Streik am Flughafen

Rechte der Flugpassagiere bei Verspätung oder Annullierung des Fluges

Rechte als Fluggast, Reisender und Flugpassagier gegenüber dem Reiseveranstalter, Reisebüro oder der Fluggesellschaft, wenn der Flug auf Grund eines Streiks des Bodenpersonals am Flughafen verspätet war oder annulliert und gestrichen wurde.

von Rechtsanwalt Jan Bartholl, Münster

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di will ihren Forderungen in diesen Tagen mit gezielten Warnstreiks Nachdruck verleihen. Die Gewerkschaft teilte mit, dass an den Flughäfen Düsseldorf, Berlin-Tegel, Hamburg, Frankfurt am Main, München, Hannover-Langenhagen, Saarbrücken, Nürnberg, Stuttgart, Münster-Osnabrück und Köln-Bonn zu Warnstreiks aufgerufen wird. Damit sind für die betroffenen Fluggäste, Fluggesellschaften und Flughafenbetreiber erhebliche Einschränkungen, Behinderungen und Störungen im Betriebsablauf vorprogrammiert. Der Schwerpunkt der Streiks wird auf die Personen- und Gepäckabfertigung gelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di koordiniert die Arbeitsniederlegungen und Streikmaßnahmen zentral aus dem Hauptsitz in Berlin. Die Gewerkschaft informierte die Presse, die betroffenen Fluggesellschaften und Flughafenbetreiber über nähere Einzelheiten der Warnstreiks. Linienfluggesellschaften wie Lufthansa und andere reagieren auf die angekündigten Arbeitsniederlegungen mit der vorsorglichen Streichung und Annullierung bestimmter Flüge. Andere Fluggesellschaften warten die Entwicklung und die Folgen der Arbeitsniederlegungen ab. Die Flughafenbetreiber organisieren in Abstimmung mit den Fluggesellschaften unterschiedliche Reaktions- und Notpläne, die den Betriebsablauf sicherstellen sollen.

Treten die Mitarbeiter der Gepäckabfertigung, des Sicherheitspersonals, der Flugzeugabfertigung am Boden, der Bodenverkehrsdienste und die Be- und Entlader der Flugzeuge in den Ausstand, hat das häufig die Streichung vieler Flüge zur Folge. Einige Airlines bieten den Flugpassagieren im Vorfeld kostenlose Umbuchungen an. Andere erteilen ihren Fluggästen Fluggutscheine, wenn diese ihre Ansprüche auf Beförderung aus den bezahlten Flugtickets aufgeben. Zudem bieten einige Airlines an, die Kosten für Bahnfahrten zu übernehmen.

Allzugerne versuchen nicht nur die sogenannten „Billigflieger“ wie Ryanair, Easyjet, Germanwings, Buzz und andere, sondern auch etablierte Linienfluggesellschaften wie Lufthansa, KLM, Air France, British Airways oder Iberia, sich in Fällen erheblicher Verspätung des Fluges oder Annullierung auf außerordentliche Umstände oder höhere Gewalt zu berufen. Die Haftung wird dann wegen „unvorhersehbarer und außerordentlicher Umstände“ oder „höherer Gewalt“ abgelehnt. Das ist in einigen Fällen jedoch ein Vorwand und der Versuch, sich aus der gesetzlichen Verantwortung zu stehlen.
Die Fluggesellschaft muss grundsätzlich auch bei Arbeitsniederlegungen wie Warnstreiks die Beförderung ihrer Flugpassagiere sicherstellen. Dazu muss die Airline alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Organisation der Abfertigung und der Beförderung der Passagiere und deren Reisegepäck zum Zielort zu gewährleisten.

Es gilt zu beachten: Auch wenn eine Annullierung, eine Überbuchung des Fluges oder eine Verspätung ärgerlich sind, sollte der Flugpassagier nicht leichtfertig den Rücktritt vom Vertrag erklären und eigenmächtig für Abhilfe sorgen. Es sollte zunächst die Sach- und Rechtslage geprüft werden. Wegen der ungenauen Vorgaben durch die EU-Kommission in der EU-Verordnung bestehen zahlreiche Probleme in der Praxis. Daher sollte die Vorgehensweise in jedem Einzelfall genauestens überprüft werden, bevor unbedachte und voreilige Aktionen vorgenommen werden.

