Konsumverzicht als Hoffnung für das Überleben der Meeresräuber
Haie stehen im marinen Ökosystem am
Ende der Nahrungskette. Dadurch werden zahlreiche Schadstoffe in ihrem
Körper angereichert: Nun haben Stichproben an Haifisch-Produkten
aufhorchen lassen, denn die Methylquecksilberwerte – in dieser Form
kommt das Gift in den Fischen vor – lagen vielfach über den von der
Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) festgesetzten
Grenzwerten. Umweltinitiativen wie das Shark-Project
www.sharkproject.com warnen vor dem Verzehr von Haifisch. Sie
sehen zudem einen Hoffnungsschimmer, dass die immer seltener
vorkommenden Raubfische aufgrund der hohen Schadstoffe dem Tod durch
Fischerei entgehen könnten.
Die europäische Kommission hat die EFSA die Werte von Quecksilber und
Methylquecksilber durch Lebensmittel, insbesondere durch Fisch und die
Höchstmengenregelung überprüfen lassen. Bereits im März 2004 wurde die
Bewertung, die erschütternd hohe Werte ans Tageslicht brachten,
veröffentlicht. Ein Verbot des Verzehrs von Meeresfischen gab es
allerdings nicht. Die Bewertung der Einschätzung wurde von den beiden
Institutionen dem US-National Research Council und dem Joint FAO/WHO
Expert Committee on Food Additives (JECFA) publiziert.
Allerdings lagen
diese Grenzwerte die jedes dieser Forschungsinstitutionen weit
auseinander: Das JECFA bezeichnete einen Gehalt von 1,6 Mikrogramm pro
Kilogramm Körpergewicht als gerade noch tolerierbar, das NRC hatte die
Aufnahmegrenze von 0,7 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht
festgelegt, wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
www.bfr.bund.de berichtete.
Das BfR verwies in seiner Meldung vom März 2004 auf eine
epidemiologische Studie, die auf den Seychellen und auf den
Färöer-Inseln einen statistischen Zusammenhang zwischen
Entwicklungsstörungen bei Kleinkindern und einem hohen Fisch bzw.
Walfleischverzehr der schwangeren Mütter aufgezeigt hatte. Das hatte zur
Folge, dass die Grenzwerte deutlich gesenkt wurden. Wie gefährlich das
Methylquecksilber ist, bestätigen hingegen mehrere Forscher.
„Methylquecksilber ist einer der gefährlichsten Stoffe überhaupt“, so
der österreichische Mikrobiologe Horst Felsch.
„Das gefährliche daran ist, dass dieses Gift fettlöslich ist“, bestätigt
der Umweltmediziner Klaus Rhomberg im Gespräch. „Nach
Angaben des Toxikologen Hermann Kruse von der Universität Kiel waren die
Giftmengen in den drei untersuchten Produktmengen – es handelt sich um
ein Blauhai-Steak, sowie Schillerlocke und Seeaal – so groß, dass
mehrere Mahlzeiten zu einer toxikologisch relevanten Körperanreicherung
führen“, so der Humanmediziner Andreas Keppeler.
Methylquecksilber passiere mühelos jede Schutzbarriere des menschlichen
Organismus, was anderen Giften nicht gelinge. „Die Schäden beziehen sich
meist auf das Gehirn, das periphere Nervensystem wird auch oft in
Mitleidenschaft gezogen“, so der Mediziner. Im Tierexperiment wurden
auch Nierenschäden und eine Einschränkung der Zeugungsfähigkeit
festgestellt.
Wie Keppeler berichtet wurden die ermittelten Methylquecksilberwerte
eines 300-Gramm-Steaks bei einem 70-Kilogramm schweren Mann um das
60-fache überschritten. „Eine einmalig hohe Dosis verursacht größere
irreversible Schäden als längerfristig niedere Dosen“, führt Keppeler
aus. Shark-Project fordert daher eine dringende Untersuchung von
Haifischprodukten und rät dazu, keine solchen zu konsumieren. Im Handel
wird Hai auch als „Schillerlocke“ und „Seeaal“ angeboten. Im Vergleich
zu anderen Raubfischen wie etwa der Königsmakrele, Schwertfischen und
Tunfischen, liegen die Methylquecksilberwerte bei Haien um den Faktor
sechs bis zehn darüber, so Keppeler. Wolfgang Weitlaner