Gault Millau Bayern 2008

Christian Jürgens vom „Kastell“ in Wernberg-Köblitz und Paul Urchs von der „Alpenstube“ in Bayrischzell sind für die französische Gourmet-Bibel Gault Millau die kulinarischen Aufsteiger des Jahres in Bayern. Sie kochten sich in der jetzt erscheinenden Deutschlandausgabe 2008 in die Phalanx der 100 besten Köche in der Bundesrepublik.

Jürgens „entwickelt seine Küche wieder nuancenreich weiter, das Ausruhen auf den Lorbeeren der letzten Jahre scheint verflogen“. Er „verblüffte durch enormen Aufwand, innige Detailverliebtheit und perfektionistische Zubereitungen bei geräuchertem Aal auf lauwarmen Gartengurken, die durch die Abgabe ihrer Wärme die Räuchernoten mit weiteren Kräuteraromen verschmelzen ließen, oder bei Makrelenfilets, die in Lauch gewickelt waren und durch Tomaten, Basilikum, Karottenfond und Saubohnen einen vielstimmigen Aromen-Akkord boten“.

Urchs präsentiert eine Küche, „die eines Palastes würdig ist, aber den Charme der Chalets vorzieht und leise Töne anstimmt – Harfe statt Alphorn. Alles wirkt sehr behutsam, aber mit großer Konzentration auf das Wesentliche ausgearbeitet: Die bayerischen Edelkrebse in Tomatengelee sind zart hingetupft, die glacierte Milchlammkeule in Kräuterjus ist ein markantes Vollblutgericht“.

Beide begannen ihre Karriere als Küchenchef bei Heinz Winkler, dem besten Koch in Bayern. Das Duo bekam vom Gault Millau, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, 17 von 20 möglichen Punkten. Sie stehen für „höchste Kreativität und Qualität”. Eine höhere Note verdienen nach dem Geschmack der Franzosen nur 4 Köche in NRW und weitere 30 im Rest der Republik.

Auf 16 Punkte steigerte sich der erst 26jährige Giorgio Maetzge, der „derzeit die spannendste italienische Küche in München bietet. Sehr fein nach Kakao duftet sein Risotto mit Calamari und Rösti, sehr forsch komponiert ist sein Risotto mit Steinpilzen, Kirschen und Räucherspeck, sehr fidel kommt sein Mascarpone-Parfait, das durch Martini beschwipst und Basilikumfäden geschmacklich wie farblich erfrischt wird“. Auf Anhieb erreichte diese Note Erich Schwingshackl, der ebenfalls (bis 2005) Küchenchef bei seinem Südtiroler Landsmann Winkler war und zuvor bei Witzigmann gearbeitet hatte, „was man auch dem Hummer anmerkt, ob als Medaillon mit weißer Basilikum- oder als Carpaccio mit Zitronengrassauce serviert. Die Küche ist von der Entenleberpraline mit Portweingelee über Reh- oder Lammrücken im Brotteig bis zum Champagnerparfait mit Himbeeren dem Vorbild seiner Altmeister verhaftet.“

Auf 15 Punkte verbesserten sich die Küchenchefs vom „Kulinarischen Kitzebichl“ in Fischen („Pfännchen von Jacobsmuscheln und Edelfischen in Safranschaum mit Rote-Bete-Nudeln“) sowie der Münchner Restaurants „Dallmayr“ („Wolfsbarsch auf Stampfkartoffeln mit Blutwurst und Paprika“), „Mark’s“ („Rote-Bete-Schaum mit einer Träne Meerrettichbutter“) und „Terrine“ („Pot au feu von der Ente mit Roter Bete und Rosenkohl“). Sie rückten damit im Verständnis des Guides in jene Küchenklasse auf, in der die Kochkunst relevant wird.

Platz 1 der kulinarischen Hitparade des Gault Millau in Bayern behauptet mit 19 Punkten Heinz Winkler von der „Residenz Heinz Winkler“ in Aschau, „dessen Menü in 8 Gängen sich nicht die geringste Mühe gibt, kreativ zu wirken. Dass bei ihm begeistert, was sonst langweilt oder gar frustriert, ist verblüffend einfach zu erklären: Er macht im Prinzip nichts anderes als die anderen – er macht es nur sehr viel besser und so wenig Aufhebens darum wie keiner. Sein Bretonischer Hummer erblühte zu einem zweiten Leben zwischen Sternanisgelee und Fenchelschaum, seine Taubenbrust hatte alles, was so ein Vogel braucht: Gänseleber für den Schmelz, violetten Senf für die Würze und Mandeln für den Biss.“

Der Aschauer „Klassizist der reinen Harmonielehre“ hat 2 Kronprinzen, die ihre 18 Punkte aus dem Vorjahr verteidigten: Martin Fauster vom „Königshof“ und Hans Haas vom „Tantris“ in München.
Fauster „bereitet derzeit die beste Küche der Stadt: unangestrengt und ungekünstelt. Köstlich das Aromenspiel von fruchtiger Säure, zarter Süße und feinen Röstaromen bei sautiertem Flusskrebs und pochiertem Taschenkrebs mit einer Sauce aus roten Stachelbeeren, Vanilleöl und Hummerfond, ebenso aromenreich die erst Skepsis, dann Wohlgefallen auslösende Kombination der Taube mit Kirschen und Haselnuss-Buttermilch“. Bei Haas „lohnt das Geschmorte vom Milchlamm (Schulter und Rücken) mit vermeintlich schlichtem Kartoffel/Spinat-Gemüse jeden Tantris-Besuch und sein Spanferkelrücken mit Dörrpflaumen und Räucheraal kann ein Klassiker werden“.