„Wilde“ außerbetriebliche Streiks und ungeordnete Arbeitsniederlegungen können im Einzelfall als „außergewöhnliche Umstände“ die Annullierung eines Fluges rechtfertigen.
Außerbetriebliche Streiks können in bestimmten Situationen zudem einen Fall höherer Gewalt darstellen. Dann entfiele die Haftung der Fluggesellschaft. Jedoch sind Situationen höherer Gewalt im rechtlichen Sinne nur außergewöhnliche und unvorhersehbare Ereignisse, die auch durch äußerste Sorgfalt des Betroffenen nicht verhindert werden können. Damit sind die sogenannten „wilden“ Arbeitskämpfe von koordinierten, organisierten und angekündigten Arbeitsniederlegungen zu unterscheiden. Waren Arbeitskämpfe und deren Folgen vorhersehbar und Arbeitsniederlegungen zeitig angekündigt und koordiniert, können Schadensersatzansprüche und Forderungen nach Ausgleichszahlungen von Flugpassagieren im Einzelfall rechtmäßig und begründet sein. Nach europarechtlichen Vorschriften haben die Airlines „alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen“, um eine Annullierung und Streichung des angebotenen Fluges zu vermeiden. Kann sich die Fluggesellschaft im Einzelfall nicht entlasten, steht dem Flugpassagier ein Anspruch auf Schadensersatz und zusätzlich ein Anspruch auf Ausgleichszahlung nach der EU-Verordnung zu. Fluggäste und Reisende sollten sich an den gesetzlichen Fluggastrechten orientieren und ihre Rechte konsequent gegenüber der Airline einfordern.

So entschied das Amtsgericht Frankfurt durch Urteil vom 09. Mai 2006 (Aktenzeichen 31 C 2820/05), dass die Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz und Ausgleichszahlung haben, weil der Streik im konkreten Fall keinen außergewöhnlichen Umstand für die Fluggesellschaft darstellte. Die Kläger wollten von Paris nach Frankfurt fliegen. Der Flug wurde wegen Streiks des Bodenpersonals gestrichen. Die Kläger konnten den Flug wegen der Annullierung erst zwei Tage später antreten. Das Gericht sprach den Klägern Erstattung der Hotel- und Übernachtungskosten, Schadensersatz und zusätzlich eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600 Euro pro Person zu. Das Gericht entschied, dass es sich um keinen spontanen und „wilden“ Streik des eigenen Personals der Airline handelte und dieser daher vorhersehbar war. Die Fluggesellschaft hätte sich auf die Arbeitsniederlegung einstellen und Ersatzpersonal organisieren können.

Wird der Flug mit der Begründung von Streiks gestrichen und annulliert, können Fluggäste demnach im Einzelfall Schadensersatz gemäß Artikel 5 der EU-Verordnung Nr. 261/2004 verlangen. Die Haftungshöchstgrenze der Fluggesellschaften liegt bei diesen Schadensfällen bei ca. EUR 4.800,00. Befördert die Fluggesellschaft den Fluggast nicht gemäß des ursprünglich gebuchten Fluges, steht dem Fluggast zusätzlich zum Anspruch auf Schadensersatz ein pauschalierter Ausgleich zu, der wie folgt gestaffelt ist: Bei Flügen unter 1.500 Kilometern Entfernung hat die Airline 250,00 Euro zu zahlen. Bei Flügen zwischen 1.500 und 3.500 Kilometern Entfernung sind 400,00 Euro und bei Flügen über 3.500 Kilometern außerhalb der EU-Grenzen 600,00 Euro zu zahlen.

Flugpassagiere können sich im Falle einer Annullierung alternativ den Flugticketpreis erstatten lassen und einen kostenfreien Rücktransport zum Abflugsort verlangen. Fluggäste können zudem eine Ersatzbeförderung zum geplanten Flugziel verlangen. Dabei ist grundsätzlich zu beachten, dass die Kosten so gering wie möglich gehalten werden müssen. Das bedeutet, dass die Ausgaben für einen Flugersatz und eine andere Beförderungsmöglichkeit in angemessenem Verhältnis zu den Kosten des Flugtickets und des sonstigen Schadens stehen müssen. Welche anderweitigen Beförderungsmöglichkeiten bestehen und wieweit diese angemessen sind, kann nach genauer Prüfung der Sachlage im Einzelfall beurteilt werden. Kann sich die Fluggesellschaft im Einzelfall eines Streiks nicht entlasten, haftet sie ihren Fluggästen zudem für entstandene Schäden wie Kosten für Hotel und andere Übernachtungskosten, Wartezeiten, Kosten für Mahlzeiten, Erfrischungen, Telefongespräche, Internetzugang, anderweitige Aufwendungen und psychische und physische Belastungen.

Häufig versuchen die Fluggesellschaften Ihre Verantwortung zu bagatellisieren oder gar zu leugnen. Die Haftung, die Haftungshöhe und der Haftungsumfang werden von Fluggesellschaften regelmäßig herabzusetzen versucht. Erkundigen Sie sich genau nach Ihren Rechten und fordern Sie diese konsequent gegenüber der Fluggesellschaft ein, wenn Ihnen im Einzelfall unverschuldet ein Schaden enstanden ist. Wenn Sie unsicher sind, ziehen Sie den Rat eines fachkundigen Ansprechpartners hinzu. Die Kosten für einen Rechtsanwalt können im Einzelfall Aufwendungen darstellen, welche von der Airline oder dem Reiseveranstalter erstattet werden müssen. Verständige Ansprechpartner werden Ihnen im Einzelfall weiterhelfen.

Weitere Infos: www.ra-janbartholl.de

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