Friedrich II. und die Kartoffel

Friedrich II. und die Kartoffel
Zur Einführung der Kartoffel in Preußen

Wenige Jahre nach der nach seiner Thronbesteigung 1740 sah sich
Friedrich II. mit einer fürchterlichen Hungersnot in seinem Land
konfrontiert. Über die katastrophalen Auswirkungen dieser
Versorgungsnotlage berichtet der 1738 im preußischen Kolberg geborene
Joachim Nettelbeck 1821 in seiner Autobiographie am Beispiel der
Kolberger Region u.a.: „Ich mochte wohl ein Bürschen von fünf oder sechs
Jahren sein und noch in meinem ersten Höschen stecken (also etwa um das
Jahr 1743 oder 44), als es hier bei uns im Lande weit umher eine so
schrecklich knappe und theure Zeit gab, daß viele Menschen vor Hunger
starben. Es kamen von landeinwärts her viele arme Leute nach
Colberg, die ihre kleinen hungrigen Würmer auf Schiebkarren mit sich
brachten, um Korn von hier zu holen, weil man Getreideschiffe in unserem
Hafen erwartete, die der grausamen Noth steuern sollten. Alle Straßen
bei uns lagen voll von diesen unglücklichen ausgehungerten Menschen.“
In dieser Notsituation, und wohl auch um die Abhängigkeit von dem
Grundnahrungsmittel Korn auf Dauer zu mindern, entschloss sich Friedrich
II., die Kartoffel, die auch auf minderwertigeren Böden gedieh und
weniger anfällig gegen Nässe usw. war, in Preußen einzuführen.
Wie dies zunächst ablief, davon kann man sich heute, wiederum anhand und
der Schilderung Nettelbecks, ein anschauliches Bild machen: “ Ein großer
Frachtwagen voll Kartoffeln langte (um 1744) auf dem Markte an, und
durch Trommelschlag in der Stadt und in den Vorstädten erging die
Bekanntmachung, daß jeder Gartenbesitzer sich zu einer bestimmten Stunde
vor dem Rathhaus einzufinden habe, indem des Königs Majestät ihnen eine
besondere Wohlthat zugedacht habe. Man ermißt leicht, wie Alles und
Jedes in eine stürmische Bewegung gerieth; und das nur um so mehr, je
weniger man wußte, was es mit diesem Geschenk zu bedeuten habe.
Die Herren vom Rathe zeigten nunmehr der versammelten Menge die neue
Frucht vor, die hier noch nie ein menschliches Auge erblickt hatte.
Daneben ward eine umständliche Anweisung verlesen, wie diese Kartoffeln
gepflanzt und bewirtschaftet, desgleichen wie sie gekocht und zubereitet
werden sollten. Besser freilich wäre es gewesen, wenn man eine solche
geschriebene oder gedruckte Instruktion gleich mit vertheilt hätte; denn
nun achteten in dem Getümmel die Wenigsten auf jene Vorlesung.
Dagegen
nahmen die guten Leute die hochgepriesenen Knollen verwundert in die
Hände, rochen, schmeckten und leckten daran, kopfschüttelnd bot sie ein
Nachbar dem andern; man brach sie von einander und warf sie den
gegenwärtigen Hunden vor, die daran herumschoperten und sie gleichmäßig
verschmähten. Nun war ihnen das Urteil gesprochen! ‚Die Dinger‘ — hieß
es — ‚riechen nicht und schmecken nicht, und nicht einmal die Hunde
mögen sie fressen. Was wäre uns damit geholfen?‘ – Am allgemeinsten war
dabei der Glaube, daß sie zu Bäumen heranwüchsen, von welchen man zu
seiner Zeit ähnliche Früchte herabschüttle. Kaum Jemand hatte die
ertheilte Anweisung zu ihrem Anbau recht bergriffen. Das Jahr
nachher erneuerte der König seine wohlthätige Spende durch eine ähnliche
Ladung. Allein diesmal verfuhr man dabei höhern Orts auch zweckmäßiger,
indem zugleich ein Landreiter mitgeschickt wurde, der, als ein geborener
