Spukgeschichten aus Oregon

Eigentlich ist „Halloween“ nur der Vorabend des Allerheiligenfests, aber wenn langsam die herbstlichen Nebelschwaden ins Land ziehen, die Tage kürzer und die Nächte kühler werden, dann denkt man sich nicht nur hierzulande, sondern auch entlang der malerisch-schroffen Pazifikküste von Oregon, hoch im Nordwesten der USA, gerne Geschichten von Geistern und Gespenstern aus. Einige dieser Geschichten haben sich inzwischen zu Legenden verfestigt, und Besucher aus aller Welt genießen es besonders in dieser schaurig-schönen Jahreszeit um das Halloweenfest, diesen Mythen einmal auf den Grund zu gehen.

Während es im trockenen Westen Oregons vor allem die „Geisterstädte“ aus dem 19. Jahrhundert sind, die die Phantasie der Menschen beflügeln, hilft entlang der Küste die „gespenstische“ Atmosphäre von Frühnebeln und Meeresrauschen dem Geisterglauben auf die Sprünge. So verwundert es auch kaum, dass man den Ort der Handlung beim Remake von John Carpenters The Fog (Nebel des Grauens) 2005 kurzerhand von Kalifornien nach Oregon verlegte …

Von Geisterschiffen und „Schiff“-Geistern

Das Städtchen in The Fog existiert zwar nicht wirklich, aber mysteriöse Geschehnisse gibt es (angeblich) auch in den echten Küstenstädten zur Genüge. Schließlich ist Astoria, im äußersten Nordwesten des Staates gelegen, die älteste Stadt westlich des Mississippi – alt genug, um einige Einwohner zu haben, die nicht mehr mit beiden Beinen im Diesseits stehen. Immerhin scheinen aber auch Geister noch durchaus menschliche Bedürfnisse zu haben, denn ein Geist treibt angeblich schon seit Jahren auf der Damentoilette des Liberty Theatre von Astoria sein Unwesen.

Im einige Kilometer südlich gelegenen Seaside erzählt man sich, dass beim Abriss des einst prächtigen Hotels Seaside die Geister, die dort mehr als ein Jahrhundert gehaust haben sollen, gezwungen waren, sich eine neue Bleibe zu suchen – und Bob Girtle, der Besitzer von Girtle’s Restaurant am anderen Ende der Straße, behauptet, sie seien zu ihm geflohen. Er und seine Angestellten wollen immer wieder unerklärliche Schatten in der Küche beobachtet haben und Kaffeekannen, die sich ohne menschliches Zutun bewegen. Da mochte sein Konkurrent John Sowa, der das Restaurant Lil‘ Bayou besitzt, natürlich nicht nachstehen und berichtete von Küchenutensilien, die nicht mehr dort zu finden sind, wo sie abgelegt wurden (man kennt dieses Phänomen auch aus der eigenen Küche). Immerhin liegt diese Gaststätte in einem historischen Bezirk, wo viele alte Häuser einen Dachboden besitzen, der selten genutzt wird – ein idealer Nährboden für Spukgeschichten.

In ähnlicher Weise übertrumpfen sich auch schon seit Jahren die Bewohner von Wheeler mit Geistergeschichten. Die Besitzer des Old Wheeler Hotel, denen die Gespenster die Renovierung des Hotels übelgenommen haben sollen, hatten sogar schon einmal waschechte „Ghostbuster“ zu Besuch, die den unerklärlichen Phänomenen auf ihre Art nachgingen. Eine Nachbarin im gleichen Ort, eine alte Indianerin, schien sogar so sehr von Geistern geplagt zu werden, dass sie als letzten Ausweg ihr eigenes Haus niederbrannte und nie wieder aufbaute. Allerdings hat Wheeler – den Einwohnern zufolge – auch seine guten, hilfreichen Geister, und die machen das Leben dann doch wieder ganz erträglich.

