Gekocht, gebacken oder geröstet ein Genuss
Sie sind mal klein und dunkel, mal hell und groß wie ein Kürbiskern. Melonenkerne variieren je nach Sorte und sind den Deutschen vor allem als eines bekannt: ein lästiges Übel, das beim Genuss einer saftigen Melone vorher entfernt oder, noch lästiger, zwischendurch ausgespuckt werden muss. Schade drum! In vielen Ländern schätzt man sie als nahrhafte Beigabe oder auch als Snack.
„In der Türkei, im Libanon, Syrien, Ägypten und China ist das wie ein Volkssport: Man sitzt zusammen und isst geröstete Melonenkerne“, beschreibt der Röstmeister Nicolas Tasrini. Er stammt selbst aus dem Libanon und vertreibt in seiner Berliner Firma unter anderem geröstete Melonenkerne. Seine Erfahrung: Viele Europäer probieren die Kerne samt Schale und können ihnen dann nicht viel abgewinnen. Falsche Technik! „Man muss die Spitze mit den Zähnen öffnen und dann, wie ein Papagei, mit der Zunge den Kern aus der Schale holen.“ Theoretisch seien dafür alle Melonenkernarten geeignet, wobei sich die größeren jedoch besser öffnen lassen. Beim Rösten ist wichtig: Die Kerne müssen ungeschält sein.
In westafrikanischen Ländern gehören die kleinen Kerne völlig selbstverständlich in den Topf: Man kocht sie mit Blattgemüsen wie Spinat oder Mangold, aber auch mit Tomaten, Okras, Fleisch und Fisch. Diese Zubereitungsart setzt allerdings voraus, dass die Kerne zuvor geschält wurden. „Égusi“, wie man sie hier nennt, werden geschätzt, da sie sehr viel Protein enthalten sollen. Das kanadische International Development Research Centre engagierte sich daher in den 1980er Jahren für die Entwicklung einer speziellen Égusi-Schälmaschine.
Bereits 1903 kamen Wissenschaftler des Pharmazeutischen Instituts der Universität Berlin zu dem Ergebnis, dass Melonenkernöl als Speiseöl brauchbar sein dürfte. Sie hatten vom Kolonialwirtschaftlichen Komitee die Kerne aus Togo zur Untersuchung geliefert bekommen.
Über 100 Jahre später entdecken, wenn auch noch langsam, die europäischen Bäcker den knackigen Kern für sich. Amin Werner, Geschäftsführer des Verbandes der Backmittel- und Backgrundstoffhersteller e. V. in Bonn, kann sich vorstellen, warum Melonenkerne trotz ihrer Beliebtheit in anderen Ländern in deutschen Bäckereien noch immer eine Rarität sind: „Man verwendet gerne Rohstoffe, die im Land angebaut werden und nicht importiert werden müssen – das ist eine Kostenfrage.“
aid, Johanna Thelemann