Was knabbern die Fans zur EM?

Zur Fußball-EM zeigt sich: Beim Naschen und Knabbern leben die Fans kulturelle Vielfalt

– Italiener zu nervös zum Knabbern
– Griechen lieben Baklava, Türken bevorzugen Kerne
– Bei Tschechen und Holländern kommt Deftiges auf den Tisch, bei
den Schweden salzige Lakritze
– Polen und Franzosen stehen auf Schokolade
– Deutsche, Kroaten, Österreicher und Schweizer haben ähnliche
Knabbervorlieben
– Pikantes hat Portugal, Spanien, Rumänien und Russland fest im
Griff
– Junge Generation zeigt globalisierten Geschmack

Mit dem lang ersehnten Anpfiff zur Fußball-Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz ticken auch in Deutschland die Uhren wieder für einige Wochen anders. Und schon entsteht in Deutschlands Innenstädten und auf dem Land, wie schon im WM-Jahr 2006, neben den offiziellen „Public-Viewing-Areas“ spontan eine Party-Meile nach der anderen. Gemeinsam Fußball schauen ist „in“ – und die Laune bei den Anhängern der deutschen Nationalmannschaft ist nach dem Auftaktsieg gegen Polen top. Gespannt schaut die Fußballnation auf das Spiel der Deutschen heute Abend.

Der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie e.V. (BDSI) in Bonn nahm das Auftaktwochenende und die ersten Vorrundenspiele zum Anlass, um Fußballbegeisterte und ihre Freunde oder Verwandten mit Pass einer teilnehmenden EM-Nation über ihre Nasch- und Knabbergewohnheiten zu befragen.

Das Ergebnis zeigt viele erstaunliche Details, die die Vielfalt kultureller Identität in Europa sympathisch und liebenswert machen.

Italiener zu nervös zum Snacken und Naschen

Im Land des Fußballweltmeisters wird vor allem Eis und Schokolade genascht, gern auch kleine Windbeutel gefüllt mit einer leckeren Creme. Herzhaften Genuss liefern Bruschetta oder Chips und Nüsse. Aber, wenn sie ehrlich sein sollten, so die befragten Fußballfans, könnten Italiener während eines Fußballspiels – und so auch bei der EM – schlicht gar nichts essen. „Wir sind viel zu nervös und aufgeregt“, sagt Pasquale C., Chef eines italienischen Restaurants in Frankfurt-Sachsenhausen. Das bestätigt auch Louis O., Inhaber eines Cafés in der Frankfurter Innenstadt: „Wenn das Fußballspiel angepfiffen wird, gibt es nur noch Emotionen, Diskussion, Euphorie und Geschrei. Da bleibt keine Zeit zum Essen oder Snacken.“

Oranje favorisiert Bitterballen und Kroketjes

Ganz anders die Holländer, die es offenbar so richtig deftig mögen. Von Joke A. aus Amsterdam kommt wie aus der Pistole geschossen: „Wir Holländer mögen so genannte `Bitterballen´ gern. Das sind frittierte Fleischbällchen mit weicher herzhafter Füllung, die mit Senf gegessen werden. Und weil es die Ballen so in sich haben, gibt es gleich den Magenbitter dazu. Deswegen `Bitterballen´.“ Ansonsten kommen alle Sorten von „Kroketjes“ (in Holland sind das eher Kroketten aus Fleisch als aus Kartoffeln) gut an, auch Pommes Frites und Chips. Eine Landsmännin ergänzt: „Außerdem stehen wir auf alle Formen und Kombinationen von Nüssen – ob würzig oder gemischt mit getrockneten Früchten, ganz egal.“

Schweden lieben Lakritze zum Fußball

Die Schweden mögen es weniger gern frittiert: Sie gaben an, Chips und Bretzeln zu knabbern. Und in jedem Fall gehört jede Menge salzige Lakritze zum Fußballfest. Wenn genascht wird, dann zumeist lose Süßigkeiten, zum Beispiel alle Formen von Gummibärchen oder sonstige Zuckerware, die man lose mit Schütten aus offenen Theken auswählt und zuhause in bunten Schalen zum Hineingreifen anbietet. Der Schwede Marcus S. aus Djurhamn zählt die salzige Lakritze indes zu seinen wichtigsten Utensilien, wenn er Fußball im TV anschaut. Bei Strafen gegen die schwedische Mannschaft und bei jeglicher Form von nervenaufreibender Nachspielzeit steigt sein Lakritzkonsum kurzfristig schon mal auf die vierfache Menge an.

