Praxis der Kochelite überzeugt – Die Deutsche Akademie für Kulinaristik steht zu molekularem Kochen
»Die Praxis der besten Köche überzeugt eindrucksvoll«. Mit diesem Fazit endete am vergangenen Montagabend die »Die Reise des Xanthan. Ein aktuelles Symposium zu Fragen des molekularen Kochens«. Im Mainzer Sendezentrum des ZDF hatten sich etwa 400 Teilnehmer aus allen Bereichen der Ernährung versammelt. Ihr Interesse galt einem aktuellen und kontrovers diskutierten Teilaspekt des Kochens.
Schon der Begriff »molekulares Kochen« schillert und umfasst ein weites Spektrum. Es reicht von spektakulären Kochshows bis zu der grundsätzlichen Einsicht, dass alles Tun in der Küche Auswirkungen auf die Moleküle hat, aus denen die Lebensmittel zusammengesetzt sind. Ein Kompetenzteam der »Deutschen Akademie für Kulinaristik« aus Natur- und Kulturwissenschaftlern führte deshalb gemeinsam mit der Redaktion von ZDF.umwelt und dem Tre Torri Verlag die Protagonisten verschiedenster Zugänge sowie namhafte Köche zum Thema Essen und Ernährung zusammen.
Schon nach den ersten Vorträgen wurde deutlich, dass die Ausgangslagen und Perspektiven unterschiedlicher nicht hätten gewählt werden können. Prof. Dr. Thomas Vilgis beschrieb in seinem anschaulichen Vortrag mit aller Deutlichkeit die physikalische Ebene zeitgenössischer Kochtechniken einschließlich einer Bewertung zu den gesundheitlichen Risiken. Dieser gleichzeitig reduzierte und in die Tiefe gehende Blick war vielen Teilnehmern und Referenten neu.
Es folgte ein engagiertes Statement von Joachim Wissler vom Restaurant »Vendôme« in Bergisch-Gladbach, der mit den höchsten Bewertungen in allen Restaurantführern bedacht ist. Die Teilnehmer wurden Zeugen eines programmatischen und offenen Bekenntnisses zu Qualität, Ernsthaftigkeit und die Vorbildfunktion von Spitzenköchen. Hohe Kompetenz und handwerkliches Ethos waren hier förmlich mit Händen zu greifen.
Vereinzelte Referenten stellten den Begriff »Zusatzstoffe« in den Mittelpunkt der Diskussion und äußerten starke Bedenken an ihrer gesundheitlichen Unbedenklichkeit; sogar fundamentale Kritik an den Köchen als Wegbereiter industrieller Interessen wurde artikuliert.
Gerade an dieser diskursiven Stelle erwies sich der Ansatz des Symposiums als überaus konstruktiv. Bei den von den Köchen verwendeten Zusatzstoffen handelt es sich vornehmlich um Hydrokolloide; nicht zuletzt deshalb stand »Xanthan« im Zentrum der Tagung. Alle Zusatzstoffe werden ausschließlich eingesetzt, um die physikalischen Eigenschaften eines Lebensmittels wie Struktur und Textur einzustellen. Eine chemische Reaktion wie beim Glutamat rufen sie in keiner Weise hervor.
Als geläufiges Beispiel ist Apfelpektin zu nennen, das Konfitüren auch bei schwer gelierbaren Früchten oder bei reduziertem Zuckeranteil die richtige Konsistenz verleiht. Als Polysaccharid ist es der Methylzellulose ähnlich, die als »neuer Zusatzstoff« weitgehend unbekannt ist. Sie ist geschmacklos und unverdaulich und birgt erwiesenermaßen keine allergischen oder gesundheitlichen Risiken. Spitzenköche schätzen sie, weil sie in bestimmten Situationen hilft, Eier zu ersetzen, die immer auch eine mitunter unerwünschte geschmackliche Komponente in ein Gericht bringen.
Es wird deutlich, dass an neue, auch unbedenkliche Zusatzstoffe höhere Anforderungen als an traditionelle Lebensmittel gestellt werden. Notwendige Skepsis sollte jedoch nicht zu einer pauschalen Ablehnung führen. Gerade deshalb stellt sich das Team der »Deutschen Akademie für Kulinaristik« hinter die Spitzengastronomie. Gemeinsam muss die mit der Tagung begonnene Aufklärungsarbeit fortgeführt werden. Die Avantgarde der Köche leistet einen unverzichtbaren Beitrag zur dieser Erforschung. Nur so können sich gesamtgesellschaftlich gesehen die Ernährungsbedingungen positiv und verantwortungsvoll weiter entwickeln.
PD Dr. Gunther Hirschfelder (Bonn), Dr. Ursula Hudson-Wiedenmann (Oxford), Prof. Dr. Thomas Vilgis (Mainz), Martin Wurzer-Berger (Münster)