Heißgetränke-Kultur fest im sozialen Alltag verwurzelt
Tee und Kaffee prägen im Land am Bosporus
das soziale Leben. Keine Gelegenheit wird ausgelassen, um in
Gesellschaft gemeinsam ein Gläschen „Cay“ (Schwarztee in einem Glas
serviert) zu genießen. Aber auch dem heißen und schaumigen türkischen
Mokka wird ein ähnlich großer sozialer Stellenwert zugeschrieben. So
heißt es in einem türkischen Sprichwort: „Mein Herz will weder Kaffee
noch Kaffeehaus – mein Herz will Unterhaltung. Kaffee ist nur eine
Ausrede!“
Beide Heißgetränke werden nicht nur zu Hause, bei Geschäftstreffen oder
mit Freunden genossen, sondern auch in so genannten „kahvehaneler“, den
traditionellen türkischen Kaffeehäusern. Sie dienen den Männern als
Treffpunkt, um Neuigkeiten auszutauschen, „große Politik“ zu machen,
Backgammon (tavla) oder Karten zu spielen sowie Wasserpfeife zu rauchen.
Tee: lange und beschwerliche Reise
Einst soll der Tee durch Händler – über die Seidenstraße – in die Türkei
gekommen sein. Dies würde auch erklären, warum der türkische Tee „Cay“
(ausgesprochen „tschai“) genannt wird, da diese Bezeichnung sehr dem
chinesischen Wort „Cha“ ähnelt. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts
wurde auch immer wieder versucht, Tee in der Türkei anzubauen,
allerdings vergeblich. Erst eine Expedition in das benachbarte Georgien,
wo Tee erfolgreich kultiviert wurde, brachte den Durchbruch: Dort
erkannte man die klimatischen Ähnlichkeiten zu den heimischen Regionen
an der Schwarzmeerküste. Im Jahr 1924 wurde dann erstmals ein Gesetz zum
Teeanbau erlassen und der Grundstein für die heutige Kultur gelegt.
Derzeit liegt die Türkei weltweit auf Platz fünf der Tee produzierenden
Länder.
Um immer frischen Tee servieren zu können, werden spezielle Kannen
verwendet – entweder ein „Semaver“ oder ein „Caydanlik“. Erster wird
elektrisch beheizt und ist meist in der Gastronomie zu finden, während
das Caydanlik für den privaten Gebrauch vorgesehen ist und auf einer
Herdplatte erwärmt wird; es besteht aus zwei Kannen, wobei sich in der
oberen das Teekonzentrat und in der unteren das Wasser befindet. Wird
der Tee bei uns aus Tassen getrunken, so genießt man ihn in der Türkei
traditionell aus einem tulpenförmigen Glas. Durch die spezielle Form
wird die Wärme optimal isoliert und das Aroma bleibt so besser erhalten.
Kaffee als Gastgeschenk für den Sultan
Auch der Kaffee musste eine lange Reise absolvieren, bevor er in die
Türkei kam. Mitte des 16. Jahrhunderts brachte der Gouverneur von
Äthiopien dem türkischen Sultan Süleyman das schwarze Getränk als
Gastgeschenk mit. Schnell wurde das Kaffeetrinken zu einer Zeremonie,
vor allem bei der Bewirtung von Gästen. Es dauerte hingegen einige Zeit,
bis der Kaffeegenuss auch in den unteren Schichten ein fixer Bestandteil
des alltäglichen und sozialen Lebens wurde.
Der Kaffee wird in einer speziellen Kanne, genannt „cezve“ gemacht. Beim
Kochen in den langstieligen Kännchen, die innen aus verzinntem Kupfer
oder Messing gefertigt werden, handelt es sich um eine der ältesten
Arten, wie Kaffee zubereitet werden kann. Die Form der „cezve“ verstärkt
die Schaumbildung beim Aufkochen des Kaffees. Sie verjüngt sich nach
oben hin und öffnet sich wieder kurz vor dem Rand.
Eine weitere Tradition, die sich rund um das Kaffeetrinken im Laufe der
Jahre entwickelt hat, ist das Lesen aus dem Kaffeesatz. Die Tasse wird –
bis zum Kaffeesatz – ausgetrunken und dann mit dem Unterteller
zugedeckt, dreimal geschüttelt und verkehrt abgestellt. So kann „in die
Zukunft geschaut werden“.
Spezielle Tee- und Kaffeezubereitung
Nicht nur der Genuss der beiden Getränke wurde im Laufe der Zeit zum
Ritual, sondern auch die Zubereitung. Um den goldbraun gefärbten
Schwarztee zu kochen, benötigt man zwei Kannen verschiedener Größe, die
aufeinander gestellt werden. In die kleinere wird pro Tasse ein Löffel
Teekonzentrat gegeben und mit Wasser abgespült. Durch die aufsteigende
Hitze des zweiten metallenen Kessels, in dem sich das Teewasser
befindet, wird das Konzentrat warm gehalten. Dann wird das Wasser in der
unteren Kanne zum Kochen gebracht, wodurch der Tee im oberen Kessel
15-20 Minuten zieht. Zum Schluss wird das Konzentrat der oberen Kanne
durch ein Sieb gelassen und je nach Belieben mit Wasser aufgegossen und
durch Zucker versüßt. Das Hinzugeben von Milch ist verpönt, da es den
Geschmack des Tees verfälscht.
Auch die Zubereitung von Kaffee unterscheidet sich von jener in
Österreich. Fein gemahlenes Kaffeepulver (ein Mokkalöffel pro Tasse)
wird mit Wasser und Zucker (ja nach Geschmack) erhitzt. Danach wird
solange vorsichtig umgerührt, bis sich Schaum bildet. Davon wird etwas
abgeschöpft und in jede Tasse ein bisschen gefüllt. Nach nochmaligem
Aufkochen wird der Rest des Kaffees in die Mokkatassen gefüllt. Vor und
während des Genusses sollte nicht mehr umgerührt werden, damit der
Kaffeesatz beim Trinken nicht stört. Je nach Geschmack wird er überhaupt
nicht („sade“), ein wenig („az sekerli“), mittelstark („orta sekerli“)
oder stark („sekerli“) gesüßt. Im türkisches Volksmund heißt es auch:
Sollte der Kaffee vor einer Hochzeit nicht süßlich sondern salzig
schmecken, ist dies ein Zeichen dafür, dass die zukünftige Braut wohl
nicht zur Hochzeit erscheinen wird. Ein anderes Sprichwort besagt: Wer
türkischen Kaffee oder Tee mit Freunden trinkt, wird 40 Jahre mit ihnen
verbunden bleiben.