Was gutes Bier schlecht werden lässt – Forscher auf der chemischen Fährte von „abgestandenem Gerstensaft“
Biertrinker kennen den schalen
Geschmack von altem Bier. Wissenschaftlern blieb die Frage aber
unbekannt, welche chemischen Prozesse ablaufen, wenn Bier schlecht wird.
Ein Forscherteam der Simon-Bolivar-Universität in Caracas
http://www.usb.ve und der Venezuelanischen Brauerei Polar
http://www.empresas-polar.com sind diesem Phänomen nachgegangen,
berichtet das Wissenschaftsmagazin Nature in seiner Online-Ausgabe.
Adriana Bravo und ihr Forscherteam konnte zum Beispiel feststellen, dass
eine chemische Reaktion mit dem Namen Maillard-Reaktion – hierbei werden
Aminosäuren und reduzierende Zucker unter Hitzeeinwirkung zu neuen
Verbindungen umgewandelt – dazu führt, dass Bier, wenn es gelagert wird,
schlecht wird. „Normalerweise kommt es erst bei Temperaturen, bei denen
Lebensmittel gekocht oder gebacken werden, zu dieser Reaktion. Wir
konnten aber überraschenderweise beobachten, dass diese chemische
Reaktion bei Bier bereits bei Temperaturen zwischen 15 und 20 Grad
auftritt“, erklärt Bravo.
Die Forscher vermuteten, dass Zwischenglieder der Maillard-Reaktion – so
genannte Alpha-Dicarbonyle – mit der geschmacklichen Veränderung des
Biers zu tun haben könnten. Mit Hilfe der chemischen Substanz
Aminoguanidin, die in der Pharmazie zur Kontrolle der Reaktionen von
Zucker mit Proteinen und Enzymen bei Diabetikern getestet wird, konnte
die Maillard-Reaktion beim Bier gestoppt werden, ohne jedoch den
Gerstensaft toxisch zu machen. Tatsächlich ergaben Geschmacksproben,
selbst von überlagertem Bier, dass es zu keiner
Geschmacksbeeinträchtigung gekommen war. Unklar blieb allerdings
weiterhin, welche speziellen Schritte dieser Maillard-Reaktion letztlich
für den Verlust des Geschmacks verantwortlich waren.
Mit der Beigabe der chemischen Substanz 1,2-Diaminobenzen (1,2-DAB)
konnten die Wege der Alpha-Dicarbonyle genauer identifiziert werden. In
105 Tagen Untersuchung tauchten insgesamt elf solcher Alpha-Dicarbonyle
auf – manche davon nahmen mit der Lagerzeit zu. Mit Hilfe einer
chemischen Geruchsanalyse, mit der Sensibilität der menschlichen Nase,
der Gaschromatographie-Olfaktometrie (GC-O) untersuchten die
Wissenschaftler den Alterungsprozess mit und ohne Beigabe von 1,2-DAB.
Das Ergebnis war interessant: 1,2-DAB hat die Bildung zweier Substanzen
– nämlich Furaneol mit dem Duft von Karamel und Phenylacetaldehyd mit
dem Duft nach Rosen bzw. Hyazinthen blockiert. „Unklar bleibt jedoch
immer noch, wie diese Substanzen und viele andere bisher nicht
identifizierte den gesamten Alterungsprozess von Bier beeinflussen“,
schreiben die Wissenschaftler. Das bedeute, dass die Suche nach
Substanzen zu einer wirksamen Verlängerung der Haltbarkeit von Bier
weitergehen müsse.
„Ein Grund, warum viele Biere heute weniger lange haltbar sind, liegt
unter anderem auch am geringeren Hopfenanteil“, erklärt der
österreichische Bierpapst Conrad Seidl http://www.bierkultur.at . Hopfen mache das Bier allerdings bitter, wirke
jedoch aufgrund des hohen Gerbstoffanteils antioxidativ. Dass
verschiedene Faktoren den Alterungsprozess des Gerstensafts
beeinflussen, sei hinlänglich bekannt, meint Seidl. Selbst Licht gehöre
zu den Faktoren, die ein Bier schneller alt werden lassen. „Die von den
Brauereien angegebenen Haltbarkeitsdaten sind vielfach absurd“, meint
der Bierexperte. Verlängern könne man die Haltbarkeit in der Regel mit
Hilfe der Pasteurisierung und natürlich auch, wenn in der Schrotmühle
unter Luftabschluss gearbeitet werde, so Seidl abschließend. Wolfgang Weitlaner