das Grand Hotel eröffnet, 1921 die Hütte am Strand gebaut, wo den Badegästen „Kaffee mit Gebäck“ serviert wurde.
Kullens Fyr, stärkster Leuchtturms Schwedens
Heute kommen die Gäste nicht nur zum Baden hierher. Sie genießen rund um den 183 Meter hohen Kullaberg, der seit 1971 unter Naturschutz steht, den kompakten Mix aus Natur und Kultur, Outdoor-Erlebnissen und Verwöhn-Genüssen. Aktive entdecken die Halbinsel auf den gut markierten Radwegen, wandern durch lichte Buchenwälder, reiten auf robusten Island-Ponys über Koppeln und Feldwege, oder erklimmen auf mehr als 700 Strecken die schroffen Felsen der Küste. Besonders beliebt ist die „Carstens ränna“ (Carstens Rinne), ein abwechslungsreicher Klettersteig 200 Meter südlich des Kullens Fyr, des stärksten Leuchtturms Schwedens. 1898 wurde er nach Plänen von Magnus Dahlander aus Dalarna aus massivem Stein hoch über den Gneis- und Granitklippen errichtet, wo er seitdem aus 78,5 Meter Höhe vier Mal pro Minute sein Licht bis zu 50 Kilometer weit über die viel befahrene Meeresstraße wirft. Zuvor hatte 1.000 Jahre lang ein Leuchtfahrer Seefahrern den Weg durch die oft stürmische See gewiesen. Nur hatten damals die findigen Bewohner der Kullaberg-Küste öfters dafür gesorgt, dass das Signal mitunter seinen Standort wechselte – und prompt ein Handelsschiff auf Grund lief oder an den Klippen zerschellte. Noch im Dunkel der Nacht wurde die Schiffsladung „gerettet“.
Im Hafen von Mölle besteigen Taucher in dicken Neoporenanzügen ein Schlauchboot. Ihr Ziel ist der Dampfschlepper Holmen VI, der 1967 nordwestlich vom Kullen in ein Unwetter geraten und untergegangen war. In 26 Meter Tiefe ruht das Wrack heute hoch und aufrecht auf hellem Sandboden. Dorsch und Wittling schwimmen durch die Luken; zwischen riesigen Seenelken, handtellergroße Seeanemonen, großstämmigen Weichkorallen und Schlammrosen verstecken sich Taschenkrebse und Seespinnen. Dass neben Heringen auch Hummer hier leben, verrät das „naturum“, eine kompakte – und kostenlose – Ausstellung zur Geologie, Flora, Fauna und Kulturgeschichte des Kullaberg.
Cross-Over-Cusine und Gutsgebiet
Begeistert vom natürlichen Reichtum der Region ist auch Schwedens junger Fernsehkoch Niklas Ekstedt (28), der hier seit 2003 jeden Sommer seine Feinschmecker-Fans im „Niklas Viken“ mit mediterran-skandinavischer Cross-Over-Cusine begeistert. Zu seinen Stammgästen gehört auch die Familie Gyllenstierna, deren Stammschloss in Krapperup so schön wie ungewöhnlich ist: Weiße, siebenzackige Sterne auf falunrotem Grund – das Familienwappen – zieren die Fassade ihres Renaissanceschlosses, das ein breiter Wassergraben vor ungebetenen Besuchern schützt. Der romantische Landschaftspark von Krapperup hingegen ist das ganze Jahr für Besucher geöffnet. Mehrere Meter hohe Rhododendronbüsche in allen Farben säumen den Sandweg hinab zu einem verschwiegenen Buchenwäldchen. Leise gurgelt und gluckert es im Untergrund; eine chinesische Brücke überspannt das Bächlein, auf einer Lichtung leuchtet ein Feuerahorn im Herbstlicht. In die Stallungen von Krapperup präsentiert eine Galerie die Werke örtlicher Künstler, ein kleines Museum die Geschichte von Gut und Gegend. Nur über ein Gespenst ist hier nichts zu erfahren. Und doch sind die Einheimischen überzeugt: Auf Krapperup spukt es. Zwei „weiße Frauen“ sollen hier ihr Unwesen treiben. Eine von ihnen wurde einst im Südflügel eingemauert – und irrt jetzt ruhelos und stöhnend des Nachts in den Fluren umher…
Zum Gutsgebiet von Krapperup gehört auch die Bräcke Mölla, eine Holländerwindmühle aus dem 19. Jahrhundert, die dank ehrenamtlichen Engagements heute wieder voll funktionstüchtig ist. Mehrmals im Jahr können Besucher nun erleben, wie einst das Korn zu Mehl gemahlen wurde. Von ihrer Galerie öffnet sich ein weiter Blick über sanft gewellte Hügel, Weiden und Wiesen hin zu einer Kleinstadt, die auf einem riesigen Lehmgebiet liegt: Höganäs – Schwedens Hochburg für Steingut. Ganz und gar traditionell gestaltet sind die Töpfe, Krüge, Teller und Tassen von Höganäs Saltglaserat, das seit 1835 mit dem Anker als Markenzeichen Steingut mit Salzglasur fertigt. Bei Höganäs Keramik, das ab 1909 zunächst auch robustes Steingut mit brauner Salzglasur produzierte, dominieren heute bunte Farben und moderne Designs. Einfarbig matt in funktionellen Formen stapeln sich die Teller und Tassen im riesigen Fabrikshop, in dem mittlerweile auch andere Markenprodukte der iitala-Gruppe erhältlich sind, zu der Höganäs Keramik seit 2002 gehört. Das dritte Unternehmen vor Ort, CC Höganäs Byggkeramik, schließlich lieferte die 1,4 Millionen Kacheln, die die Sydney Oper bedecken – je nach Lichteinfall geben sie dem Dach eine andere Farbe.
Nimis, die „Hauptstadt“ des unabhängigen Staates „Ladonien“
Genauso streitbar wie einst Jørn Utzon, der Architekt des australischen Weltkulturerbes, ist auch ein Künstler, der am Kullaberg das wohl prominenteste Beispiel schwedischer Land Art schuf: Lars Endel Roger Vilks (61). 1980 begann der emeritierte Kunstprofessor aus Helsingborg mit dem Bau von „Nimis“, hämmerte und nagelte am abgelegenen Steinstrand von Håle Stenar Treibholz, Wurzeln und alte Ästen zu einer begehbaren Skulptur zusammen, die erst zwei Jahre später von den Behörden entdeckt – und verboten wurde. Doch Vilks baute besessen weiter, erklärte Nimis zur „Hauptstadt“ des unabhängigen Staates „Ladonien“, schlug mit dem Verkauf seines Kunstwerks an Christo den Behörden ein Schnippchen – und inszeniert seitdem Nimis als Happening in der virtuellen und realen Welt. Und das mit Erfolg. Längst ist das Kunstwerk Kult. Kinder klettern in den „Wehrgängen“ und „Türmen“ umher, im „Burghof“ picknickt eine japanische Reisegruppe, und Sprachfetzen aus aller Welt flirten mit dem Plätschern der Wellen, dem Rauschen der Bäume, den Schreien der Möwe. Wild und ungestüm wie die Natur ringsum, ist Nimis kein Fremdkörper, sondern Interpretation, Vision, Provokation – und mit mehr als 30.000 Besuchern pro Jahr heute eines der bekanntesten und meistbesuchten Ausflugsziele der südschwedischen Provinz Skåne.
Text: Hilke Maunder