Spätzle, Schnitzel und Sauerbraten – den Deutschen steht der Sinn wieder nach heimischer Küche. Auffällig ist dabei der Trend zu qualitativ hochwertigen Zutaten, wobei die regionale Herkunft eine immer größere Rolle spielt. Dies gilt auch für
Fleisch und Fleischwaren, wie die aktuelle, repräsentative Verbraucherbefragung „Herkunft Deutschland“ jetzt belegt. Die Studie erstellte die GfK Marktforschung im Auftrag der CMA Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft.
Frische und Qualität verbinden die Verbraucher hierzulande in erster Linie mit regionaler und mit deutscher Herkunft, so lautet ein zentrales Ergebnis der Studie. 76 Prozent der Befragten bevorzugen Fleisch aus Deutschland und heimischer Region.
Dabei setzt die bayerische Bevölkerung sehr viel mehr als alle anderen Deutschen auf das eigene Bundesland. Bei den Frauen geben 82 Prozent deutschen beziehungsweise regionalen Fleisch-produkten den Vorzug, bei den Männern sind es immerhin noch 70
Prozent.
Jens Lönneker vom rheingold Institut für qualitative Markt- und Medienanalysen erklärt das Comeback der heimischen Küche so: „Bis 2000 haben wir uns die Welt Stück für Stück durch Essen angeeignet, angefangen von Italien bis hin zu China und Japan.
Das Idealbild der Deutschen war das des Weltenbummlers.“ Die Enge der Nachkriegsjahre beflügelte den Wunsch nach individueller Freiheit – doch diese hatte Kehrseiten: Die festen Mahlzeitenstrukturen lösten sich auf und das Essen erfuhr eine
Entsinnlichung. Lönneker: „Wir haben immer auch gegessen, um ‚Familie‘ herzustellen. In dem Moment, wo wir das nicht mehr betreiben, wo jeder zum Kühlschrank geht und sich nimmt, was er will, fehlt ein Stück Sinn im Essen.“
Die kulturpsychologische Zäsur kam ab 2000. Das Gefühl, unsicheren Zeiten gegenüber zu stehen, führte zur Auseinandersetzung mit uns selbst: Wer sind wir, wofür stehen wir. Dabei entdeckten die Deutschen die heimische Küche neu und setzten damit
einen Trend, der bis heute anhält. „Statt möglichst viele, neue Erfahrungen zu machen besteht jetzt ein großes Interesse an eigenen Werten. Nicht mehr das argentinische Rindfleisch oder die besonders exotische Frucht stehen im Fokus, sondern
Produkte, die aus der Region vor Ort stammen“, so Lönneker. Güte ist bei Zutaten gefragt, nicht die zeitaufwändige Zubereitung. Saisonprodukte werden stärker beachtet. Innovative Formen der Gastlichkeit wie Kochkurse mit Gemeinschaftserleben lassen
außerfamiliäre Bindungen entstehen.
„Die neue, regionale Küche basiert zwar auf traditionellen Rezepten, wird aber neu interpretiert“, bestätigt TV-Koch Carsten Dorhs. So haben sich Zubereitungsarten geändert. Ein Dogma lautete früher, Tafelspitz darf nicht mit Salz gekocht werden.
Heute weiß man, Salz muss von Anfang an dazu, damit das Fleisch nicht auslaugt. Als Carpaccio mit einem Hauch von Knoblauch und Rapsöl-Vinaigrette angerichtet, bekommt das gekochte, in dünne Scheiben geschnittene Rindfleisch, dann den neuen,
kreativen Kick. Bei seinen Kochkursen stellt der Spitzenkoch fest: „Die Menschen möchten wissen, wo das Fleisch oder andere Zutaten herkommen. Auch fast schon vergessene Gemüsesorten wie Stielmus, Pastinaken oder Steckrüben sind heutzutage wieder
interessant.“
Die Begeisterung, die wir bei der Fußballweltmeisterschaft gezeigt haben, wünscht sich Professor Ines Heindl von der Universität Flensburg auch für unsere eigene Küche: „Was Kinder zu Hause lernen, das trägt sie durch ihr ganzes Leben.“ Warum essen
Kinder, wie sie essen? „Aus Sicht der Kinder und Jugendlichen hat sich der individuelle Entscheidungsraum verlagert vom Tisch zum Kühlschrank, und da bestimmen Kinder schon sehr früh mit“, erklärt die Expertin. Aus der Jugendarbeit wird aber
deutlich, was sich Kinder wirklich wünschen: Gemeinsamkeit über das Essen am Tisch kennen-zulernen. Und so lautet eine zentrale Forderung der Jugendpädagogen an die Familien von heute: „Setzt euch einmal am Tag an den Tisch und esst miteinander“.
Das Comeback heimischer Gerichte kann laut Heindl dazu beitragen, durch bewusstes Kochen und Essen Gemeinschaft mit Familie und Freunden zu stiften.