Schwabe, des Kartoffelbaus kundig und den Leuten bei der Auspflanzung
behülflich war und ihre weitere Pflege besorgte. So kam also diese neue
Frucht zuerst ins Land, und hat seitdem, durch immer vermehrten Anbau,
kräftig gewehrt, daß nie wieder eine Hungersnoth so allgemein und
drückend bei uns hat um sich greifen können. Dennoch erinnere ich gar
wohl, daß ich erst volle vierzig Jahre später (1785) bei Stargard (eine
der ältesten pommerschen Städte), zu meiner angenehmen Verwunderung, die
ersten Kartoffeln im freien Felde ausgesetzt gefunden habe.“
Nachdem Friedrich II. bereits 1745 ein Gesetz zum Anbau der Kartoffel
erlassen hatte, demzufolge die Bauern zehn Prozent ihrer Ackerfläche mit
Kartoffeln zu bepflanzen hatten, befahl er nochmals 1756 mit einer
„Circular-Ordre“ und mit Nachdruck den Anbau der Kartoffel und
verpflichtete die Behörden zu entsprechenden Kontrollen.
Auch mit einer List versuchte der König seine Untergebenen zum
Kartoffelanbau zu animieren: Er ließ seine eigenen Felder mit Kartoffeln
bestellen und zum Schein von Soldaten strengstens bewachen. Diese Felder
erregten natürlich die Neugier der Untertanen, und so stahlen die Bauern
nachts die seltenen und offensichtlich kostbaren Pflanzen, um sie
anschließend daheim in ihre eigenen Gärten zu setzen. Und genau dort
wollte sie der König auch haben. Aber es dauerte noch lange, bis sich
die Knolle endgültig in Preußen durchgesetzt hatte, und „der Alte Fritz“
beklagte immer wieder den nach seiner Meinung zu geringen Fortschritt in
dieser Angelegenheit. Noch 1768 musste Friedrich II. zur Kenntnis
nehmen, dass seinen Bemühungen doch nur ein mäßiger Erfolg beschieden war, wie die jährlich zu erstellenden Tabellen zeigten.
Der König hatte
seine Mühe mit den preußischen Bauern, die sich so ganz nach dem alten
Vorurteil „Was der Bauer nicht kennt,…“ verhielten. Aber er gab nicht
auf. Mit weiteren Anbauverordnungen und königlichen Dekreten drängte er
auf einen großflächigen Kartoffelanbau. Und die Natur kam zu Hilfe: Die
Getreide-Missernten 1770-1772 und die folgenden Hungersnöte
„begünstigten“ den erwünschten Feldanbau des Erdapfels.
Durch seine Kriege hatte Friedrich II. von der Geschichte den Beinamen
„der Große“ erhalten. Verdient hätte er diesen Ehrentitel u.a. auch oder
fast noch eher für seinen langen Kampf um die Kartoffel, letztlich auch
ein Beispiel für die fürsorgliche Art und Weise, wie ein großer König
seinen Untertanen ein angenehmeres und lebenswerteres Dasein ermöglichte.

In der Sonderausstellung „Die Kartoffel — eine Knolle für alle Fälle“ im
Gewölbekeller des Lohrer Schulmuseums vom 14. Nov. 2008 bis 7. Dez. 2008
werden deshalb auch die Verdienste Friedrichs des Großen entsprechend
gewürdigt.

Mit großformatigen Bildern, Dokumenten und Gegenständen bietet die
Sonderausstellung, erstellt in Zusammenarbeit mit dem Münchner
Kartoffelmuseum, einen anschaulichen und übersichtlichen Einblick in die
Geschichte der Kartoffel.
Ergänzende historische Informationen findet der Besucher in der
ständigen Ausstellung des Museums, das, auch wegen seiner konsequenten
politischen Ausrichtung auf die Zeit von 1789 bis 1989, heute zu den
national und international attraktivsten Schulmuseen zählt.

Weitere
Informationen zum Lohrer Schulmuseum im Internet: www.lohr.de/schulmuseum

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