Tschechen stehen eher auf echte Mahlzeiten

Die Tschechen stehen auf einheimische Schokoriegel oder Chips. Aber für viele darf es auch mal ein bisschen mehr sein: „Tschechiens Fußballfans lieben `Klobossa´, eine rote und sehr grobe Bratwurst, die mit Senf und Graubrot mit Kümmel gegessen wird“, berichtet Student Tomas O. aus Prag. „Oder `Utopenec´, das ist eine kurze, dicke Bockwurst mit Zwiebeln. Angesagt sind auch herzhafte Kräuter-Reibekuchen. Die deutsche Variante mit Apfelmus kennen wir hier eher nicht“, so Tomas. Vor dem Fernseher findet wohl auch `Korbacek´ großen Anklang, ein sehr salziger Käse, der auch in Käsezöpfen seinen Einzug findet. Außerdem: `Nakladany Hermelin´. Was wie eine Edelpelztierart klingt, ist in Öl eingelegter weißer Camembert mit Zwiebeln, Paprika und Pepperoni.

Türken und Griechen zeigen viele Gemeinsamkeiten beim Naschen und
Knabbern

Türkische Fußballfans – insbesondere die jüngeren – nennen zwar auch Chips, Nüsse und Popcorn, wenn es um die EM-Knabberei geht. „Aber insgesamt stehen allerlei Kerne hoch im Kurs“, sagt Suat D., Qualitätsmanager aus Istanbul. Kein Wunder also, wenn von den befragten Türken unisono geröstete und gesalzene Pistazien oder Kichererbsen, Kürbiskerne in der salzigen Schale oder auch Sonnenblumenkerne genannt wurden. Auch gefragt sind viel frisches Obst wie Melonen, Pfirsiche und Aprikosen und Süßspeisen wie „Baklava“. Das sind Blätter- oder Filoteigteilchen gefüllt mit Pistazien, Mandeln oder Walnüssen und mit Zuckersirup verfeinert. Beliebt bei einer großen Fußball-Fangemeinde sind ferner „Sekerpare“ (Zuckerstücke), auch bekannt als „Gewundener Turban“, sowie „Lokma“, kleine frittierte und in Sirup getränkt Krapfen aus Hefeteig.

Ähnlich die Griechen: Auch sie stehen auf „Baklava“, „immerhin die Süßspeise des vorderen Orients“, so Christo P., der in Frankfurt ein Antiquariat betreibt. Er und auch Markthallenhändler Theo A. meinen: „Wir Griechen mögen es mehrheitlich süß.“ So nascht der hellenische Fußballfan gern auch Honigbällchen (Loukoumades), goldbraun frittiert, mit Honig beträufelt und mit viel Zimt bestreut. „Loukoumades“ ist die griechische Form von „Lokma“ mit dem Unterschied, dass die Griechen mehr Zimt verwenden als die Türken. Beliebt ist auch „Kadayîf“, was so viel heißt wie Engelshaar. „Das ist eine Nudelspeise, die an Glasnudeln erinnert“, erklärt Theo A., der in der Kleinmarkthalle Frankfurts seinen Stand betreibt. Ursprünglich kommt sie aus der türkischen Küche. Dünne Teigfäden werden auf ein heißes Blech aufgebracht und gestockt, um dann zum Beispiel mit Nüssen oder Käse gefüllt zu werden.

Schokolade versüßt Polen und Franzosen Fußball-Freuden

Auch die Polen bevorzugen zum Fußball eher Süßes, wobei die jüngeren Fans durchaus auch zu Chips und Salzstangen einheimischer Marken greifen. Ansonsten gilt als Zauberformel: „vorwiegend dunkle Schokolade plus Frucht“ – das macht den ultimativen TV-Fußballgenuss aus. Ganz gleich ob es sich dabei um schokolierte Pflaumen oder Kirschen handelt oder um Schokoladenhappen und -pralinen mit cremiger Fruchtfüllung. Auch beim Schokoladigen stehen einheimische Marken besonders hoch in der Gunst der EM-Fans.

Franzosen naschen gern. Schokolade, Schokolade und nochmals Schokolade muss es sein, nachmittags wie auch nach dem Diner. Und wie bei ihren polnischen Fußballfreunden sollte es eher Bitterschokolade sein, die auf den Tisch kommt. Nach dem Abendessen verzehren sie dann auch Plätzchen und sonstiges Süßgebäck, quasi als Dessert. Spiele, die um 18.00 Uhr starten, fallen allerdings in die Aperitif-Zeit, und da sieht die Sache schon wieder ganz anders aus. Bei Franzosen sind dann Nüsse, Käse und Chips, eben Würziges, angesagt – so die Befragungsergebnisse. Kommunikationsfachfrau Marlyn D. aus Paris ergänzt: „Wenn meine Freunde und ich Fußball schauen, gehören in der so genannten `l’apéro´-Zeit auch `Saucisson´ auf den Tisch.“ Das sind salamiähnliche Würste aus festem, rotem Fleisch, die aus Italien ihren Weg zunächst nach Lyon nahmen und von dort aus ganz Frankreich eroberten.

