Die beiden Frankfurter Köche Alfred Friedrich vom „Zarges“ und Mario Lohninger vom „Silk“ sind für die französische Gourmet-Bibel Gault Millau die kulinarischen Aufsteiger des Jahres in Hessen. Sie kochten sich in der jetzt erscheinenden Deutschlandausgabe 2008 in die Phalanx der 25 besten Köche der Bundesrepublik.
Bei Friedrich, der nach einem kurzen Gastspiel als Küchenchef bei Heinz Winkler in Aschau in seine alte Heimstätte Frankfurt zurückkehrte, schwärmen die Tester: „Das Haus mit pariserischem Charme entzückt mit der französischsten Speisekarte der Stadt. Gebratene Gänseleber wird mit dem Raucharoma des Lapsang Souchong Tees derart sinnlich aromatisiert, dass man ein Höhengefühl bekommt, wie es große Lyrik, Musik oder Kunst vermitteln. Pfeffer, Zimt, Gewürznelke, Muskat, Zitrusgelee und Wildfeigen unterstützen das Emotionale in diesem Gericht.“
An Lohninger loben die Kritiker, wie er „ein ultramodernes Ambiente mit hochseriöser Kochkunst verbindet. Was andere auf einem ganzen Teller nicht schaffen, gelingt Lohninger mit einem Gabelbissen. Der Gast wird in eine watteflauschige Atmosphäre getaucht und isst auf weißen Ledergarnituren, halb liegend oder mit ausgestreckten Beinen sitzend, gegrillte Austern mit Steinpilzgulasch und Knoblauch-Eis. Welcher Aufwand allein in diesem spannungsreichen Gericht steckt, das im Glas und nicht auf einem Teller serviert wird, zeigen die Details aus Schalotten, Thymian, Rosmarin, Pilzfond, Austern- und Zitronensaft, Knoblauch- und Zwiebelpüree, Tabasco und Worcestersauce – und darüber schwebt eine Haube gesalzener Milchschaum.“
Beide bekamen vom Gault Millau, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, 18 von 20 möglichen Punkten und 3 Kochmützen. Sie stehen für „höchste Kreativität und Qualität”. Eine höhere Note verdienen nach dem Geschmack der Franzosen nur 10 Köche in Deutschland.
Eins auf die Kochmütze bekam Starkoch Juan Amador in Langen, der von 18 auf 17 Punkte sank: „Immer originell sein zu müssen, ist sicher ebenso Belastung wie Herausforderung für einen Koch, von dem höchstes Niveau erwartet wird. Wir haben aber das Gefühl, dass die Küche das Entertainment der Gäste zu stark in den Mittelpunkt stellt. Bei den Tapas und Snacks, wie die zahlreichen Appetithäppchen hier genannt werden, fühlen wir uns eher wie bei einem Kindergeburtstag. Sushi/Ingwer-Lollipop und mit Essig gefüllte Rummelplatz-Zuckerwatte, zu der eine Pipette mit Olivenöl serviert wird, ist etwas für kindliche Gemüter. Auch der rauchend am Tisch mit Stickstoff ‚zubereitete’ Gin Tonic kommt aus der Spielzeugkiste … Bei nicht wenigen Speisen fehlte es an Feinschliff, manches war einfach nicht gut abgeschmeckt, viele Aromen drängten sich zu laut auf. Außerdem bemängeln wir auch zu viele Wiederholungen in einem Menü und finden es nicht besonders kreativ, wenn in zwei Jahren die gleichen Grundprodukte nur leicht variiert werden (das Gericht aber keine Verbesserung erfährt).“
Auf 16 Punkte steigerten sich „der stetig zulegende“ Jürgen Richter vom Restaurant „Zum Steinernen Schweinchen“ in Kassel und „der geschmackliche Überraschungen ohne die gängigen Edelprodukte bietende“ Karl-Heinz Krohn vom Lokal „Das kleine Restaurant“ in Marburg. Richter gefiel durch „Lamm auf dreierlei Art: als Karree unter Thymiankruste, Filet auf einem Rosmarinspießchen und Rücken in Farce und Wirsingblatt gerollt, dazu eine geschmacksintensive Ratatouillecreme“. Krohn punktete mit „geräuchertem Seeteufel mit Jakobsmuschel und Trüffelravioli“.
Für inspirierte Gerichte wie „flüssiger Melone mit geliertem Serrano-Schinken und Parmesanschaum oder das mit Kalbskopf überschmolzene Filet vom Stör mit Romanasalat, Kalbsschwanzessenz und Steinpilzeis“ bekam auch Volker Drkosch 16 Punkte, der „bis 2004 in Frankfurt aufkochte, dann eine Art Auszeit nahm und nun in die hessische Spitzenküche zurückkehrte“.
