Wein aus der Neuen Welt ist eigentlich schon ein „alter Hut“: Längst hat es sich unter Weinkennern herumgesprochen, dass es auch außerhalb Europas edle Tropfen gibt, die keinen internationalen Vergleich scheuen müssen. Aber es gibt dennoch Weinbaugebiete, die selbst unter Experten noch als Geheimtipp gehandelt werden, und ein solches Gebiet ist Oregon im Nordwesten der USA. Die Gründe für die hohe Qualität der Oregon-Weine sind allerdings kein Geheimnis: An der Pazifikküste findet man eine ideale Kombination aus gutem Boden und günstigem Klima.
Die in den kalifornischen Weinbaugebieten schon früh eingeführten europäischen Vinifera-Rebsorten hielten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch in Oregon Einzug. Ihr Ansehen verdanken sie vor allem der Tatsache, dass der Anbau der zweiten großen Rotweinsorte Frankreichs, des Spätburgunders, im gemäßigten Klima der Region viel eher möglich ist als im warmen Kalifornien.
In Oregon gibt es insgesamt fünf große Anbaugebiete („appellations“): Rogue, Applegate, Umpqua, Willamette Valley und das Columbia River Valley. Wein wird in Oregon auf gut 5.500 ha Fläche in mehr als 500 Weingärten angebaut und in über 300 Weingütern weiterverarbeitet. In der Anzahl seiner Weingüter liegt Oregon im Vergleich mit anderen Bundesstaaten der USA an zweiter Stelle, bei der Menge des produzierten Weins auf Rang 4 unter den 45 Staaten, in denen Wein angebaut wird. Fast alle Weingüter sind für Besucher geöffnet, und viele bieten Führungen und Weinproben an.
Vater Wein
Im Willamette Valley, dem größten Weinbaugebiet Oregons, wachsen einige der besten Weinsorten des Nordwestens überhaupt. Man nennt das Tal deshalb auch „Valley of Flavor“ – „Tal des Geschmacks“. Zwischen Pazifik und Kaskadengebirge findet man ideale Voraussetzungen, sodass hier nicht nur die besten, sondern auch die meisten Weine angebaut werden: Sieben von zehn Weingärten Oregons liegen in diesem Tal mit seinen sonnig-kühlen Berghängen. Die langen, milden Sommertage und der gemäßigte Herbst lassen vor allem Burgunderreben auf Oregons fruchtbarem Vulkanboden bestens gedeihen.
Einer der Pioniere, dem Oregon seinen guten Ruf als Weinbaugebiet verdankt, ist David Lett, den man hier auch liebevoll „Papa Pinot“ nennt. Nach seinem Studium der Önologie (Weinkunde) ging er nach Nordeuropa, um dort die klimatischen Bedingungen für die Kultivierung von Burgunderweinen zu erforschen. Nach einem Jahr war er fest davon überzeugt, dass in Oregon die notwendigen Voraussetzungen herrschten. Er kehrte mit Weinstöcken im Gepäck in die USA zurück und gründete mit seiner Frau Diana 1966 die Eyrie Vineyards in den „Red Hills“, den „roten Bergen“ von Dundee, rund 50 km südwestlich von Portland. Es waren die ersten Spätburgunder- und Chardonnayreben, die im Willamette-Tal angepflanzt wurden und die ersten Grauburgunderreben (Pinot Gris) in ganz Amerika. Bis die Reben genügend Trauben für die Weinproduktion trugen, dauerte es vier Jahre, doch seitdem ist Pinot Gris ein regelrechter Verkaufsschlager für Papa Pinot. Die Letts legten von Anfang an großen Wert auf die U
mweltverträglichkeit ihres Betriebs: Auf einer relativ kleinen Fläche von nur 20 Hektar lesen sie ihren Wein ausschließlich von Hand, verwenden keine künstliche Bewässerung, keine Insektizide oder Herbizide. Verarbeitet wird der Wein im benachbarten McMinnville. Die Jahresproduktion ist auf acht- bis zehntausend Kisten Wein beschränkt.
Auch für den Blauen Spätburgunder oder Pinot Noir pflanzte Papa Pinot einst den Grundstock. Diese Rebsorte macht heute etwa die Hälfte der Trauben aus, die in Oregon angebaut werden, doch es dauerte rund zwei Jahrzehnte, bis der Wein aus Oregon – durch verschiedene Wettbewerbe auf internationaler Ebene – auch außerhalb der Landesgrenzen bekannt wurde und Liebhaber fand. In den achtziger und neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts begann dann sogar ein regelrechter Ansturm auf den Pinot Noir aus Oregon. Einer der bekanntesten Hersteller ist das 1878 gegründete Weingut von Joseph Drouhin in der Altstadt von Beaune. Im Jahre 1987 kaufte Robert Drouhin 75 ha Land, und heute stehen etwa 30 ha im Ertrag. Die „Domaine Drouhin“ liegt ebenfalls in den Red Hills von Dundee auf der westlichen Seite des Willamette Valley. Hier trifft die Weinbautradition der Alten Welt auf die unbegrenzten Möglichkeiten der Neuen Welt und unter der Regie von Roberts Tochter Veronique entstehen
elegante Spätburgunderweine. Die edle Rebsorte aus Burgund erfordert höchste Sorgfalt im Anbau und in der Zubereitung, ergibt dafür aber Weine von großer Finesse www.DomainDrouhin.com .
Kostenlos kosten
Einen umfassenden Überblick über die Weinbaugebiete, die Weingüter und ihren Wein bietet die Webseite des Oregon Wine Center unter www.OregonWine.org . Hier kann man auch den offiziellen „Oregon Winery Guide“ herunterladen, einen Führer zu den Weingütern des Staates, die man besuchen und besichtigen kann.
Der „Winery Guide“ unterscheidet zwischen offiziellen Weinanbaugebieten und „Wine Touring Areas“: Während die Anbaugebiete ausschlaggebend sind für die offizielle Bezeichnung und Etikettierung der Weine, teilt man die Regionen für Touren nach landschaftlichen Gesichtspunkten. Die Tourgebiete sind das Tal des Columbia River, das nördliche und südliche Willamette Valley, Umpqua und Rogue.
Flaschenpost
Bei einer der vielen kostenlosen Weinproben kann man als Besucher in Oregon die verschiedenen Weine am besten vergleichen und findet die größte Auswahl. Wein ist ein vorzügliches Souvenir und eignet sich hervorragend als Mitbringsel für Freunde und Bekannte. Und wer die Erinnerungen dann nach der Heimkehr noch einmal auffrischen möchte, kann Oregon-Wein inzwischen auch in Deutschland kaufen. Wie es sich für einen Geheimtipp gehört, findet man die Weine aus Oregon jedoch nicht überall im Handel, sondern muss sich in der Regel an einen Spezialisten wenden. Oder man setzt sich ins Flugzeug und stattet dem Bundesstaat einen erneuten Besuch ab. Schließlich lohnt sich eine Reise nach Oregon nicht nur des Weines wegen…