Bioenergie und Nahrungsmittelpreise

Bioenergie und Nahrungsmittelpreise – Ehlen widerspricht Weltbank!

Minister Hans-Heinrich Ehlen hält die Bioenergie nicht für den Hauptschuldigen an der Verteuerung der Nahrungsmittel
„Ich bezweifle, dass der Ausbau der Bioenergie zu 75 % der Preissteigerungen bei Lebensmitteln verantwortlich gemacht werden kann, wie es derzeit in der Presse diskutiert wird.“

Grundlage dieser Diskussion ist eine noch nicht zur Veröffentlichung freigegebene Studie von Donald Mitchell, Chef-Ökonom der Gruppe Entwicklungsperspektiven der Weltbank, zu den Ursachen der jüngsten Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln. Der Autor kommt darin zu dem Ergebnis, dass 75 % des Anstiegs der Lebensmittelpreise im Zeitraum 2002 bis 2008 auf das Konto der Biotreibstoffe gingen. Kernthese seiner Analyse ist, dass die Versorgungsbilanzen bei Getreide und Ölsaaten ausgeglichen wären, wenn es den Boom der Biotreibstoffe nicht gegeben hätte. Daher wird der dramatische Preisanstieg bei Lebensmitteln den „neuen“ Nachfragern Ethanol und Biodiesel angelastet. Aus dieser Sicht wurde z.B. in „The Guardian“ berichtet.
Die Weltbank hat sich diese Ergebnisse bisher nicht zu Eigen gemacht.
Eine kritische Durchsicht der Studie im niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung kommt zu dem Ergebnis, dass die genannten Zahlen methodisch und empirisch nicht gestützt werden. Wichtige Einflussgrößen, die nach übereinstimmender Bewertung vieler Experten zur aktuellen Unterversorgung der Nahrungsmittelmärkte und damit zum Preisanstieg beigetragen haben, bleiben unberücksichtigt. Andere werden demgegenüber quantifiziert, ohne dass allerdings tiefer gehende Analysen vorgenommen wurden.

„Angesichts dieser Grundlage sind zumindest Zweifel an den Ergebnissen angebracht, keinesfalls gilt für Niedersachsen, was für USA oder Argentinien unterstellt wird“! Minister Ehlen sieht sich vor dem Hintergrund der laufenden Diskussion in der niedersächsischen Bioenergie-Strategie bestärkt: „Wir haben beim Ausbau der Bioenergie hier in Niedersachsen eine eindeutige Schwerpunktsetzung im Bereich Biogas. Die Konkurrenzsituation mit Nahrungsmitteln ist weit weniger ausgeprägt als bei anderen Bioenergielinien, denn hier können Ganzpflanzen, aber auch Gülle und Abfälle verwertet werden.“ Auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeslandwirtschaftsministerium habe jüngst die guten Ergebnisse und die vergleichsweise hohe Effizienz der Biogasnutzung hervorgehoben. Wichtig für die Weiterentwicklung der verschiedenen Bioenergielinien seien eine hohe Klimawirksamkeit und der sparsame Umgang mit knappen Ressourcen.
Der spürbare Anstieg der Agrarrohstoffpreise ist auf das Zusammentreffen verschiedener Faktoren zurückzuführen:

-Wachsende Kaufkraft und Anstieg der Nachfrage nach veredelten Produkten (Fleisch, Milchprodukte) insbesondere im asiatischen Raum (China, Indien).
-Weltweites Bevölkerungswachstum (jährlich rd. 80 Mio. Menschen).
-Starker Anstieg der Rohölpreise und damit auch steigende Produktionskosten in der Landwirtschaft (z. B. Diesel und Strom).
-Durch steigende Energiepreise höhere Wettbewerbsfähigkeit von Agrarrohstoffen zur Energiegewinnung.
-Begrenzte landwirtschaftliche Nutzflächen, teilweise abnehmende Ertragssteigerungen und damit nur langsam anwachsende weltweite Nahrungsmittelproduktion.
-Andauernder Nutzflächenverlust für Siedlungs- und Infrastrukturzwecke sowie für Kompensationsmaßnahmen nach Naturschutzrecht.

