Gault Millau Baden-Württemberg 2008

Küchenchef Markus Nagy vom Restaurant „Zum Löwen“ in Eggenstein (12 km nördlich von Karlsruhe) ist für die französische Gourmet-Bibel Gault Millau der kulinarische Aufsteiger des Jahres in Baden-Württemberg. Er kochte sich in der jetzt erscheinenden Deutschlandausgabe 2008 in die Phalanx der 20 besten Köche des Landes und der 100 besten in der Bundesrepublik. 9 andere Köche im Ländle schafften den Aufstieg in jene Klasse der deutschen Gastronomie, in der Kochen als Kunst wirksam wird.

An Nagy loben die Tester: „Der stets bestens gelaunte Koch hängt in seinem badischen Landgasthof die Karlsruher Top-Gastronomie locker ab – ob auf delikate Weise durch gegrillte Jakobsmuschel mit dezent asiatisch gewürztem Tatar vom Ikarimi-Lachs auf Kräuterschaum oder ob rustikal mit im Ofen gebratenem Kalbskotelett.“ Er bekam vom Gault Millau, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, 17 von 20 möglichen Punkten und 3 Kochmützen. Sie stehen für „höchste Kreativität und Qualität”. Eine höhere Note verdienen nach dem Geschmack der Franzosen nur 8 Köche in Baden-Württemberg und weitere 25 Köche im Rest der Republik.

Auf 16 Punkte steigerten sich mit inspirierten Gerichten Jürgen Koch vom „Laurentius“ in Weikersheim („gegrillte Gänsestopfleber auf geschmorte Feigen und ein paar Fäden Sauerkraut“) und Martin Kraus vom „Goldenen Rad“ in Friedrichshafen („im Kern noch roher Thunfisch in Algen/Pfeffer-Kruste“). Auf Anhieb bekam diese Note Matthias Striffler von „Striffler’s Herrenküferei“ in Markgröningen bei Stuttgart, den der Guide als deutsche „Entdeckung des Jahres“ feiert: „Hochtalentiert, gleichwohl zurückhaltend, ja fast schüchtern bietet er furiose Gerichte. Köstlich alliiert er Räucheraal, Rhabarber, Taubenbrust und dreierlei Bohnen.“

Auf 15 Punkte verbesserten sich die Küchenchefs von „Merkle’s Rebstock“ in Endingen („Thunfisch in Pfefferkruste mit gebratenem Schweinebauch in asiatischen Würzaromen mit zitronenfrischem Couscous“), „Schwanen“ in Haigerloch („Macadamia/Mokka-Soufflé mit Eis vom bengalischem Pfeffer“), „Goldener Käfer“ in Ittlingen („Gelbschwanzmakrele auf Pulpo mit Melonenpüree und Limoncellogelee“), „Landgasthof am Königsweg“ in Kirchheim/Teck („Lammfilet auf gedünstetem Chicoree mit Kohlrabi-Pyramide“), „Grissini“ in Mannheim („Kaisergranat in Seezungenröllchen mit Kräutergnocchi, geschmorter Paprika und Basilikumpesto“) und „La Vigna“ in Sulzburg („Auberginen-Ravioli mit Thymian und glasierten Kirschtomaten“). Sie rückten damit im Verständnis des Guides in jene Küchenklasse auf, in der die Kochkunst relevant wird.

Platz 1 der kulinarischen Hitparade des Gault Millau in Baden-Württemberg hält seit 18 Jahren Harald Wohlfahrt von der „Schwarzwaldstube“ in Baiersbronn-Tonbach. Die Kritiker gaben ihm wieder 19,5 Punkte und schwärmen: Er ist „in der Transparenz des einzelnen Aromas und der Harmonie aller Aromen eines Gerichts das Maß der deutschen Küche“ und demonstriert es beispielsweise bei Austern-Tatar mit Kaviar und einer Schaumkrone aus Austernwasser, Languste in Kokossud mit Limonenblättern oder Soufflé von Aprikosen und Mandelmilch mit Brombeergelee und Thymianeis.

Der Kochkönig im Ländle (und in Deutschland) hat 6 Kronprinzen, die ihre 18 Punkte aus dem Vorjahr verteidigten:

– Josef Bauer vom „Landgasthof Adler“ in Rosenberg bietet „ewig junge, quicklebendige Küche voller Raffinement des Schlichten wie beim Rehbock mit flüssiger Blutwurst, Morcheln und Preiselbeerschmarren“.
– Albert Bouley vom „Waldhorn“ in Ravensburg: verblüfft in seinen „Altdeutschen Stuben, die alles andere erwarten lassen als die kosmopolitischen Kompositionen eines Aromenakrobaten und Würzgenies, durch Sashimi von Seezunge und Hummer mit japanischem Gurkenfächer in Sesam/Soja-Vinaigrette“.
– Bernhard Diers von der „Zirbelstube“ in Stuttgart „arbeitet so lange an jeder Komponente, bis er aus dem Produkt genau das herausholt, was Mutter Natur gewollt haben könnte, so beim Prime Beef mit suchtgefährdender Kräuterjus und Lauchfondue, das das Fleisch in eine elegante Dimension hebt“.
– Claus-Peter Lumpp vom „Bareiss” in Baiersbronn-Mitteltal beeindruckt als „brillanter Kochtechniker, dessen Lamm ein Fest für Anspruchsvolle und dessen Blattgold in der Dessert-Opulenz albern ist“.
– Wolfgang Raub von „Raub’s Restaurant“ in Kuppenheim „verzichtet auf Spezial- wie Showeffekte und bietet gehaltvolle Kreationen wie saftigen Lachs mit Blumenkohl/Orangen-Schaum und gerösteten, karamellisierten Blumenkohlröschen“.
– Jörg Sackmann vom „Gourmetrestaurant Schlossberg“ in Baiersbronn-Schwarzenberg „führt durch einen Zauberwald der Aromen, in dem reine Harmonie herrscht, nichts vorschmeckt und ständig Überraschungen kommen“. Martin Öxle, der ebenfalls 18 Punkte hat, bietet nur noch bis Jahresende in der Stuttgarter „Speisemeisterei“ die „große kulinarische Oper der Landeshauptstadt auf deren glanzvollsten Bühne“.

