Historische Jahrhundert-Raritätenprobe der Prädikatsweingüter dokumentiert Langlebigkeit und Größe des Rieslings im Reigen der Großen Weine der Welt
Man nehme: Riesling-Weine aus den größten Jahrgängen des letzten Jahrhunderts und aus den besten Lagen Deutschlands; 22 der erstklassigsten Riesling-Erzeuger aus deutschen Weinlanden und 7 der anerkanntesten Weinexperten aus aller Welt.
Der Ort: Schloss Johannisberg im Rheingau, ein moderner Probenraum auf historischem Boden.
Das Ergebnis: Ein überwältigendes Plädoyer für Riesling als langlebige, unnachahmbare, facettenreiche und faszinierende Rebsorte mit großer Vergangenheit und Zukunft. Und eine Bestätigung des deutschen Spitzenweines im Reigen der Großen Weine der Welt.
http://www.vdp.de/qualitaetsversprechen/riesling/
Die Weinkenner
Gian Luca Mazella, italienischer Weinjournalist (u.a. Gambero Rosso, RAI, Sky News), hatte die Initialzündung zu dieser historischen Riesling-Probe gegeben. Die Prädikatsweingüter Deutschlands waren ob der Fülle an Traditionsgütern in ihren Reihen für ihn der ideale Partner. Mit Unterstützung des Deutschen Weininstitutes wurde dann noch eine „handvoll“ Journalisten zu der rare Probe dazu geladen. Publizisten, die in ihrer Heimat für renommierte Weinpublikationen schreiben, zudem einflussreiche Verkoster und Buchautoren sind und schlicht als Kapazitäten ihrer Zunft gelten: Jancis Robinson M.W., England, David Schildknecht und Bruce Sanderson, beide USA, Dieter Braatz, Deutschland Michel Bettane, Frankreich, Katsuyuki Tanaka, Japan. Alle angefragten Journalisten nahmen die Einladung begeistert an. Verständlich, denn selbst großen Weinschreibern sind solche Proben nur selten vergönnt, da die wenigen, noch existierenden Wein-Exemplare in den Schatzkammern der Erzeuger wohl gehütet werden.
Die Probenfolge
Für Gian Luca Mazzella war es kein leichtes Unterfangen, die Güter und Weine zusammenzustellen. Sein Anspruch war, dass die Probe die größten Jahrgänge des vergangenen Jahrhunderts berücksichtigen und die unterschiedlichen Weinkategorien abbilden sollte, die zu jeder Zeit üblich waren: Vom Cabinet, (historische Bezeichnung für die besten Weine*), über „naturrein“** bezeichneten Wein, vom trockenen Wein bis hin zu einer Fülle von edelsüßen Auslesen, feinsten Auslesen, Beerenauslesen, Trockenbeerenauslesen sowie Eiswein. Bewusst traf er seine teils provokante Auswahl der Erzeuger, bei der manche fehlen, die für die Renaissance des Rieslings, allerdings mehr im 21. Jahrhundert von großer Bedeutung sind, diesen Ruf aber noch nicht im 20. Jahrhundert begründet hatten. Außerdem existiert kein Verzeichnis, welchen Wein welches Traditionsweingut in seiner Schatzkammer unter Verschluss hält. Noch weniger ist bekannt, welche Analysedaten die alten Weine von 1900 und 1911 etc. zum Zeitpunkt ihrer Lese aufwiesen – unabdingbar für die Festlegung der Probenfolge und die sensorische Harmonie der Probe. Doch Mazzella gelang das Kunststück.
Die Weine
Andächtige Stille herrschte im Raum, als der erste Wein, ein trockener 1900 Ruppertsberger Stückelpfad vom Weingut Geh. Rat Dr. v. Bassermann-Jordan ausgeschenkt wurde. Er wurde zusammen mit einem 1931er Erbacher Rheinhell Cabinet (Schloss Reinhartshausen), einem 1937 Casteller Schlossberg Naturrein (Domänenamt Castell – der letzten existierenden Flasche!) und Vertretern der Jahre 1992, 1990 und 1999 verkostet. Begeisterung! Nach 108 Jahren stand der Wein und auch die jüngeren Exemplare klar und in reifer Schönheit da.