Deutsche, Kroaten, Österreicher und Schweizer mit ähnlichen, eher
klassischen Vorlieben

Deutsche, Kroaten, Österreicher und Schweizer gaben im Rahmen der Befragung übereinstimmend an, dass Chips, Nüsse (in der Schweiz: Nüssli) und Salzstangen (in Österreich: Soletti) zu den Favoriten gehören. In der Gemeinschaft wird gern auch gegrillt. So kommen dann fleischige Snacks plus Brot oder Brötchen auf den Teller. Fernando G., Praktikant in einer Züricher Werbeagentur, sagt zudem: „Ohne Bratwurst beim Public Viewing? Unvorstellbar!“ Die Kroatin Katharina G. aus Wiesbaden reicht gern noch Palatschinken (Eierpfannkuchen) zum Fußballfest zuhause. Unter den jüngeren darf es auch Popcorn sein. Der deutsche Designer Alexander B. aus Hamburg gibt sich beim Fußballfest traditionsbewusst: Auf seinen Partys bietet er neben Chips, Flips, Gummibärchen oder Schokolade immer auch klassisches salziges Gebäck an. „Zum Beispiel Kräcker kombiniert mit Frischkäse oder sonstigen internationalen Dipp-Varianten. Und meine Käsespieße mit Oliven, Trauben, eingelegter Paprika oder Perlzwiebeln sind stets ein echter Dauerbrenner“, so Alexander.

Spanien und Portugal lieben ausnahmslos herzhafte Snacks

Die Spanier gehen konzentriert herzhaft vor. Heimatgefühle breiten sich aus, wenn Tappas aller Art gereicht werden, „von Oliven über eingelegten Thunfisch bis zu spanischem Käse oder spanischer Salami, dazu frisches Brot“, erläutert der spanische Fußballticketing-Manager Daniel G. aus Wiesbaden. Die Tappas-Präferenz bestätigt auch der Hausverwalter José F. aus Palma de Mallorca. Die jüngeren zeigen einen insgesamt globalisierten Geschmack und knabbern „top of mind“ Chips, Flips, Salzstangen oder Popcorn.

Auch die Portugiesen lieben die herzhafte Knabberei: „Wir stehen auf frische Erdnüsse und gewellte Chips“, so Vasco del G. aus Lissabon. Außerdem werden oft in Salzlake eingelegte Lupinenkerne gereicht, die in Portugal unter dem Namen „Tremocos“ verkauft werden. „Die gibt es in Deutschland nicht“, meint Vasco.

Rumänien und Russland – exotische Knabbereien in der
Fußballgemeinschaft

Die Rumänien-Deutsche Emilia M. aus Sindelfingen weiß, was ihre Landsleute in Rumänien zum Fußballereignis snacken. Schließlich bewirtet sie immer wieder „größere Gruppen“ von Fußballfans. „Gern geknabbert werden bei uns `Sâracele´. Das sind so eine Art Würz-Hostien aus einem Weißmehlteig mit Wasser, Öl, Kümmel und Salz. Dazu gibt es bei uns Hochprozentiges.“ Ferner knuspern die Rumänen gern Sonnenblumenkerne, die man auch schlicht „Seminte“ nennt, was wohl für Gemüsesamen schlechthin steht.

Die Russen zeigen neben den westlichen Errungenschaften von Chips und Co. gern auch Traditionsbewusstsein, und das fällt zunächst einmal meerbetont aus. Von getrockneten Anchovis (Antschous), Krabben (Krewetki) bis hin zu getrocknetem Kraken (Osminog) gibt es eine ganze Reihe sensorischer Außergewöhnlichkeiten aus dem Meer. Auch fingerdicker, recht charakterstarker Stangenkäse aus dem Kaukasus, der sich „Sir Balykowy“ nennt, wird zur Fußball-EM-Live-Übertragung gern gesnackt. Zudem reichen die Russen „Suchariki“ zum TV-Fest. Das ist quasi zerkrümelter Zwieback (oder getrocknetes Brot), der mit einer Vielzahl von Würzmischungen verfeinert wird und in mundfertigen knusprigen Clustern daherkommt.

Somit erstreckt sich die Fußballgemeinde, die vorwiegend herzhafte Knabbereien bevorzugt, von Portugal und Spanien über Rumänien bis nach Russland.

Laut Statistischem Bundesamt leben in Deutschland Bürger aus allen an der EM teilnehmenden Nationen. Die größte internationale Gruppe hierzulande stellt die Türkei gefolgt von Italien und Polen. Auf Platz vier folgt Griechenland. Die fünfte Stelle nimmt Kroatien ein. Die Russen belegen den sechsten Platz. Entsprechend vielfältig sieht auch die Nasch- und Knabbergemeinde aus, die zur Fußball-EM das gemeinsame Genießen groß schreibt. Eine echte Chance für alle, die gern Neues ausprobieren oder kulinarische Entdeckungen machen wollen.

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