Nachwuchs-Forscher erhält IDE Förderpreis für Erforschung des Insulinstoffwechsels im Gehirn bei Übergewichtigen
Der Förderpreis des Institut Danone, Ernährung für Gesundheit e.V. (IDE), geht in diesem Jahr an Dr. Manfred Hallschmid, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Endokrinologie der Universität Lübeck. Titel der Forschungsarbeit: „Zentralnervöse Insulinresistenz als Schlüsselphänomen bei Adipositas“*. Professor Günther Wolfram, Präsident des IDE überreicht den mit 5.000 Euro dotierten Preis im Rahmen der 7. Drei-Länder-Tagung „Ernährung 2008“ in Hamburg. Das Institut verlieh damit zum vierten Mal den IDE Förderpreis an Nachwuchswissenschaftler für herausragende Leistungen auf den Gebieten der Ernährungswissenschaft und Ernährungsmedizin.
*“Obese men respond to cognitive but not to catabolic brain insulin signaling“, veröffentlicht im International Journal of Obesity, 2007.
Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde normalgewichtigen und übergewichtigen männlichen Probanden über acht Wochen hinweg Insulin als Nasenspray gegeben. Auf diese Weise gelangt der Botenstoff zentralnervös, das heißt unter Umgehung des Blutkreislaufs direkt ins Gehirn. Die normalgewichtigen Männer verloren dabei signifikant an Körpergewicht und Körperfett, die Übergewichtigen hingegen nicht. „Dafür musste es einen Grund geben“, fasst Hallschmid kurz die Ergebnisse seiner Arbeit zusammen, „und den haben wir gefunden: Übergewichtige haben eine Insulinresistenz im Gehirn. Das sorgt dafür, dass Übergewichtige ihr Gewicht halten und nicht abnehmen“.
Insulin auch im Gehirn wichtiger Botenstoff
Was heißt das genau? Im Zusammenspiel mit anderen Stoffen ist Insulin ein Botenstoff in unserem Körper. Jeder kennt es im Zusammenhang mit Diabetes. Als Botenstoff im Gehirn ist es weitgehend unbekannt. Doch Insulin zirkuliert nicht nur im menschlichen Blutkreislauf, es passiert auch die Grenze zum Gehirn und löst hier unterschiedliche Prozesse aus. Bei normalgewichtigen Menschen steigt der Insulinspiegel im Gehirn proportional zum Insulingehalt im Blut an und signalisiert, dass genügend Nahrung aufgenommen wurde. So wird das Essverhalten über Hunger- und Sättigungsgefühl gesteuert und der Mensch hält sein natürliches Körpergewicht. Bei übergewichtigen Männern ist dieses Gleichgewicht gestört. Im Gehirn hat sich eine Resistenz gegenüber dem Insulin entwickelt. Die Signale „Ich bin satt“ und „Ich habe Hunger“ sind nicht mehr an den Blutzuckergehalt gekoppelt – der Mensch isst mehr und auch dann, wenn er eigentlich keine Nahrung benötigt. Da Insulin so das Gewichtsmanagement steuert, gilt es neben anderen Stoffen als „Adipositas-Signal“. „Damit haben wir einen entscheidenden Wirkmechanismus krankhaften Übergewichts entdeckt“, erklärt Hallschmid die Bedeutung seiner Forschungsergebnisse.
Bald Diätnasenspray in der Apotheke?
Die Insulinresistenz ist nicht genetisch bedingt, sondern erworben. Nehmen Übergewichtige ab und halten ihr Gewicht, bildet sich die Resistenz wieder zurück. „Denkbar wäre, dass diese so genannte „zentralnervöse“ Insulingabe in der Adipositas-Therapie Übergewichtigen nach einer Gewichtsreduktion helfen kann, ihr neues Gewicht zu halten“ antwortet Hallschmid auf die Frage nach möglichen Therapieanwendungen. „Die intranasale Verabreichung von Substanzen ist ein relativ neuer Weg. Der Vorteil liegt darin, dass man direkt Einfluss auf Stoffwechselprozesse im Gehirn nehmen kann und den Blutkreislauf umgehen kann.“
Nur Männer reagieren auf Insulin-Nasenspray
Die Studie baut auf Forschungsarbeiten mit Normalgewichtigen auf, die erstmals die Rolle von Insulin in der Steuerung des Essverhaltens gezeigt hat. Ursprünglich hoffte man, mit der intranasalen Insulingabe Übergewichtigen das Abnehmen zu erleichtern und konzipierte die Forschungsarbeit entsprechend. Dabei konzentrierte sich Hallschmid auf männliche Probanden. Denn bereits in früheren Forschungsarbeiten hat sich gezeigt, dass Frauen aufgrund des höheren Östrogenspiegels auf die zentralnervöse Insulineinnahme nicht reagieren.
Schokoriegel für mehr Köpfchen?
Eines hatten beide normalgewichtige und übergewichtige Probanden gemeinsam: Bei beiden verbesserte das Insulin die kognitiven Funktionen, also die Gedächtnisleistung. Insulin fördert im Gehirn neuronale Verknüpfungen in der dafür zuständigen Hirnregion. Dennoch sollte man Süßigkeiten auch weiterhin nur in Maßen genießen. Denn wie Studien zeigen, leiden Übergewichtige häufiger an Demenzerkrankungen und Alzheimer als Normalgewichtige.
Preiswürdig: besondere Relevanz für Adipositasforschung
„Die Forschungsarbeit zeichnet sich durch eine besondere Relevanz für die gegenwärtigen Diskussionen der Ursachen und Therapie von Adipositas aus“, erklärt Professor Günther Wolfram, Präsident des IDE, warum die Wahl der Preisjury auf Hallschmids Arbeit gefallen ist. In der Jury sitzen renommierte Wissenschaftler aus verschiedenen Fachrichtungen. Sie werden durch den wissenschaftlichen Beirat des IDE gewählt. Das Institut zeichnet jedes Jahr einen Nachwuchsforscher für besondere Leistungen aus. Bewerben können sich junge Wissenschaftler bis zum vollendeten 35. Lebensjahr aus Deutschland, der Schweiz und Österreich mit Forschungsarbeiten aus der Ernährungswissenschaft, Ernährungsmedizin und verwandten Gebieten. Voraussetzung: Sie dürfen für ihre eingereichte Arbeit noch keine Auszeichnungen erhalten haben.
Das Institut Danone Ernährung für Gesundheit e.V. (IDE)
Das IDE wurde im November 1992 durch die Danone GmbH gegründet und ist mit weiteren 17 eigenständigen Danone-Instituten weltweit in ein internationales Netzwerk eingebunden. Es ist eine unabhängige wissenschaftliche Institution, die ausgewählte Forschungsprojekte der Bereiche Ernährungswissenschaft und -medizin fördert. Bis heute wurden über 130 Projekte unterstützt. Darüber hinaus leistet das Institut Ernährungsaufklärung unter strikter Wahrung der Produkt- und Firmenneutralität: Für verschiedene Zielgruppen werden anschauliche Materialien über praktisches Ernährungswissen erstellt. Das IDE bietet damit Wissenschaftlern, Ärzten, Ernährungsfachkräften und anderen Interessierten Zugang zu aktuellen ernährungswissenschaftlichen, und -medizinischen Erkenntnissen.
Weitere Informationen unter www.institut-danone.de