Die Herausforderung von RATATOUILLE: wie man liebenswerte und gleichzeitig glaubwürdige Ratten erschafft
Die vielen originellen Figuren und Situationen von RATATOUILLE inspirierten die Filmemacher ständig, die ihnen zur Verfügung stehende Technik an neue Grenzen zu führen. Der leitende Technical Director Michael Fong bemerkt: „Es gab so viele technische Herausforderungen bei diesem Film, die wir meistern mussten – angefangen von den vielen, vielen pelzigen Charakteren, den sehr komplexen Figuren, eindringlichen Szenen im Wasser mit rasenden Stromschnellen bis hin zur Neuerfindung der weltweit geliebten Stadt Paris. Während der Arbeit daran, haben wir die Art verändert, Modelle zu schattieren, Szenen zu beleuchten und Stoffe zu animieren. Wir haben die Technik unserer vorigen Filme genommen und Wege gefunden, sie zu verbessern. All dies kommt einem neuen, originellen Look zugute, den die Zuschauer zusammen mit dem Spaß an der Geschichte von RATATOUILLE sicherlich genießen werden.“
Diese Herausforderungen begannen mit der Animation einer ganz neuen Spezies, der sich bisher niemand der Filmemacher gewidmet hatte. Die Animatoren von Pixar haben schon die unterschiedlichsten Kinohelden erschaffen, von Spielzeug über Insekten und Fische bis hin zu Monstern – aber selbst für sie waren Ratten stets unerforschtes, vielleicht sogar verbotenes Terrain gewesen. In Cartoons mussten Ratten meist als Bösewichte herhalten, und so wurden sie in der Welt der Animation immer sehr stiefmütterlich behandelt. Bei RATATOUILLE entschieden sich die Filmemacher, einen neuen Blick auf die pelzigen Nager zu werfen – aus einer frischen Perspektive, die den einzigartigen Talenten und Qualitäten der Tiere gerecht werden sollte. Dafür analysierten sie jeden Aspekt der Interaktion von Ratten mit ihrer Umwelt, von ihren Schwanzbewegungen über das Zucken ihrer Schnurrhaare bis hin zu den seltsamen Körperformen, die sie annehmen können.
Die beste Art, Ratten kennen zu lernen, ist, Zeit mit ihnen zu verbringen. Darum bevölkerten schon bald neugierige Tiere in Käfigen die Büros von Pixar. Obwohl die Nähe zu diesen Tieren für manchen ungewohnt war, fühlten sich die Filmemacher doch schnell zu den sozial eingestellten Tieren hingezogen, die damit die Designs für den Film weiter inspirierten. Brian Green erläutert: „Am Anfang haben wir nur viel Zeit damit verbracht, die Ratten zu beobachten und kennen zu lernen, erst dann haben wir ihre Verhaltensmuster auf unsere Modelle übertragen, so dass die Animatoren dann in der Lage waren, sie realistisch darzustellen. Wenn man mit Ratten lebt, sieht man schnell all diese kleinen Manierismen. Sie sind sehr soziale Tiere, die gern mit dir spielen und die gern auf deinem Arm kuscheln.“
Der leitende Animator Dylan Brown ergänzt: „Wir versuchen immer, die wahre Natur der Tiere zu respektieren, die zu Figuren in unseren Filmen werden. Darauf bauen wir die Karikaturen und die Persönlichkeiten auf. Bei RATATOUILLE war die Herausforderung, einen Weg zu finden, diese kleinen Kerle und ihre Welt gefällig darzustellen, so wie wir es damals in FINDET NEMO schaffen mussten, Fische, von denen man nicht gerade denkt, dass sie süß sind, liebenswert zu zeigen.“
Während die Filmemacher ihren neuen Haustieren beim täglichen Leben zuschauten, kamen Green und seinem Team zahllose witzige Ideen, die ihnen neue Wege der Forschung eröffneten. „Etwas, was für den Film wichtig wurde, war die Tatsache, dass Ratten extrem dehnbar sind. Eine Ratte kann mit ihrem Körper unglaubliche Dinge anstellen – Ratten quetschen sich durch kleine Löcher oder können sich zu einem kleinen Ball zusammenrollen, weil ihre Rippen so klein und flexibel sind. Wir wussten, dass wir dies innerhalb der Geschichte für richtig komische Momente nutzen konnten. Aber zuerst mussten wir eine spezielle Technologie entwickeln, mit deren Hilfe wir das simulieren und möglichst realistisch einfangen konnten“, erklärt Green.
Michael Fong, der leitende Technical Director, fährt fort: „Eine Ratte so dehnbar zu machen, stellte uns vor etliche Herausforderungen. Dazu gehörte ein langer, mühseliger Prozess, in dem die Animatoren und die Artikulatoren – die Kollegen, die sozusagen die Skelette im Inneren der Charaktere bauen – über Monate hinweg Modelle testeten, um am Ende herauszufinden, wie man all diese extremen Posen mit der Haut, dem Fell und den Knochen auf eine Art hinbekommen kann, die sowohl echt als auch ausdrucksstark aussieht.“
Nachdem die Filmemacher eine Vorstellung davon bekommen hatten, wie sich Ratten in der wahren Welt bewegen, schlugen ihre Forschungen schnell eine Richtung ins Fantastische ein: Wie zum Beispiel könnte eine Ratte wie Remy einen Löffel oder gar eine Pfanne halten?