Bewusst ließ die Probenfolge den Spannungsbogen nie abbrechen. Sie begann zwar mit dem ältesten Wein, war im übrigen aber nach Fruchtsüße, Alkoholgehalt und Säure arrangiert, sofern bekannt, denn Weinanalysen waren 1900 nicht üblich. Und selbst Analysen können nach einigen Jahrzehnten nur ein Hinweis sein, da mit der Reife eines Weines auch eine Weiterentwicklung einhergeht, die die Süße weniger schmeckbar macht.
In der zweiten Serie wurden großartige Auslesen von 1949 (Niederhäuser Hermannsberg, Niederhausen-Schlossböckelheim), 1989 (Erdener Prälat, Dr. Loosen), 1964 (Eitelsbacher Karthäuserhofberg, Karthäuserhof) und 1973 (Oberhäuser Brücke, Dönnhof) verkostet.
Den Auftakt der dritten Runde, die aus noch konzentrierteren Auslesen, Beerenauslesen und Eiswein bestand, machte ein 1911 Kiedricher Berg Riesling Auslese von Robert Weil. Ein Wein, der als „Hauswein“ des Grand Hotel Adlon Berlin und auch im Berliner Stadtschloss des Kaiserhauses galt. Ihm folgten Weine aus den legendären Lagen Scharzhofberg (1971), Bernkasteler Doctor (1976), Braunerberger Juffer-Sonnenuhr (1994) und Mussbacher Eselshaut (1998), um nur einige zu nennen.
Den Schlusspunkt setzten grandiose Beeren- und Trockenbeerenauslesen: Ein 1921 Steinberger von den Staatsweingütern Kloster Eberbach, ein 1937 Erbacher Marcobrunn von Schloss Schönborn (interessanterweise die erste von 48 gekelterten Flaschen, die die Schönborn’schen Schatzkammern verlässt), ein 1947 Schloss Johannisberger Goldlack, eine 1959 Wehlener Sonnenuhr von Joh.Jos. Prüm und eine 1967 Wachenheimer Rehbächel von Dr. Bürklin Wolf.
Schlusspunkt
„Es grenzt fast an ein Wunder, dass wir ein Jahrhundert Riesling abbilden konnten und alle Weine sich hervorragend verkostet haben, jeder einzelne Wein war ein besonderer Genuss und ein Zeitdokument,“ beschreibt VDP-Vizepräsident Wilhelm Weil, die Verkostung.
Auch für die anwesenden Prädikatsweingüter, die jeweils ihren Wein vorgestellt hatten, war diese Probe ein Ereignis, das sie so noch nicht erlebt hatten. Die Weine aber waren ein Testament für die zeitlose Qualität und glasklare Schönheit von Riesling mit Stammbaum aus den besten Deutschen Weinbergslagen.
Bei herrlichem Sonnenschein genossen alle Teilnehmer im Anschluss der Probe inmitten des historischen Steinberg-Weinbergs von Kloster Eberbach ein Mittagsmahl unter freiem Himmel als würdigen Abschluss einer außergewöhnlichen Probe.
*Cabinet: Ursprünglich besonderer Weinkeller, Aufbewahrungsort der besten Weine, die auch Cabinetweine genannt wurden; die historische Bezeichnung entstand im 18. Jh. im Rheingau und bezog sich auf den so genannten Cabinetkeller in Kloster Eberbach. Mit dem Weingesetzt von 1971 verboten. Sie lebt im Weingesetz Deutschlands und Österreichs im Begriff Kabinett für die niedrigste Stufe der Prädikatsweine fort. (enobooks.de)
**Naturrein: Ohne (künstliche) Zusätze gekeltert. Im Weingesetz von 1901 wurde die Bezeichnung „Naturwein“ erstmals geregelt, indem ihre Verwendung für verbesserte (mit Zucker angereicherte) Weine verboten war. Der Begriff ist seit der Verabschiedung des Weingesetzes von 1971 auf Weinetiketten und in der Werbung für Wein nicht mehr zulässig, da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass alle Weine Naturprodukte sind und die Verwendung des Begriffs Natur folglich eine Art irreführenden Wettbewerbs darstellt.