Biologische Vielfalt

Der Schlüssel zum Überleben

Auf den ersten Blick scheint „Biologische Vielfalt“ oder „Biodiversity“ ein Thema zu sein, das vor allem Natur- und Pflanzenliebhaber interessiert. Doch wenn Ende Mai Experten aus aller Welt nach Bonn kommen, um an der 9. Vertragsstaatenkonferenz für biologische Vielfalt teilzunehmen, geht es um mehr: In der Erhaltung der Artenvielfalt auf unserem Planeten liegt der Schlüssel zur Lösung vielfältiger Probleme, vor allem der Ernährung der wachsenden Bevölkerung. Die Arten dieser Erde sind vergleichbar mit einem Werkzeugkasten, der allerdings unüberschaubar groß ist. Die Evolution hat im Laufe von Millionen Jahren eine solche Vielzahl von Organismen hervorgebracht, dass jede noch so kleine Lebensraum-Nische besetzt ist.

Doch was nützt das? Diese Variationen von Organismen bilden einen großen genetischen Pool für die Suche nach Resistenzen gegen Pflanzenkrankheiten und nach Gegenspielern (Antagonisten) für Schädlinge. Nematoden, Pilze, Bakterien und Insekten können selbst Schädlinge sein oder aber gegen eine Vielzahl von Erkrankungen wirken: Marienkäferlarven, die Blattläuse vertilgen, Schlupfwespen, die als Parasiten ihre Eier in Schadinsekten ablegen, oder Tagetes-Pflanzen, die zur Nematodenbekämpfung in Tomatenkulturen eingesetzt werden.

Neben diesen mehr oder weniger bekannten Beispielen hält die Natur aber eine nahezu unendliche Anzahl weiterer Möglichkeiten bereit – man muss sie nur finden. Demgegenüber steht die weltweite Nutzung nur einiger weniger Sorten an Nutzpflanzen. Experten sprechen vom „genetical footprint“ und meinen, dass über ganze Kontinente hinweg beispielsweise nur wenige Weizensorten verwendet werden. Die Vielfalt der Arten wird mehr und mehr zurückgedrängt – einhergehend mit der Gefahr der ungebremsten Ausbreitung von Pflanzenkrankheiten. Ende des zweiten Weltkrieges beispielsweise führte die Kraut- und Knollenfäule der Kartoffel zu immensen Ernteausfällen. Noch heute sind diese und andere Krankheiten extrem schwierig zu bekämpfen, so dass dringend das antagonistische Potenzial existierender Arten genutzt werden muss, um die Versorgung der Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln sicher stellen zu können. Effizientere, preiswertere und zielgerichtetere Lösungen stecken in dem, was uns die Natur zu bieten hat. Was heute nutzlos erscheint, kann schon morgen von größtem Interesse sein. Hätte man nicht schon vor Jahrzehnten weltweit Genbanken eingerichtet, wäre womöglich schon heute ein großer Teil des Pools verloren, aus dem Wissenschaftler Lösungen zur Anpassung von Pflanzen an die Folgen des Klimawandels ziehen können. Diese Anwendungsnotwendigkeit war vor Jahrzehnten genauso wenig vorhersagbar, wie heute bekannt ist, vor welchen Problemen die nächste Generation stehen wird. Deshalb ist es wichtig, heute so viele Arten wie möglich zu schützen – letztendlich, um die Art „Mensch“ erhalten zu können.
(Friederike Eversheim)

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