Das Trio zählt im Verständnis des Guides zu jener Küchenklasse, in der die Kochkunst relevant wird. Die beiden hessischen Kochkönige Friedrich und Lohninger haben 4 Kronprinzen, die ihre 17 Punkte aus dem Vorjahr durch kreative Küche verteidigten:
Albert Baur vom „Landhaus Baur“ in Fischbachtal bei Darmstadt („gerösteter Petersfisch auf Weißkohlpüree mit Ferkelstelze und Wildkräutersalat“),
Patrick Bittner vom „Gourmet-Restaurant français“ in Frankfurt („fast auf der Zunge zergehende rohe Bretonische Makrele auf weißem Zwiebelmus mit Limonenschaum.“),
Martin Göschel vom Frankfurter „Tiger-Restaurant“ („gegrillter Steinbutt im Fischfond mit Anis, Knoblauch, kleinwürfelig geschnittenen Kartoffeln und Möhrchen, dazu ein Spinattörtchen auf glasierten Weinbergschnecken“),
Carmelo Greco von der „Osteria Enoteca“ in Frankfurt („mit Garnelen gefüllte zarte Rinderrouladen auf cremiger Polenta“).
Die Tester beschrieben und bewerteten dieses Jahr insgesamt 79 Restaurants in Hessen. 65 Küchenchefs zeichneten sie mit einer oder mehreren Kochmützen aus, wofür die Könner am Herd mindestens 13 von 20 möglichen Punkten erreichen mussten, was einem Michelin-Stern nahe kommt.
Unter den neu eröffneten Restaurants erreichten 2 gleich 15 Punkte: die „von manchen als tolles Haus, von anderen als Tollhaus“ empfundene „King Kamehameha Suite“ in Frankfurt und die „Villa Rothschild“ in Königstein, „deren Küche gern aus dem reichen Fundus südfranzösischer Aromatik schöpft“. Das „Bistro Zarges“ in Frankfurt und die „Villa Philippe“ in Kronberg kamen auf 14 und das „Goldman“ in Frankfurt auf 13 Punkte. Die erreichte auch das erstmals bewertete Restaurant „Gutshof Itterbach“ in Willingen.
Im Vergleich zur Vorjahrsausgabe servierte der wegen seiner strengen Urteile und deren zuweilen sarkastischer Begründung von den Köchen gefürchtete, von den Gourmets mit Spannung erwartete Gault Millau in Hessen 8 langweilig gewordenen Restaurants ab und nahm 10 neu auf, 10 wurden höher, 3 niedriger bewertet.
Dass in Hessen nicht nur vortrefflich gekocht, sondern auch gastfreundlich bewirtet wird, demonstriert die Ehrung des Frankfurters Klaus Peter Kofler als „Restaurateur des Jahres“. Aus der Laudatio: „Der sehr agile, smarte und ausgefuchste Betriebswirt aus einer Bäckerdynastie backt nur große Brötchen: als innovativer Gastronom und als Edel-Caterer der Häppchen-Society.“ Der auch in Hamburg, München und Berlin aktive Unternehmer zieht durch pfiffige Aktionen junge Gäste an.
Zudem testete der im Münchner Christian Verlag erscheinende Reiseführer für Genießer (916 Seiten, 30 €) die Luxus-Kreuzfahrtschiffe „Seven Seas Voyager“, deren Küche der Deutsche Tobias Schneider aus dem Harz leitet, und „MS Europa“, die der Wohlfahrt-Schüler Stefan Wilke bekocht. Ferner beschreibt und klassifiziert der Guide 420 Hotels.
Die besten Restaurants des Gault Millau in Hessen
1. Silk* und Zarges* in Frankfurt (18 Punkte),
3. Landhaus Baur in Fischbachtal bei Darmstadt,
Gourmet-Restaurant français, Osteria Enoteca und
Tiger-Restaurant in Frankfurt,
Schwarzenstein in Geisenheim,
Amador*** in Langen
Ente in Wiesbaden (alle 17 Punkte),
10. Dombäcker in Amöneburg,
Kronenschlösschen in Eltville,
Erno’s Bistro, Micro und Villa Merton in Frankfurt,
L’étable in Bad Hersfeld,
Zur Krone in Höchst/Odenwald,
Zum steinernen Schweinchen* in Kassel,
Hessler in Maintal,
Das kleine Restaurant* in Marburg,
V. M. 1 in Pfungstadt,
Navette** in Rüsselsheim (alle 16 Punkte)
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