Frühkindliche Ereignisse beeinflussen das Altern

„Warum jemand länger lebt, hat nicht nur mit den Genen zu tun“ – Wissenschaftler sind dem Altern auf der Spur

„Warum jemand länger lebt, hat
offensichtlich nicht nur mit den Genen zu tun. Vielmehr gibt es auch
Hinweise darauf, dass im embryonalen Stadium oder in der frühen Jugend
Ereignisse dafür mitverantwortlich sind“, so die Immunologin Beatrix
Grubeck-Loebenstein vom Institut für Biomedizinische Altersforschung
(IBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
http://www.iba.oeaw.ac.at . Das IBA gehört zu
den insgesamt 18 Forschungseinrichtungen, die bei dem LifeSpan-Projekt
mitarbeiten. „Gerade heute, in einer Zeit kontinuierlich steigender
Lebenserwartung, in der das traditionelle Bild des Alterns als
unvermeidlicher, nicht zu beeinflussender Bestandteil des biologischen
Kreislaufs zunehmend ins Wanken gerät, ist ein umfassendes Verständnis
der biologischen Gesetzmäßigkeiten aller beteiligten Prozesse von
höchster Bedeutung“, erklärt die Forscherin. Dazu gehöre auch eine
interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Institute.

Grubeck-Loebenstein und ihr Team beschäftigen sich im Rahmen von
LifeSpan mit dem Altern des Immunsystems, im Speziellen mit
Veränderungen des T-Zell-Repertoires im Alter und deren Auswirkungen auf
die Entstehung altersbedingter Erkrankungen sowie mangelnden Impferfolg.
Das Forscherteam arbeitet dabei mit verschiedenen Tiermodellen aber auch
mit Zwillingsstudien. Von speziellem Interesse sind etwa Untersuchungen
an Menschen, die in der Jugend oder im Mutterleib extremer
Unterernährung oder Hunger ausgesetzt waren. „Dabei soll der Frage
nachgegangen werden, welche Genabschnitte besonders anfällig für
epigenetische Veränderungen sind und welchen Einfluss prä- und
postnatale Bedingungen wie zum Beispiel Mangelernährung, Geburtsgewicht,
Wachstum und Body-Mass-Index auf die Häufigkeit des Auftretens
bestimmter Erkrankungen und auf die Langlebigkeit haben“, so die
Forscherin.

Ein Beispiel des besonderen Interesses sind Menschen, die den so
genannten „Dutch Hunger Winter 1944“ miterlebt haben. Dieses Ereignis,
bei dem ein Teil der niederländischen Bevölkerung aufgrund des 2.
Weltkriegs nur wenig Nahrung erhalten konnte, hatte mehr als 20.000
Menschenleben gekostet. Für die Wissenschaftler lieferte die Hungersnot
Daten für die so genannte „Dutch Famine Birth Cohort“- Studie, die sich
mit den Spätfolgen der Katastrophe auseinandersetzt. „Wir gehen hier
insbesondere der Frage auf den Grund, wie die Entwicklung des
Immunsystems durch Mangelernährung im Mutterleib beeinflusst wird.“ Die
Forscher analysieren dafür die Diversität des T-Lymphozyten-Repertoires.
„Hohe Diversität erlaubt das Erkennen und Bekämpfen vieler verschiedener
Krankheitserreger, niedere Diversität bedeutet das Gegenteil“, erklärt
die Medizinerin. „Untersucht wird die Fähigkeit von Abwehrzellen,
bestimmte Pathogene wie etwa Viren oder Bakterien zu bekämpfen.“

„Um menschliches Altern wirklich zu verstehen, muss die gesamte
Lebensspanne vom Embryo bis ins hohe Alter in eine ganzheitliche
Forschung miteinbezogen werden“, zeigt sich Grubeck-Loebenstein
überzeugt. Im Netzwerk „LifeSpan“ erhalten solche bisher auf nationaler
Ebene durchgeführten Studien eine europäische Dimension. Langfristig
wollen die Forscher damit eine wissenschaftliche Basis für die
Entwicklung von Interventionsmaßnahmen schaffen, die bereits früh in der
Kindheit ansetzen und sich dann im Alter positiv auf die Lebensqualität
auswirken. „Die aus dem Projekt gewonnenen Erkenntnisse werden in ein
europäisches Trainingsnetzwerk für Experten in der Gesundheitspflege
einfließen und auch für die Öffentlichkeit aufbereitet“, erklärt die
Forscherin.

So vielschichtig und komplex der Alternsprozess auch ist, ist das Altern
an sich doch ein biologischer Vorgang, der fast alle Lebewesen
gleichermaßen betrifft. Das EU-Projekt LifeSpan („Integrating research
into Development and Ageing“) http://www.lifespannetwork.nl will dem
Altern und den dahinter liegenden Prozessen auf die Spur kommen. Was die
Forscher dabei besonders interessiert, sind frühkindliche Ereignisse und
ihre Bedeutung für das Leben eines Erwachsenen. Zielsetzung des
Netzwerks „LifeSpan“ ist es, eine Brücke zwischen den derzeit kaum
fächerübergreifend arbeitenden Disziplinen Entwicklungsbiologie und
biomedizinischer Alternsforschung zu schlagen. Wolfgang Weitlaner

Sende
Benutzer-Bewertung
5 (1 Stimme)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

×