3. Kongress für Schulverpflegung

250 Lösungsansätze – aber keine klare politische Regelung

Als sich die Leipziger Fachmesse GÄSTE vor vier Jahren erstmals der gesunden Schulverpflegung widmete, war das Thema öffentlich kaum präsent. Mittlerweile nimmt die Diskussion nicht nur bei den unmittelbar Beteiligten, sondern ebenso in Politik, Medien und Krankenkassen breiten Raum ein. 70 Milliarden Euro jährliche Ausgaben für ernährungsbedingte Krankheiten zwingen zum Umdenken. Bereits jedes sechste Kind ist heute übergewichtig, so der Bundes­verband Verbraucherzentrale e. V.

Diese Entwicklung darf sich nicht fortsetzen. Darüber herrschte Konsens auf dem 3. Kongress für Schulverpflegung, der am 7. November 2007 im Rahmen der Leipziger Fachmesse GÄSTE stattfand. Das Fazit des Kongresses, zu dem 330 Lehrer, Politiker, Caterer sowie Vertreter von Schulküchen und Verwaltungen aus ganz Deutschland angereist waren, hieß: Es muss dringend etwas geschehen in Sachen gesunde Schulverpflegung und Ernährungsbildung – auch wenn noch nicht klar ist, wie das genau aussehen soll. Bisher gibt es bundesweit über 250 verschiedene Projekte und Initiativen zum Thema, alle mit Vor- und Nachteilen. „Notwendig ist ein Runder Tisch zum Thema Schulverpflegung“, resümiert Dr. Michael Polster vom Mitveranstalter B&L MedienGesellschaft München. „Verantwortliche, Nutzer und Anbieter müssen sich untereinander verständigen und praktische Wege zur Umsetzung und Finanzierung einer Ganztagsversorgung finden, die gesetzlich klar geregelt ist.“

Vorbeugen statt heilen

Kurz zuvor war es in der abschließenden Podiumsdiskussion des Schulverpflegungskongresses hoch hergegangen. So wurde vorgerechnet, dass Kinder ohne eine funktionierende Schulverpflegung acht Stunden oder länger keine Mahlzeit bekämen – das sei praktisch Körperverletzung. Weil das föderale System in Deutschland Lösungen behindere, müsse gesellschaftlicher Druck aufgebaut werden, um alle Heranwachsenden ab dem Kindergarten gesund zu verpflegen. Vor allem Spitzenköchin Sarah Wiener nahm kein Blatt vor den Mund: „Etwa ein Fünftel aller Familien kann aus den unterschiedlichsten Gründen keine gesunde Ernährung für ihre Kinder gewährleisten“, sagte sie. „Hier muss der Staat einspringen, und zwar kostenlos für die Eltern.“ Auf eine Kostendiskussion ließ sich die renommierte Gastronomin nicht ein: „Lieber das Geld hier präventiv einsetzen anstatt später bei dicken Kindern und Erwachsenen, bei denen die Folgen falscher Ernährung teuer behandelt werden müssen.“

Ernst-Ulrich Schassberger, der wie Sarah Wiener und weitere Spitzenköche auf der GÄSTE 2007 gemeinsam mit Schülern gekocht hatte, berichtete über seine guten Erfahrungen als Präsident der Stiftung EURO-TOQUES, der Europäischen Union der Köche für gesundheitsbewusste Ernährung mit natürlich produzierten Lebensmitteln. Die 4.000 EURO-TOQUES-Köche reisen in Kindergärten und Schulen, um direkt vor Ort Geschmacksunterricht und einen Einblick in die Welt der Kochkunst zu geben. Schon 300.000 Kinder haben sie damit begeistert.

Gesunde Ernährung als Unterrichtsfach?

Intensiv diskutierte der Kongress die Frage, wie sich die Zubereitung von Speisen in den Schulalltag integrieren lässt. Dr. Elke Liesen von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung DGE schlug vor, das erforderliche Wissen in verschiedenen Unterrichtsfächern zu vermitteln. Praktiker widersprachen diesem Ansatz und empfahlen statt dessen, die Mahlzeiten direkt an den Schulen zuzubereiten und die Kinder dabei einzubeziehen. Das sei besser als die Vermittlung von Theorie und würde zudem zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Ehrenamtliches Engagement kann nicht alle Probleme lösen

Statt lange und mitunter vergeblich auf die Hilfe von Politik und Verwaltungen zu hoffen, werden zahlreiche Projekte ehrenamtlich und gemeinsam mit Verbündeten angepackt. Doch selbst größtes ehrenamtliches Engagement stößt irgendwann an Grenzen, wie das Beispiel des Bistros „Ca’Rossini“ am Hans-Carossa-Gymnasium in Landshut zeigt. Margit Resch und Birgitt Schnitzer-Beck bereiten dort seit Herbst 2006 täglich das Essen für die Schüler des Gymnasiums zu – rein ehrenamtlich. Begonnen haben sie mit 40 Portionen, jetzt sind es bis zu 160 täglich.

Notwendig wurde das Projekt mit Einführung des Nachmittagsunterrichtes ab Klasse 5. Weil an eine gesunde Verpflegung der Schüler überhaupt nicht gedacht worden war – öffentliche Mittel stehen nur für eine Küche zum Aufwärmen von Fertigprodukten zur Verfügung -, nahmen die beiden engagierten Frauen die Sache selbst in die Hand. Mit Hilfe von Geld- und Lebensmittelspenden, unter anderem von regionalen Erzeugern, meistern sie die tägliche Gratwanderung zwischen hohen Ansprüchen und wenig Unterstützung. Für 4,30 Euro gibt es ein Hauptgericht, Salate, Wasser, Saftschorlen und für Schüler mit Nahrungsunverträglichkeiten sogar eine Extrakost. Cola, Ketchup und Pommes sind ebenso tabu wie Convenience-Produkte und Geschmacksverstärker.

Mittlerweile stoßen die Ehrenamtlichen, zu denen auch Eltern und Großeltern gehören, allerdings an ihre Grenzen. „Wir brauchen Geld für eine fest angestellte Kraft und größere Räume. Das Projekt ist allein nicht mehr zu stemmen“, machte sich Birgitt Schnitzer-Beck auf dem Kongress Luft. Obwohl sich die Schule gern mit dem von den Schülern viel besuchten Bistro schmücke, sei keine finanzielle Unterstützung von dieser Seite zu erwarten.

Alternative Bio-Caterer?

Nicht unmittelbar vor Ort gekocht und dennoch gesund ist das bundesweit agierende Bio-Catering von Dr. Harald Hoppe aus Kassel. Auf dem Kongress stellte er sein Mensa-System vor, bei dem die Schüler täglich ohne Voranmeldung ihr Essen an sieben verschiedenen Büfett-Stationen auswählen können. Gerade bei der schwierigen Altersgruppe ab der 7. Klasse sei es inzwischen „in“, am Essen teilzunehmen. Der Anteil der weggeworfenen Essensportionen habe sich drastisch auf ein Zehntel reduziert. Täglich gibt es Wokgerichte, Pasta, Pizza, Salate, Desserts, Getränke und wechselnde Tagesgerichte. Für monatlich 45 Euro kann gegessen werden, wonach der Sinn steht.

Und wenn das immer nur (Vollkorn-)Pizza ist? „Das legt sich nach drei Wochen meist von selbst. Danach steigt der Salatverzehr sprunghaft an“, so die Erfahrung des Bio-Caterers, der immer wieder auslotet, wie Schülerwünsche, gesunde Ernährung und Preise in Einklang zu bringen sind.

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