„Wir mussten unseren Ratten die Fähigkeit einbauen, auf einem menschlichen Level zu agieren, und sie in die Lage versetzen, gemeinsam mit menschlichen Köchen zu kochen“, sagt Green. „Darin lagen erneut jede Menge Schwierigkeiten, besonders bei den Größenverhältnissen. Man bemerkt die verschiedenen Größenverhältnisse in den kleinsten Dingen, zum Beispiel beim Herzschlag. Wenn Remy rennt, sieht man sein Herz sehr schnell flattern, wogegen Skinner in einem komplett anderen Rhythmus atmet. Diese Unterschiede realistisch einzufangen, verkauft unsere Geschichte als glaubwürdige Verbindung zweier verschiedener Welten.“
Die Schattierungen spielten ebenfalls eine Schlüsselrolle. „Jede unserer Ratten hat ihre eigene Farbpalette, die sie interessant und anziehend macht“, erläutert die für die Schattierung zuständige Art-Direktorin Belinda Van Valkenburg. „Wir haben verschiedene Farben bei jeder Figur gemischt. Wenn man genau auf Remys Haar blickt, bemerkt man, dass er lilafarbene, gelbe und grüne Haare hat. Aber wenn er weit entfernt ist, besteht er aus einer sanften Blau-Schattierung.“ Van Valkenburg ließ sich dafür unter anderem von Pfirsichen inspirieren: „Ich wollte unseren Ratten eine süße kleine pelzige Schicht auf Nase, Ohren und sogar auf die Schwänze geben.“
Die größten Herausforderungen brachte freilich die Kreation von Remy mit sich, der oftmals mit schreiend komischen Ergebnissen versucht, die Welt der Ratten und die der Menschen unter einen Hut zu bringen. Bird traf die Entscheidung, dass Remy sich selbst beibringen sollte, auf zwei Beinen zu stehen, während alle anderen Ratten wie gewohnt auf vier Beinen umherlaufen sollten – um den Fauxpas zu vermeiden, dass Remy mit schmutzigen Pfoten die Zutaten beschmutzt.
„Im Film entwickelt sich Remy“, erläutert Green. „Am Anfang ist er eine typische Ratte, aber er taucht immer tiefer in die Welt der Menschen ein, und nimmt mehr und mehr menschliche Eigenschaften an. Das war eine Menge Arbeit, aber gerade dies macht viel vom Zauber unserer Geschichte aus. Für Brad bestand das Herz der Geschichte immer aus der Welt des Außenseiters, der versucht, sich der Welt der Menschen anzupassen.“
Ratten bringen eine weitere Hürde für jeden CG-Animator mit sich: Fell – denn dies hat seine eigene, komplizierte Dynamik und ist sehr schwer zu imitieren, erst recht, wenn es sich mit einem Tier bewegt. Nachdem Pixar als Pionier in DIE MONSTER AG und in DIE UNGLAUBLICHEN − THE INCREDIBLES neue Arten entwickelt hatte, Fell und Haare darzustellen, sollte das Fell in RATATOUILLE buchstäblich fliegen. „Diesmal hatten wir tausende Figuren mit Haaren, und all diese Haare mussten mit dem interagieren, was in der jeweiligen Szene gerade geschieht“, sagt Green. „Also mussten wir unsere Haar-Software updaten, um dies zu erreichen. Das bedeutete jede Menge Stress, aber auch viele neue clevere Tricks.“
Echte Ratten haben rund eine halbe Million Haare. Diese Menge ist selbst den leistungsfähigsten modernen Computern, nun ja: zu haarig, darum konzentrierten sich die Filmemacher auf rund 30.000 „Schlüsselhaare“ pro Ratte, was immer noch eine gewaltige Aufgabe ist. „Wir haben für die Simulation bestimmte Haare benutzt und die anderen gere
ndert, sonst hätten wir eine Datenmenge gebraucht, die wir nirgendwo hätten abspeichern können“, sagt Christine Waggoner, ihres Zeichens Simulation Supervisor. „Wir hatten eh schon gewaltige Dateien voller Haare.“
Die Ratten aus RATATOUILLE sind realistisch dargestellt und haben sogar menschliche Züge. Aber sie sind ebenso Teil eines Märchens – was besonders deutlich wird in jener Szene, in der Remy Linguini als Koch wie eine Marionette kontrolliert. Für die Filmemacher hängt der Erfolg des Films daran, dass die Zuschauer der Geschichte diesen ebenso fantastischen wie komischen Ton abnehmen. „Die Animatoren haben hart daran gearbeitet, dass das kleinste Zupfen an Linguinis Haar eine Bewegung seiner Hand hervorruft“, sagt Brad Lewis. „Das ist wirklich sehr komisch. Der Film hat so viele wunderbar altmodische Buster-Keaton-Momente physischer Comedy – man krümmt sich vor Lachen, ohne dass ein einziges Wort gesprochen wird.“
Alles über diesen lustigen Restaurant – Film:
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