Eins auf die Kochmütze bekamen Starköche wie Christian Scharrer vom „Imperial“ des „Schlosshotels Bühlerhöhe“ in Bühl: „Er serviert auf dem ehemaligen Flaggschiff der deutschen Luxushotellerie, das wie ein schlingernder Passagierdampfer in seichten Gewässern erscheint, auch geschmacksarme Sparsamkeit“. Scharrer sank von 18 auf 17 Punkte. Auf 16 fielen Armin Karrer vom „Hirschen“ in Fellbach („tönende ‚Cuisine Réelle’, die reell, aber kaum innovativ ist“) und Thomas Balensiefer von der „Villa Hammerschmiede“ in Pfinztal („der kreative Brückenschläger von der Nordsee zum Mittelmeer bot heuer leicht gebremsten Pionierdrang und weniger Raffinesse“), auf 15 Manfred Schwarz vom „Schwarz. Das Restaurant“ in Heidelberg („bedeutend aussehende Kreationen halten nicht, was sie versprechen, so der Wildlachs mit sonderbar sauer-salzigem Gurkengranité oder die Entenbrust auf extrem saurem Himbeer-Radieschenragout“), Frank Oehler vom „Erbprinz“ in Ettlingen („eine Geschmacks-Achterbahn von Begeisterung bis Kopfschütteln“) und Bernd Werner von „Werners Restaurant“ in Gernsbach („wer kein Auswärtsspiel auslassen möchte, kann nicht auch noch daheim voll konzentriert sein“).

Die Tester beschrieben und bewerteten dieses Jahr insgesamt 205 Restaurants in Baden-Württemberg. 174 Küchenchefs zeichneten sie mit einer oder mehreren Kochmützen aus, wofür die Könner am Herd mindestens 13 von 20 möglichen Punkten erreichen mussten, was einem Michelin-Stern nahe kommt. Unter den neu eröffneten Restaurants schaffte „Le Corange“ in Mannheim 14 Punkte. Die erreichte auch das erstmals bewertete Restaurant „Zum Hecht“ in Geisingen. Das „Lamm im Kau“ in Tettnang, die „Fuggerei“ in Schwäbisch Gmünd und das „Santa Lucia“ in Stuttgart kamen auf 13 Punkte.

Im Vergleich zur Vorjahrsausgabe servierte der wegen seiner strengen Urteile und deren zuweilen sarkastischer Begründung von den Köchen gefürchtete, von den Gourmets mit Spannung erwartete Gault Millau im Ländle 21 langweilig gewordenen Restaurants ab und nahm 18 neu auf, 10 wurden höher, 35 niedriger bewertet; 12 Küchenchefs verloren die begehrte Kochmütze.

Dass in Baden-Württemberg nicht nur vortrefflich gekocht, sondern auch gastfreundlich bewirtet wird, demonstriert die Ehrung des Freiburgers Roland Burtsche als „Hotelier des Jahres“. Aus der Laudatio: „Rastlos mit Neubau, Zukauf oder Optimierung befasst, imponiert er seit drei Jahrzehnten als Gastgeber, Gastronom und Ausbilder – auch für viele Kollegenkinder.“

Zudem testete der im Münchner Christian Verlag erscheinende Reiseführer für Genießer (916 Seiten, 30 €) die Luxus-Kreuzfahrtschiffe „Seven Seas Voyager“, deren Küche der Deutsche Tobias Schneider aus dem Harz leitet, und „MS Europa“, die der Wohlfahrt-Schüler Stefan Wilke bekocht. Ferner beschreibt und klassifiziert der Guide 420 Hotels.

Die besten Restaurants des Gault Millau in Baden-Württemberg
1. Schwarzwaldstube in Baiersbronn-Tonbach (19,5 Punkte),
2. Bareiss in Baiersbronn-Mitteltal,
Gourmetrestaurant Schlossberg in
Baiersbronn-Schwarzenberg,
Raub’s Restaurant in Kuppenheim bei Baden-Baden,

Landgasthof Adler in Rosenberg bei Crailsheim,
Speisemeisterei und Zirbelstube in Stuttgart (alle 18 Punkte),
9. Park-Restaurant in Baden-Baden,
Imperial in Bühl**,
Landhaus Feckl in Ehningen bei Stuttgart,
Colombi in Freiburg,
Berghotel Baader in Heiligenberg bei Meersburg,
Zum Löwen in Karlsruhe*
Da Gianni in Mannheim,
Zirbelstube in Bad Mergentheim,
Burgrestaurant Staufeneck in Salach bei Göppingen,
Eisenbahn in Schwäbisch Hall,
Flohr’s Restaurant in Singen (alle 17 Punkte).

* Höher, **niedriger bewertet

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