Die Tester beschrieben und bewerteten dieses Jahr insgesamt 142 Restaurants in Bayern. 119 Küchenchefs zeichneten sie mit einer oder mehreren Kochmützen aus, wofür die Könner am Herd mindestens 13 von 20 möglichen Punkten erreichen mussten, was einem Michelin-Stern nahe kommt. Das schafften unter den neu eröffneten Restaurants der „Wintergarten“ in Elmau und die „Enoteca Die blaue Saue“ in Rothenburg. Unter den erstmals bewerteten Lokalen kam das „August“ in Augsburg auf 14, das „Weinhaus zum Ritter“ in Triefenstein-Bad Homburg am Main auf 13 Punkte. Das wiedereröffnete „Rosenpalais“ in Regensburg erreichte 14 Punkte.

Im Vergleich zur Vorjahrsausgabe servierte der wegen seiner strengen Urteile und deren zuweilen sarkastischer Begründung von den Köchen gefürchtete, von den Gourmets mit Spannung erwartete Gault Millau in Bayern 23 langweilig gewordene Restaurants ab und nahm 11 inspirierte Küchen neu auf; 9 wurden höher, 12 niedriger bewertet. 3 Küchenchefs verloren die begehrte Kochmütze.

Dass in Bayern nicht nur vortrefflich gekocht, sondern auch gastfreundlich bewirtet wird, demonstriert die Ehrung Stéphane Thuriots vom Restaurant „Königshof“ in München als „Sommelier des Jahres“. Aus der Laudatio: „Der Franzose von der Loire könnte aus einem der allerbesten deutschen Weinkeller mit allem auftrumpfen, was Gäste in Ehrfurcht erstarren lässt, stattdessen erkundet er feinsinnig am Tisch, womit er die größte Freude machen kann. Dass er rote Burgunder liebt, merkt man schnell, dass er sehr gern Riesling von Rhein und Mosel sowie Silvaner aus Franken empfiehlt, überrascht doch sehr. Auf liebenswürdige Art bringt er uns Gästen den Wein mit jeder Empfehlung noch etwas näher.“ Eine besondere Ehre erfuhr auch der umtriebige Alfons Schuhbeck: Seine Kochschule wurde aufgrund ihrer Themenvielfalt (10 Kurse) und flexiblen Unterrichtszeiten „Kochschule des Jahres“.

Zudem testete der im Münchner Christian Verlag erscheinende Reiseführer für Genießer (916 Seiten, 30 €) die Luxus-Kreuzfahrtschiffe „Seven Seas Voyager“, deren Küche der Deutsche Tobias Schneider aus dem Harz leitet, und „MS Europa“, die der Wohlfahrt-Schüler Stefan Wilke bekocht. Ferner beschreibt und klassifiziert der Guide 420 Hotels.

Die 30 besten Restaurants des Gault Millau in Bayern

1. Restaurant Heinz Winkler in Aschau/Chiemgau (19 Punkte),
2. Königshof und Tantris in München (alle 18 Punkte),
4. Alpenstube* in Bayrischzell,
Gastronomique in Heroldsberg bei Nürnberg,
Laudensacks Parkhotel in Bad Kissingen,
Villino in Lindau,
Hippocampus und Schuhbeck in München,
Essigbrätlein in Nürnberg,
Dichterstub’n in Rottach-Egern,
Bründlhof in Wartenberg bei Landshut,
Kastell* in Wernberg-Köblitz (alle 17 Punkte),
14. Le Ciel in Berchtesgaden,
Schwingshackls Ess-Kunst** in Bernried bei Deggendorf,
Herrmannsdorfer Schweinsbräu in Glonn bei München,
Il Giardino in Bad Griesbach,
Christians Restaurant in Kirchdorf bei Wasserburg,
Schachener Hof in Lindau,
Acetaia*, Acquarello, Ederer und Garden-Restaurant in München,
Reiterzimmer in Murnau,
Pflaumen-Garten in Pegnitz,
Landhaus Henze in Probstried,
Gut Apfelkam in Rohrdorf (Chiemgau),
Philipp in Sommerhausen bei Würzburg,
Schreiegg’s Post in Thannhausen bei Augsburg,< br>Herrmann’s Restaurant in Wirsberg (alle 16 Punkte)

*Aufsteiger **Neueröffnung

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