Richtig gespenstisch wird es, wenn auch noch Geisterschiffe und Piratenschätze ins Spiel kommen. Vor der felsigen Küste Oregons ist in vergangenen Zeiten schon so manches Schiff zerschellt, und mit einer versunkenen Galeone bringt man in Manzanita am nördlichen Ende der Nehalem-Bucht die mysteriösen Steinhaufen in Verbindung, die vermeintlich über Nacht an den Stränden der Stadt auftauchen. Angeblich soll in dieser Gegend ein Schatz vergraben sein, und das Geheimnis des Verstecks kennen afrikanische Sklaven, die ihn einst im Auftrag der Piraten vergruben – die Sklaven allerdings begrub man gleich mit, und nun sollen deren Geister den Ort unsicher machen. Verdenken kann man es ihnen kaum …

Von Toten, Türmchen und Touristen

Um den Schiffen die Orientierung zu erleichtern, hat man schon vor langer Zeit zahlreiche Leuchttürme entlang der Küste gebaut, aber auch sie geben immer wieder Anlass zu Schauergeschichten. Wenn man von Süden nach Norden an der Küste entlangfährt, passiert man gleich vier Leuchttürme, in denen sich merkwürdige Dinge zutragen sollen. Drei kann man besichtigen, bei einem kann man sogar übernachten … wenn man sich traut.

Selbst eine angesehene Zeitschrift wie Life und ein renommierter Fernsehsender wie der „History Channel“ haben sich bereits mit den Legenden beschäftigt, die sich um den über hundert Jahre alten denkmalgeschützten Leuchtturm am Heceta Head bei Florence ranken. In der Hauptferienzeit werden Führungen durch den Turm angeboten, und im früheren Wohnhaus des Leuchtturmwärters kann man heutzutage übernachten und frühstücken. Bei dieser Gelegenheit könnten sich die Besucher eigentlich persönlich davon überzeugen, ob es stimmt, dass hier die Frau eines früheren Leuchtturmwärters spukt.

Merkwürdige Lichter in der Nacht wollen aber auch viele Besucher des Yaquina-Bay-Leuchtturms bei Newport beobachtet haben, und ein Anhalter behauptet sogar, er habe hier mit einem ermordeten Mädchen gesprochen. Es soll die Tochter eines alten Seebären gewesen sein, die in diesem Leuchtturm spurlos verschwand. Der Leuchtturm selbst war übrigens nur drei Jahre in Betrieb, bevor er von dem günstiger gelegenen Yaquina Head Lighthouse abgelöst wurde, und dort soll es gleich zwei Geister geben: den eines Arbeiters, der beim Bau des Turmes zu Tode stürzte und dessen Leiche nie gefunden wurde, und den eines Leuchtturmwärters, der auf der Treppe zu seinem Arbeitsplatz einen Herzinfarkt erlitt.

Im Gegensatz zu diesen beliebten Touristenattraktionen ist der Tillamook-Rock-Leuchtturm ein Ort, zu dem es nicht viele Menschen hinzieht – jedenfalls keine lebenden. Er wird angeblich vom Geist eines Ingenieurs heimgesucht, den man mit dem Bau dieses Turms beauftragt hatte und der dann kurzerhand von der Insel ins Meer gespült wurde – und nie wieder auftauchte. Sein Geist dürfte sich aber durchaus wohlfühlen in der Gesellschaft, die er heute hat, denn als der Betrieb vor fünfzig Jahren eingestellt wurde, wurde aus dem Leuchtturm ein „Seefriedhof“: in seinem Innern ist genügend Platz für eine halbe Million Urnen mit sterblichen Überresten – und langsam füllt er sich. Kaum vorstellbar, dass es da bei nur einem Geist bleibt …

Wer mehr über die Geisterhäuser von Oregon erfahren möchte, kann im Internet nachlesen, zum Beispiel unter www.GhostsAndCritters.com/oregonghosts.html

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