Zwischen gesund und giftig – Pflanzeninhaltsstoffe auf dem Prüfstand

Eine Ernährung mit einem hohen Anteil pflanzlicher Lebensmittel gilt als gesund und wird von vielen Ernährungsfachleuten befürwortet. Allerdings enthalten einige Pflanzen, die zu Lebensmitteln verarbeitet werden, von Natur aus auch problematische Substanzen, die der Gesundheit schaden können. Ein bekanntes Beispiel ist Cumarin, ein Stoff, der in bestimmten Zimtarten vorkommt. Cumarin ist in hohen Dosen leberschädigend und darf in Lebensmitteln nur begrenzt enthalten sein. Doch nicht immer liegen genügend Daten für eine Risikobewertung auf wissenschaftlicher Basis vor. Wie die Risiken solcher Stoffe bewertet werden sollen, war zentrales Thema des 4. BfR-Forums Verbraucherschutz, das am 3. und 4. Juli 2007 unter Beteiligung verschiedener Interessengruppen im BfR stattfand. „Wir müssen zunächst die pflanzlichen Stoffe identifizieren, die aufgrund ihrer chemischen Struktur potentiell gesundheitsschädlich sein können. Außerdem muss ermittelt werden, in welchen Mengen der Verbraucher mit diesen Stoffen in Kontakt kommt, um das gesundheitliche Risiko abzuschätzen“, sagte der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung, Professor Dr. Dr. Andreas Hensel. „Die Wirkung dieser Pflanzeninhaltsstoffe im Organismus sollte mit modernen molekularbiologischen Methoden aufgeklärt werden“. Das BfR empfiehlt, prioritär die Stoffe zu bewerten, die in Aromen oder in Nahrungsergänzungsmitteln in isolierter und konzentrierter Form eingesetzt werden sollen.

Ein typisches Beispiel für solche Pflanzeninhaltsstoffe sind Isoflavone. Sie werden auch als Phytoöstrogene bezeichnet, weil sie in ihrer chemischen Struktur dem Hormon Östrogen ähneln. Diese natürlichen Inhaltsstoffe der Sojabohne und des Rotklees weisen eine hormonähnliche Wirkung auf und werden Frauen daher bei Beschwerden in den Wechseljahren zur Symptomlinderung angepriesen. Als Vorteil gegenüber der klassischen Hormonsubstitution mit Arzneimitteln wird häufig behauptet, dass Isoflavonpräparate, weil sie natürlichen Ursprungs sind, keine Nebenwirkungen hätten. In toxikologischen Untersuchungen zeigte sich allerdings, dass Isoflavone, wenn sie in isolierter oder angereicherter Form und hoher Dosierung gegeben werden, die Funktion der Schilddrüse beeinträchtigen und das Brustdrüsengewebe verändern können. Es ist nicht auszuschließen, dass dieser östrogenähnliche Effekt auch die Entwicklung von Brustkrebs fördert. Da Frauen nach den Wechseljahren ohnehin ein erhöhtes Brustkrebsrisiko haben, ist die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln mit einem hohen Gehalt an Isoflavonen für diese Verbrauchergruppe nicht ohne Risiko.

Doch nicht nur in isolierter Form können pflanzliche Stoffe in Lebensmitteln unangenehme Überraschungen bereithalten. Sellerie, Pastinaken oder Petersilie enthalten zum Beispiel Furocumarine. Diese hitzestabilen Stoffe wirken phototoxisch. Bereits mit einer großen Mahlzeit von gekochtem Sellerie (ca. 450 Gramm) können so viel Furocumarine in den Körper gelangen, dass eine normal empfindliche Haut schon nach kurzzeitiger Sonnenbestrahlung mit sonnenbrandähnlichen Symptomen reagiert, die sehr lange anhalten können.

Vor dem Hintergrund, dass natürliche Inhaltsstoffe von Pflanzen zunehmend auch in isolierter Form oder als konzentrierter Extrakt als Lebensmittel verwendet werden, ist es nötig, ihre toxische Wirkungen systematisch zu erfassen, sie gesundheitlich zu bewerten und wo nötig auch zu regulieren. Dabei sind aus der Sicht des vorsorgenden Verbraucherschutzes bei den natürlichen Inhaltsstoffen von Pflanzen die gleichen Kriterien anzulegen wie bei der Prüfung synthetischer Zusätze. Im Vordergrund stehen Dosis-Wirkungsbeziehungen, Fragen der Exposition sowie die Erfahrungen am Menschen. Zu erforschen sind die Wirkung der Stoffe und ihrer Metaboliten auf der molekularen Ebene. Biomarker müssen entwickelt werden, die als Indikatoren für ein gesundheitliches Risiko dienen können.

Die Ermittlung der Exposition ist in vielen Fällen schwierig, weil oftmals zu wenige Daten über den tatsächlichen Verzehr von Lebensmitteln vorliegen, die den problematischen pflanzlichen Stoff enthalten. Außerdem schwanken die Gehalte solcher natürlichen Inhaltsstoffe vielfach erheblich, wie das Beispiel der Isoflavone zeigt.

Durch die Risikobewertung sollen sowohl die empfindlichsten Verbrauchergruppen als auch Vielverzehrer sicher vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen geschützt werden. Lebensmittel müssen grundsätzlich gesundheitlich unbedenklich sein. Deshalb findet eine Risiko-Nutzen-Abwägung, bei der positive und negative Effekte verschiedener Inhaltsstoffe eines Lebensmittels gegeneinander aufgerechnet werden, im Rahmen der Risikobewertung nicht statt.

Sekundäre Pflanzenstoffe können auch zu Vergiftungen bei Tieren führen. Für den Schutz des Verbrauchers muss der Übergang (Carry Over) der toxikologisch relevanten Stoffe in das Lebensmittel tierischer Herkunft ermittelt werden. Von Interesse für die Tierernährung ist auch die mögliche positive oder negative Wirkung von Pflanzeninhaltsstoffen auf die Leistung der Nutztiere.

Neben der Risikobewertung kommt auch der Kommunikation von Risiken pflanzlicher Inhaltsstoffe eine wichtige Rolle zu. Der Verbraucher ist objektiv und sachlich richtig, in klaren Aussagen, über mögliche Risiken zu unterrichten, damit er sein Verzehrsverhalten nach seinem individuellen Risiko und seinem Sicherheitsbedürfnis ausrichten kann.

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