-Hinzu kommen historisch niedrige Weltgetreidevorräte, Handelsbeschränkungen, politische Instabilitäten in bestimmten Weltregionen, Vernachlässigung der Landwirtschaftspolitik in vielen Entwicklungsländern sowie spekulative Investments in Agrarrohstoffe.

Längerfristig sind die Nachfrageentwicklung für Veredelungsprodukte sowie die Erschließung neuer Nutzflächen für die landwirtschaftliche Produktion jedoch preiselastisch, d. h. sowohl Angebot und Nachfrage werden auf höhere Preise reagieren. Durch höhere Agrarrohstoffpreise nimmt zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der Bioenergie wieder ab.
Die weltweit steigende Nachfrage nach Agrarrohstoffen bietet für die niedersächsische Land- und Ernährungswirtschaft viele Chancen. Auf gut 2,6 Mio. ha landwirtschaftlich genutzter Fläche (LF) können Agrarrohstoffe und Lebensmittel erzeugt werden. In Niedersachsen stehen pro Kopf gut 3.250 qm LF zur Verfügung, bundesweit sind es nur knapp 2.100. Die niedersächsische Ernährungswirtschaft steht in enger Verflechtung mit der landwirtschaftlichen Produktion. Aufgrund des hohen Aufkommens landwirtschaftlicher Rohstoffe in Verhältnis zum Bedarf der Einwohner (Selbstversorgungsgrad Kartoffeln ca. 500 %, Eier, Geflügel und Zucker ca. 300 %, Schweinefleisch ca. 250 % und Milch ca. 200 %) ist Niedersachsen eine ausgeprägte Exportregion für landwirtschaftliche Rohstoffe und deren Verarbeitungsprodukte.

In Niedersachsen leben knapp 10 % der deutschen Bevölkerung und es werden 9 % des BIP erwirtschaftet, jedoch entfallen 14 % des Umsatzes der deutschen Ernährungswirtschaft auf NI.
Auf gut 11 % der rd. 1,8 Mio. ha großen Ackerfläche Niedersachsens werden Pflanzen zur Bioenergieerzeugung angebaut, bundesweit sind es knapp 15 %. Damit stehen fast 90 % der niedersächsischen Ackerfläche immer noch für die Erzeugung von Nahrungs- und Futtermitteln zur Verfügung. Während in Niedersachsen rd. 60 % der Energiepflanzen für die Biogasnutzung und nur 40 % für Biokraftstoffe angebaut werden, sind es in Deutschland 23 % für Biogas und 77 % für Biokraftstoffe.

Durch die Ganzpflanzennutzung ist die Flächen- und Energieeffizienz der Biogasnutzung anderen Formen der Bioenergienutzung überlegen. Auf diese Weise leistet die niedersächsische Landwirtschaft mit einem relativ geringen Flächeneinsatz einen vergleichsweise effektiven Beitrag zur Erreichung der deutschen Bioenergieziele. Innovationen und technischer Fortschritt können die Effizienz in der Biogasnutzung noch weiter verbessern (Züchtung, Einspeisung von Biogas in das allgemeine Erdgasnetz, Biogasnutzung als Treibstoff oder in Brennstoffzellen). In Niedersachsen wurden mit dem Ausbau der Biogasnutzung Maßstäbe gesetzt und positive Entwicklungen im ländlichen Raum stimuliert. Trotz der zunehmenden Bedeutung der Bioenergie wird die Erzeugung von Nahrungsmitteln Schwerpunkt der nds. Landwirtschaft bleiben. Die Weiterentwicklung der Bioenergie wird sich stärker auf die Nutzung landwirtschaftlicher Nebenprodukte, wie Stroh und Gülle oder auch Biomasse aus der Landschaftspflege, stützen. Dadurch können die Ansprüche der Nahrungsmittel- und Bioenergieerzeugung besser miteinander verbunden werden.

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